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So manch kuriose Erfindung haben uns die Digedags vorgeführt oder selbst ausgebrütet. Heft 33, Geheimsache Digedanium, führt uns in ein neonisches Patentamt, in welchem allerlei skurrile Typen mit ihren Erfindungen warten. Dieser Beitrag erzählt interessante Geschichten von patentierten Erfindungen und dem Schicksal ihrer Schöpfer.
Zitat aus: Geniale und kuriose Erfindungen, Bibliothek erstaunlicher Fakten und Phänomene, Verlag Naumann & Göbel, S. 22-23


Das Patentamt

Patent(amt)geschichte(n): Elias Howe - Nähmaschinen -

Elias Howe hörte den Begriff Nähmaschine zum ersten Mal, als er in Boston bei Ari Davis arbeitete, einem Hersteller von Präzisionsinstrumenten. Seit einem halben Jahrhundert hatte man sich in Amerika und Großbritannien erfolglos an der Entwicklung eines solchen Geräts versucht. Einige der frühen, in Großbritannien patentierten Maschinen funktionierten nicht. Und die von dem französischen Schneider Barthélemy Thimonier 1830 vorgestellte Nähmaschine veranlaßte die Schneider zu radikalen Aktionen. Aus Furcht, die arbeitssparende Apparatur könnte sie brotlos machen, stürmten sie Thimoniers Betrieb und zerstörten seine 80 Maschinen. 1834 konstruierte Walter Hunt, der Erfinder eines Vorläufers des Winchester-Repetiergewehrs und der Sicherheitsnadel, Amerikas erste Nähmaschine, verlor dann aber das Interesse an dem Gerät, das seiner Meinung nach Arbeitsplätze vernichtete. Doch Ari Davis war der Auffassung, daß sich mit einer solchen Maschine ein Vermögen machen ließe, und Elias Howe teilte diese Ansicht.
Elias Howe (1819-1867)
Elias Howe (1819-1867)
Howe, 1819 in Spencer, Massachusetts, geboren, war mit 16 Jahren in einer Textilfabrik in die Lehre gegangen. Nach der Wirtschaftskrise von 1837 arbeitslos geworden, zog er nach Boston, wo er bei Davis eine Anstellung fand. Anfang der 40er Jahre mußte Howe, der inzwischen geheiratet hatte, aus Krankheitsgründen seine Arbeit aufgeben. Um die wachsenden Schulden bezahlen zu können, nahm seine Frau Näharbeiten in Auftrag. Während Howe ihr bei der Arbeit zusah, erkannte er, daß man niemals die Hand- und Armbewegungen beim Nähen maschinell nachvollziehen könnte. So ersann er ein Verfahren, bei dem zwei Fäden verwendet wurden. Eine Nadel mit einem Öhr an der Spitze stieß durch den Stoff und ließ auf der Unterseite eine Fadenschlinge entstehen; dann wurde von einem Schiffchen ein Faden durch die Schlinge geführt, so daß ein fester Steppstich entstand.

In jener Zeit schien Howe vom Pech verfolgt zu sein. Ein Feuer zerstörte seine Werkstatt; ferner stellte sich heraus, daß seine Maschinen mit rund 300 Dollar das Stück für einen Durchschnittshaushalt zu teuer sein würden. Bei einer Vorführung 1845 übertraf seine Erfindung die Arbeitsleistung von fünf Näherinnen, doch Howe vermochte nicht, eine Maschine zu verkaufen. Mit einem 1846 erworbenen Patent versuchte er, den Vertrieb des Geräts in Großbritannien anzukurbeln, wurde aber um seine britischen Gewinnanteile betrogen. Um die Rückfahrt nach Amerika bezahlen zu können, mußte Howe sein Modell und die Patentpapiere verpfänden. Bald darauf starb seine Ehefrau.

Klick & Zoom: Howe - Nähmaschine
"Howe" - die "Großmutter" der modernen Nähmaschinen.
Unterdessen florierte das Geschäft mit den Nähmaschinen. Während Howes Abwesenheit hatten sich andere seiner Erfindung bemächtigt, und Nähmaschinen unterschiedlicher Bauart waren überall in Gebrauch. Am erfolgreichsten erwies sich die Maschine von Isaac Singer. Seine Nähmaschine wies einige Unterschiede zu Howes Modell auf: Ihre Nadel bewegte sich nicht seitwärts, sondern auf und ab, und sie wurde von einer Tretkurbel statt von einer Handkurbel angetrieben. Doch Singer benutzte dasselbe Steppstichverfahren und eine ähnliche Nadel.

Abgesichert durch eine Hypothek auf die Farm seines Vaters, verklagte Howe die Patentdiebe. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten wurde sein Patent 1854 bestätigt und Singer zur Nachzahlung von Lizenzgebühren in Höhe von 15 000 Dollar verpflichtet. Als die verschiedenen Hersteller ihre Patente 1856 zusammenfaßten, handelte Howe eine Lizenzgebühr von fünf Dollar für jede in Amerika verkaufte und von einem Dollar für jede ins Ausland verkaufte Maschine aus. Die Regelung brachte ihm zwei Millionen Dollar ein, ein Vermögen, von dem er all die Jahre geträumt hatte. Aber der Kampf um seine Erfindung forderte seinen Tribut. 1867 starb Howe 48jährig - es war das Jahr, in dem sein Patent erlosch.

Klick & Zoom: Porträt Frau an Howe-Nähmaschine, ca. 1853
Porträt Frau an Nähmaschine, ca. 1853
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