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So manch kuriose Erfindung haben uns die Digedags vorgeführt oder selbst ausgebrütet. Heft 33, Geheimsache Digedanium, führt uns in ein neonisches Patentamt, in welchem allerlei skurrile Typen mit ihren Erfindungen warten. Dieser Beitrag erzählt interessante Geschichten von patentierten Erfindungen und dem Schicksal ihrer Schöpfer.
Zitat aus: Geniale und kuriose Erfindungen, Bibliothek erstaunlicher Fakten und Phänomene, Verlag Naumann & Göbel, S. 12-13


Das Patentamt

Patent(amt)geschichte(n): Oliver Evans - Volldampf -

Kaum einer hat sich so unermüdlich dafür eingesetzt, die menschliche Arbeitskraft durch Dampfkraft zu ersetzen, wie Oliver Evans, und kaum einer wurde so dürftig für seine Anstrengungen belohnt. Ihm, der heute nahezu unbekannt ist, gebührt mehr als jedem anderen das Verdienst, der Dampfmaschine in der Neuen Welt zum Durchbruch verholfen zu haben.
Oliver Evans (1755-1819)
Oliver Evans (1755-1819)
Evans wurde 1755 als fünftes von zwölf Kindern eines angesehenen Schuhmachers namens Charles Evans in Newport, Delaware, geboren. Von Privatlehrern erzogen, ging Oliver Evans mit 16 Jahren bei einem Stellmacher in die Lehre. Dort erwies er sich schnell als technisch sehr begabt; so entwarf er neuartige Pferdekutschen und ersann eine Methode zur Herstellung der zum Krempeln von Wolle benutzten Eisenkämme. Mit dieser Erfindung erfuhr Evans erstmals, wie schwierig es war, für eine Neuschöpfung Förderer zu finden - und er wurde mit dem Problem der kommerziellen Piraterie konfrontiert. Von Philadelphia bis Boston produzierte man Tausende von Wollkrempeln, ohne daß der Erfinder auch nur einen Penny dafür sah.

In den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts richtete sich Evans' Interesse auf Techniken zum Mahlen von Getreide. Damals wurden in den amerikanischen und europäischen Mühlen viele Arbeitsgänge mit Schaufeln und Harken von Hand ausgeführt, und Arbeiter liefen oft mit schmutzigen Füßen über das Getreide. Evans entwickelte ein hygienischeres und effizienteres Verfahren. 1785 baute er mit seinen Brüdern die erste automatisierte Getreidemühle von Amerika.
In Evans' Mühle wurde das Getreide durch eine von Wasserkraft angetriebene Maschinerie, unterstützt von einer Arbeitskraft, getrocknet, gemahlen, ausgebreitet und sortiert. Mit seiner Mühle ließen sich höhere Erträge erzielen als mit dem herkömmlichen, von einem Müller und zwei Gehilfen ausgeführten Verfahren. Doch Evans fand nur wenige Interessenten unter den traditionsbewußten Müllern und Pflanzern der amerikanischen Ostküste, unter ihnen George Washington. 1790 erwarb Evans ein 14-Jahres-Patent auf seine Mühle, die sich mit der Zeit als gewinnbringend erwies.

Am meisten faszinierte Evans die Nutzung von Dampfkraft. So steckte er den Profit aus seiner Getreidemühle in die Konstruktion einer verbesserten Dampfmaschine. 1772, nur drei Jahre nachdem der schottische Erfinder James Watt ein Patent für seine Dampfmaschine erworben hatte, war Evans zu der Erkenntnis gelangt, daß Maschinen wie die von Watt - die nicht mit der Energie von hochkomprimiertem Dampf arbeiteten - für schwere Arbeiten zu leistungsschwach waren. Er wollte eine Maschine entwickeln, die stark genug war, einen Wagen anzutreiben.

Klick & Zoom: Oliver Evans' Steam Carriage
Die von Oliver Evans 1805 entwickelte Amphibien-Grabmaschine war das erste mit Dampf betriebene Land-Wasser-Fahrzeug in der Neuen Welt.
Gegen 25 Cents konnte jeder Evans' Maschine im Einsatz sehen.
Sein erstes, 1794 fertiggestelltes Modell arbeitete mit dem fünf- bis achtfachen Dampfdruck der von Watt konstruierten Maschine. Evans sandte seine Entwürfe nach England, um ein britisches Patent zu erwerben, doch ein Konkurrent aus Cornwall, Richard Trevithick, dem mit der Konstruktion der ersten mit Dampf betriebenen Lokomotive ein ähnlicher Durchbruch gelang, bekam das Patent.
Um 1800 vollendete Evans seine Arbeit an einer kleinen Hochdruckmaschine, die ein Mahlwerk antreiben sollte. Mit diesem Apparat, der in 24 Stunden zwölf Tonnen Gips zu Gipsmehl zermahlte, gelang es ihm, öffentliches Interesse für seine arbeitssparenden Geräte zu wecken.
Evans Maschinen wurden immer größer und leistungsfähiger. 1805 bot die Stadt Philadelphia dem Erfinder 3000 Dollar für die Konstruktion eines kraftangetriebenen Baggers zur Reinigung der Hafenanlage. Evans baute einen Leichter, den er Orukter Amphibolos (griechisch für „Amphibien-Grabmaschine") nannte. Boot wie Bagger wurden mit Dampf betrieben. Er rüstete den primitiven Schaufelraddampfer mit Rädern aus und fuhr ihn zum Schuylkill River. Er war das erste kraftangetriebene Landfahrzeug in Amerika. (Das erste Kraftfahrzeug der Welt, ein Dreirad-Dampfwagen, hatte 1769 der Franzose Nicolas-Joseph Cugnot gebaut.)
Evans' Unternehmen florierte zwar, doch 1805 verweigerte der amerikanische Kongreß die Verlängerung des 1791 ausgestellten Patents für seine Getreidemühle, eine Entscheidung, die erst drei Jahre später revidiert wurde. In dieser Zeit eigneten sich viele Müller sein System an, darunter auch Thomas Jeffersons Aufseher in Monticello. (Jefferson zahlte Evans ordnungsgemäß 89,60 Dollar für die Verletzung des Patents.)
Klick & Zoom: Oliver Evans' Steam Carriage
Die von Oliver Evans 1805 entwickelte Amphibien-Grabmaschine war das erste mit Dampf betriebene Land-Wasser-Fahrzeug in der Neuen Welt.
Gegen 25 Cents konnte jeder Evans' Maschine im Einsatz sehen.
1809 entschied ein Gericht in Philadelphia, daß alle Patentinhaber gegen öffentliches Recht verstießen. Voller Zorn warf Evans die Entwürfe seiner Erfindungen ins Feuer. Als der Gerichtsbeschluß kurze Zeit darauf umgestoßen wurde, rekonstruierte Evans geduldig seine Zeichnungen. 1814 wurden Evans' Maschinen in der Baumwoll- und Textilverarbeitung eingesetzt, zum Mahlen von Mineralien und auch als Antrieb für Schiffe verwendet. Doch der Erfinder war müde geworden. Als er 1819 mit einer schweren Lungenentzündung daniederlag, mußte er erfahren, daß seine Maschinenfabrik in Philadelphia, die er liebevoll sein Mars-Werk nannte, einem Feuer zum Opfer gefallen war. Bald darauf starb Evans.
Die Pittsburgh Gazette rühmte Evans in einem Nachruf als einen Mann, der „aus Dankbarkeit einer Nation in Erinnerung bleiben wird, wenn die im Vergleich zu ihm unbedeutende Schar von Metaphysikern und Eroberern längst gänzlich vergessen sein wird". Tatsächlich war es Oliver Evans, der in Vergessenheit geriet und dem das Los eines weithin unbekannten Genius beschieden war.
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