Auszüge aus veröffentlichter Primärliteratur zu Gesellschaft, Wissenschaft und Technik. Diese Zitate sollen die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Der Text wurde Printmedien entnommen, Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler bitte ich unkommentiert zu entschuldigen. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de


Zitat aus: Zeitschrift "hobby" Das Magazin der Technik, EHAPA-Verlag GmbH Stuttgart, Artikel "Fototagebuch, Geknipst und entwickelt in 60 Sekunden", Heft 04/1959, S. 45-47

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Geknipst und entwickelt in 60 Sekunden

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Als die alten Hasen unter den Fotoamateuren noch blutige Anfänger waren, da war es wirklich noch krasse Utopie, was heute in ausgereifter Wirklichkeit zur Verfügung steht: ein Fotoapparat, der 60 Sekunden nach dem Auslösen des Verschlusses ein fertiges Bild liefert. Es ist die Polaroid-Land-Kamera aus USA, die nun auch auf den deutschen Markt gekommen ist. Vielleicht kennen Sie den Witz von dem Amerikaner, der mit seiner gehfaulen Gattin durch den Yellowstone-Park fuhr, an einem berühmten Aussichtspunkt aus dem Wagen stieg, eben jene Kamera zückte, das Panorama fotografierte und nach 60 Sekunden seiner Frau ein fertiges Landschaftsbild mit den Worten überreichte: „Hier, Darling, du brauchst dich gar nicht zu bemühen!" .. .

Keine Dunkelkammer, kein langer Kopierprozeß ist nötig - Kamera auslösen, Papierstreifen herausziehen, 60 Sekunden warten, Rückwanddeckel öffnen und das fertige Positiv herausnehmen – das ist alles, was der glückliche Besitzer dieser Kamera zu tun braucht. Das Manipulieren mit Entwickler und Fixierbad in der Dunkelkammer fällt fort. Man braucht nicht einen ganzen Film zu verknipsen, ihn dann zum Fotohändler zu schaffen, um nach Tagen die Kontaktabzüge zu besichtigen und von den guten Aufnahmen Vergrößerungen zu bestellen: Sofort nach der Aufnahme weiß man, wie das Bild geworden ist. Ist es gut, so erhält es mit einem getränkten Schwämmchen eine Hochglanzschutzschicht. Ist das Bild aber schlecht so macht man eben eine neue Aufnahme mit korrigierter Einstellung. Das ist wirklich die Quintessenz der Schnappschußfotografie! Deswegen wird natürlich der altehrwürdige Negativ-Positivprozeß, wie ihn unsere normalen Kameras bieten, noch lange nicht zum alten Eisen geworfen.

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DER ZAUBERFILM,

der wie alle Rollfilme bei Tageslicht in die Kassette eingelegt werden kann, enthält das große Geheimnis des Polaroid-Systems (1). Er ist mit wenigen Handgriffen in Sekundenschnelle eingelegt. Durch das Herausziehen der Negativpapierrolle wird der Entwicklungsgang für das nächste Bild eingeleitet (2). Das Papier kann an einer Klappschiene entlang sauber abgerissen werden. Bild 3 zeigt das Herauslösen des vorperforierten Bildes, das genau eine Minute zuvor aufgenommen wurde. Wenn es herausgenommen ist, wird mit einem kleinen Bausch eine dünne, schützende Lackschicht aufgetragen (Bild 4). Befriedigt diese Aufnahme nicht, macht man eben rasch eine neue mit korrigierter Einstellung.
Nun, wie funktioniert die Polaroid-Land-Kamera? Zunächst dürfen wir nicht erschrecken, wenn wir uns einer etwas altmodisch aussehenden Monstre-Rollfilm-Kamera gegenübersehen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die fertigen Bilder die Größe von 8,5 x 10,5 cm haben und daß die Kamera gleichzeitig die 'Dunkelkammer' enthält.
Das hochempfindliche Negativ-Papier-Filmmaterial (100, 200 oder 400 ASA, das entspricht etwa 21°, 24° oder 27° DIN) wird wie eine herkömmliche Tageslichtspule auf der einen Seite der geöffneten Kamera eingelegt. Dann folgt auf der anderen Seite in losem Wickel das lichtunempfindliche Positivpapier, das durch die Decklasche mit dem Negativfilm zunächst verbunden ist. In Abständen von etwa 17 cm befinden sich am Positivpapier kleine Taschen aus einer Alufolie, die eine gallertartige Entwicklersubstanz enthalten. Nachdem der Negativstreifen normal belichtet ist, wird er umgelenkt und läuft dann durch ein Druckwalzenpaar. Dort vereinigt er sich mit dem Positivstreifen. Durch das Herausziehen des Papiers, auf dem sich das Negativbild der letzten Aufnahme befindet, wird die Entwicklersubstanz aus den Taschen gepreßt und gleichmäßig zwischen Negativ- und Positivstreifen verteilt. Jetzt wartet man die berühmten 60 Sekunden ab, öffnet einen Deckel an der Rückseite der Kamera und entnimmt ihr das geschickt ausgestanzte und perforierte fertige Bild. Es hat die oberste Schicht des vom Bromsilber zum Silber gewordenen Bildes als Positiv durch Abklatsch übernommen.
Daß dies alles ohne Flüssigkeiten und ohne zusätzliche Kopierbelichtung geschieht, ist das Erstaunliche an diesem System, umsomehr, als kein hartes Bild entsteht, sondern die feine Durchzeichnung einer vergleichenden Kritik mit 'normalen' Fotos durchaus standhält.

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Was uns weniger gefiel, ist die fehlende letzte Präzision beim einen oder anderen Kamerateil. So stimmt vor allem bei Nahaufnahmen trotz dem automatischen Parallaxenausgleich der Bildausschnitt nicht ganz genau. Der hochempfindliche Pola-Pan-200-Film hat einen verhältnismäßig geringen Belichtungsspielraum (er entspricht etwa einem herkömmlichen Farbfilm) -, was eine sorgfältige Belichtung erfordert. Das ist allerdings mit dem auf die Kamera aufsteckbaren Belichtungsmesser, der von der Firma Metrawatt aus Nürnberg dazu geliefert wird, kein Problem.
Alles in allem: Die Polaroid-Land-Kamera ist ein fotografischer Zauberkasten, der seinem Erfinder Dr. Edwin H. Land in Massachusetts nicht nur viele Lorbeeren, sondern auch viel Geld eingebracht hat und der sicherlich auch in Europa Freunde finden wird. Im Hinblick auf die künftige Weiterentwicklung des Polaroid-Systems ist es vielleicht interessant, zu wissen, daß die Hersteller bereits für das kommende Jahr das Erscheinen eines Farbfilmes in Aussicht gestellt haben.
Mehr über Edwin Land und seine Polaroid: siehe Hintergrundthema zu Mosaik Nr. 33, Geheimsache Digedanium - (Sofort im Bilde - Edwin Land).