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So manch kuriose Erfindung haben die Digedags haben uns die Digedags vorgeführt oder selbst ausgebrütet. Heft 33, Geheimsache Digedanium, zeigt uns in ein neonisches Patentamt, in welchem allerlei skurrile Typen mit ihren Erfindungen warten. Enterich meldet seinem Chef: "... ein Perpetuum mobile, ein Eßautomat, drei mechanische Bratenwender ein ...."
Milchüberkochverhütungsapparat und Eßautomat gehören sicher in die Abteilung der Erfindungen, die die Welt nicht braucht. Mechanische Bratenwender dagegen, sind seit Loenardo da Vinci ein Dauerbrenner, wie ein Blick in das Lexikon Die Technik (F. M. Feldhaus, 1914) beweist.
Zitat aus: F. M. Feldhaus, Die Technik der Vorzeit - der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker - Lexikon, Heinz Moos Verlag München, 1914, (2. Auflage 1965), S. 128-132


Bratenwender

Abb. 98; 'Rauchhansel', Bratenwender mit Warmluftturbine nach Leonardo, um 1500.
Zu zwei Zeichnungen auf Blatt 5 v a des Cod. atl. gibt Leonardo da Vinci die ältesten bekannten Darstellungen mechanischer Bratenwender. Oben sieht man ein Zahnradwerk, das durch ein rechts hängendes Gewicht in Drehung versetzt wird und dadurch die beiden links sichtbaren Bratspieße dreht. Die Gleichmäßigkeit der Drehung wird durch einen sogenannten Windfang besorgt. Er besteht aus einem Kreuz, auf dem vier Vogelfedern stecken (Abb. 98). Auf dem unteren Teil des gleichen Blattes sehen wir hingegen einen Bratenwender (Abb. 99), der durch die im Schornstein aufsteigende warme Luft selbsttätig in Drehung versetzt wurde. Unter der Zeichnung vermerkt Leonardo: „Dieses ist die richtige Art, Fleisch zu braten, weil der Braten sich langsam oder schnell dreht, je nachdem das Feuer mäßig oder stark ist". Wenn nämlich das Feuer stark ist, wird sich das kleine vierflüglige Rad im Schornstein schneller bewegen, als wenn das Feuer schwach brennt. Dadurch dreht sich dann das Zahnradgetriebe und der zum Bratspieß führende Schnurantrieb schneller um. Es geschieht also bei dieser Vorrichtung eine selbsttätige Regulierung der Geschwindigkeit, um das Anbrennen des Fleisches zu verhüten. Ob die beiden Entwürfe von Leonardo in Oberitalien oder am französischen Hof - wo er lebte - ausgeführt wurden, weiß man nicht.
In einem deutschen Kochbuch, das unter dem Titel „Kuchemaistrey" im Jahre 1507 in Augsburg erschien, finden wir wieder einen mechanischen Bratenwender dargestellt (Abb. 100). Auf der dem Beschauer des Bildes zugewandten Seite sieht man den Bratspieß, auf dem zwei Stück Geflügel aufgespießt sind. Von dort aus, wo die Frau steht, kann er durch eine kleine Kurbel gedreht werden. Um aber den Bratspieß auch dann noch weiter laufen zu lassen, wenn man für einen Augenblick etwas anderes zu tun hat, dient eine Zahnradübertragung, wovon allerdings nur ein Rad zu sehen ist. Vom Bratspieß aus wird eine senkrecht stehende Welle in Drehung versetzt, und wohl schneller als der Bratspieß.
Abb. 99; Bratenwender mit Gewichtszug nach Leonardo, um 1500; (Klick => ZOOM)
Abb. 99.
Bratenwender mit Gewichtszug nach Leonardo, um 1500


Abb. 100; Bratenwender mit Schwungkugeln, 1507; (Klick => ZOOM)
Abb. 100.
Bratenwender mit Schwungkugeln, 1507.
Am unteren Ende der Welle sitzen Schwungkugeln, die, wenn sie einmal in Bewegung sind, den Bratspieß längere Zeit in Drehung erhalten.
Verschiedentlich sieht man im 16. Jahrh. auf Holzschnitten von Kochbüchern Bratenwender dargestellt, die wahrscheinlich durch ein im Kamin laufendes Rad in Bewegung gesetzt werden. Man kann aber nur erkennen, daß ein Schnurantrieb oder eine Welle aus dem Kamin zum Bratenwender herunterkommen.

Wie der Antrieb im Kamin erfolgt, ist nicht zu sehen (Diederichs, Deutsches Leben, Jena 1908, Abb. 572, 573). - Bartolomeo Scappi, Mundkoch Papst Pius' V., gibt in seinen Opera (Venedig 157o, Taf. 3) einen Bratenwender an, der mittels einer starken Spiralfeder getrieben wird. Auf Taf. 20 zeichnet Scappi einen Bratenwender mit Triebrad im Schornstein. Er nennt diese Vorrichtung eine „kleine Mühle mit Rauchbetrieb". Man hat dieses Bild früher falsch erklärt und kann deshalb heute noch lesen, dieser Scappi habe einen Bratenwender gekannt, der durch Dampfkraft bewegt wurde. Dem gegenüber möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß mir aus früheren Jahrhunderten kein Bratspieß mit Dampfbetrieb bekannt geworden ist. Eine im Englischen erschienene Geschichte der Dampfmaschine von Stuart behauptet, im Jahre 1577 habe ein deutscher Mechaniker einen Bratspieß durch Dampf betrieben. Es läßt sich aber nicht erweisen, wer dieser Mann gewesen sein soll. Der berühmte Montaigne vermerkt in seinen Reiseaufzeichnungen aus dem Jahre 1580, daß er in Brixen einen Bratenwender gesehen habe: „Man hat dort eine Art, den Bratspieß zu drehen, bestehend aus einer Winde mit mehreren Rädern. Es wird ein kräftiges Seil um eine große eiserne Trommel geschlungen. Nahezu eine Stunde hält es an, wenn das Seil sich dann wieder rückwärts bewegt" (Montaigne, Voyage, Paris 1906, S. 145.)



Im nächsten Jahrhundert waren die mechanischen Bratenwender so bekannt geworden, daß sie in die Lehrbücher des Maschinenbaues aufgenommen wurden. Zuerst finden wir sie 1607 bei Zonca. Auf zwei Kupfertafeln wird ein durch Federzug (S. 89) und ein durch Warnluft (S. 90) betriebener Bratenwender (Abb. 101) dargestellt. Bei Strada findet sich der Bratenwender mit Warmluftbetrieb 1618 (Taf. 49) wieder, ebenso bei Harsdörffer 1651 (S. 477). Was sich in den späteren Zeiten von Bratenwendern findet, ist nur eine Wiederholung von Konstruktionen, die wir hier kennen lernten, also entweder Bratenwender mit Warmluftbetrieb, Zuggewicht oder Federantrieb. Jedoch ist mir noch eine andere Antriebsvorrichtung für einen Bratenspieß zu Gesicht gekommen. In dem Buch „Der ... fortgesetzte Curiöse Künstler (Nürnberg 1705, S. 339 und Taf. 3)" wird nämlich ein Bratenwender dadurch bewegt, daß man ihn mit einem kleinen Wasserrad in Verbindung setzt, das von der Wasserleitung gespeist wird.
Abb. 101; Bratenwender mit Warmluftbetrieb, 1607; (Klick => ZOOM)
Abb. 101.
Bratenwender mit Warmluftbetrieb, 1607
Einen an der Wand hängenden Bratenwender mit Gewichtsaufzug sieht man 1751 im 6.Teil vom Schauplatz der Natur (Wien u. Nürnberg, 1751, VI, Taf. 3). Dort sieht man auch (Taf. 4) einen Bratenwender mit Warmluftrad. Den ersten Bratenwender mit Dampfbetrieb fand ich erst zu Anfang des 19. Jahrh. und zwar in dem französischen Patent von Couteau (Nr. 151, V. 20. Dez. 1803). Dort ist ein Bratenwender in den Herd eingebaut, und sein Antrieb erfolgt durch eine kleine Dampfturbine, die sich ihren Dampf in einem kleinen Kessel im Herdfeuer erzeugt. Originale von Bratenwendern mit Gewichtszug in den Museen zu Zürich, Düsseldorf und Nürnberg; mit Warmluftturbine zu Graz, Pettau und Hartberg. Vgl.: Wörter und Sachen, 1812, Bd. 4, S. 198.



Hinweis (MosaFilm): Feldhaus führt ebenfalls an:

Bratenwender, elektrischer, heißt das elektrische Flugrad von Franklin um 1750. Es besteht aus einer sich wagrecht drehenden Holzscheibe, an der radial 30 Glasstäbe mit Metallkugeln sitzen.

Auch wenn die Legende geht, Benjamin Franklin hätte einen Truthahn durch einen elektrischen Schlag getötet und danach mit einem elektrisch betriebenen Bratenwender geröstet, handelt sich bei Franklins Bratenwender keinesfalls um ein Küchergerät, sondern um eine Apperatur, mit der er seine elektrostatischen Experimente durchführte.

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