Auszüge aus veröffentlichter Primärliteratur zu Gesellschaft, Wissenschaft und Technik in der DDR. Diese Zitate sollen die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Der Text wurde Printmedien entnommen, Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler bitte ich unkommentiert zu entschuldigen. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de
Mosaikzeit Jürgen Kuczynski (Quintessenz)
001.12.1955 Abgeordneter der Volkskammer / Mitglied in der Deutschen Akademie der Wissenschaften
155.10.1969 Karl-Marx-Orden
215.10.1974 Nationalpreis


Zitat aus: "Weltall - Erde - Mensch", Ein Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte von Natur und Gesellschaft, Verlag Neues Leben, 3. unveränderte Ausgabe 1955, S. 321-342

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DIE LETZTE KLASSENGESELLSCHAFT
(DER KAPITALISMUS)

JÜRGEN KUCZYNSKI

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Abb. 1
Alter Textilbetrieb

Besuchen wir eine Fabrik, in der Baumwolle; zu Tuchen verarbeitet wird, aber nicht heute, sondern vor vielen Jahren, sagen wir um 1840. Das Gebäude ist viel größer als die umliegenden Häuser - nicht höher, aber sehr viel länger. Wir kommen durch verschiedene Säle. Da die Fenster klein sind, gibt es wenig Licht dort, und überdies fliegen überall Staubteile von Baumwolle um her. Dauernd hören wir, die Menschen husten. Der Boden ist unsauber, weil der Schmutz von Arbeit und Straße liegenbleibt und die Arbeiter immer wieder ausspucken müssen, um in dieser Luft atmen zu können. Dichtgedrängt stehen die Menschen an den eng nebeneinander aufgestellten Webstühlen.
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Abb. 2
Kinder in einer Textilfabrik

Ein Aufseher schreit, ein kleines Kind an, das vielleicht fünf oder sechs Jahre alt ist, weil es nicht schnell genug bei der Arbeit war. Als das Kind das Gesicht zum Weinen verzieht, schlägt er es mit einem Stock. Die in der Nahe arbeitenden Frauen und Männer achten nicht darauf; sie sind das gewöhnt, und außerdem haben sie Angst, die Arbeit zu verlieren, wenn sie etwas sagen. Auch sind sie müde und abgestumpft von der Arbeit, die um 5 Uhr morgens beginnt. Jetzt ist es schon 5 Uhr nachmittags; 12 Stunden Arbeit liegen hinter ihnen, aber die Arbeit geht noch weiter bis 8 Uhr abends, denn der Tag im Betrieb dauert 15 Stunden.
Warum arbeiten die Menschen nur unter solchen Bedingungen? Immer hungrig immer müde, oft krank, weil die Arbeit die Gesundheit schädigt; im Winter frierend und im Sommer ausgedörrt von der Hitze, ohne genügend Schlaf, denn zu den 15 Stunden im Betrieb kommt noch eine Stunde für den Weg zur Arbeit und nach Hause zurück.
Warum arbeiten sie nur so weiter? Niemand hält sie im Betrieb; keinem Herrn gehören sie, wie die Sklaven, die von der Polizei eingefangen wurden, wenn sie wegliefen. Bewaffnete Knechte suchen und foltern sie nicht, wie jene Hörigen und Leibeigenen hundert Jahre zuvor, die vor der Not des Landes im Feudalismus die Flucht ergriffen. Sie sind frei, um fortzugehen, sie können sich woanders Arbeit suchen oder überhaupt zu Hause bleiben. Kein Mensch und kein Gesetz zwingen sie zur Arbeit und erst recht nicht zur Arbeit bei einem bestimmten Menschen, in einer bestimmten Fabrik. Und doch bleiben diese Menschen, denn bei anderen Fabrikherren geht es ihnen nicht besser. Wie mit Fesseln angeschmiedet bleiben sie bei der Fabrikarbeit. Ja, mehr noch; sie fürchten sich davor, daß der Fabrikbesitzer sie aus dem Betrieb, aus dieser Arbeitshölle, hinauswerfen könnte und daß sie dann arbeitslos werden.
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Abb. 3
Kinder arbeiten im Berkwerk

Arbeitslos? Und das soll schlimm sein, wo sie doch nun den erschöpften Körper ausruhen können; wo die Mutter für die Kinder Zeit hat, und der Vater zum ersten Male seit vielen Jahren mit den „Älteren" einen Ausflug machen kann?
Ja, diese Arbeiter sind frei, sich zu bewegen: von einer Arbeitshölle in die andere, von einem dumpfen Arbeitsraum in den anderen, von einem Fabrikbesitzer zum anderen - oder aber auch ohne Arbeit zu Hause zu sein. Doch sie sind auch frei von etwas anderem, frei von jeder Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt außerhalb solcher Arbeitshöllen zu verdienen. Die Bauern unter dem Feudalismus hatten den Boden, von dem man sie nicht einfach vertreiben konnte, und landwirtschaftliche Geräte, die ihnen gehörten. Die Handwerker der Zünfte hatten ihr Handwerkszeug. Aber die Arbeiter unter dem Kapitalismus - gehören ihnen die Maschinen, die Baumwolle, der Zement usw., mit denen sie arbeiten? Natürlich nicht! Sie sind frei von allen Arbeitsmitteln. Nur eines besitzen sie, das sie verkaufen können und von dessen Verkauf sie leben müssen: das ist ihre Arbeitskraft, für deren Verkauf sie Lohn erhalten.
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Abb. 4
Englische Kapitalisten im 18. Jahrhundert besprachen ihre Geschäfte in "Kaffeehäusern"

Die Fabrikbesitzer brauchen im allgemeinen keine Polizei, keine bewaffneten Knechte, um die Arbeiter in die Fabriken zu treiben. Es gibt eine andere, viel wirksamere Kraft, die die Arbeiter in die Fabriken und Bergwerke, auf die Felder als Landarbeiter und zu den Eisenbahnen als Verkehrsarbeiter zwingt. Diese Kraft ist der Hunger, ist die Notwendigkeit, etwas zu verdienen, um essen zu können - und Brot unter dem Kapitalismus gibt es für die meisten Menschen nur dann, wenn sie ihre Arbeitskraft verkaufen.
Wieviel beträgt nun der Lohn für den Verkauf der Arbeitskraft? Sagt der Fabrikbesitzer etwa: „Der Arbeiter hat so viele Meter Stoff oder so viele Stühle mit seiner Arbeitskraft geschaffen, und darum zahle ich ihm einen Lohn, der dem Wert der von ihm geschaffenen Sachen entspricht?" Ganz und gar nicht! Der Fabrikbesitzer sagt etwas ganz, anderes, und zwar: "Du mußt soundsoviel essen, damit du einigermaßen bei Kräften bleibst und morgen wieder bei mir arbeiten kannst, und dann muß dein Kind ja auch etwas essen, denn es soll später, wenn du alt und arbeitsunfähig bist, als Ersatz für dich zum Arbeiten da sein. Also bekommst du so viel Lohn, daß du und deine Familie nicht verhungerst. Mich stört nicht, wenn du hungerst, frierst und krank bist, solange du dabei arbeiten kannst. Und wenn ein paar von euch sterben, so ist das auch kein großes Unglück. Nur Massensterben von Arbeitern ist schlecht, weil dann niemand zum Arbeiten da ist. Darum soll der Lohn gerade so hoch sein, daß ihr noch leben und schuften könnt; also sollt ihr 1 Taler am Tag haben."
Die Stühle oder Tücher aber, die der Arbeiter an einem Tag herstellt, sind 3 Taler wert; der Fabrikbesitzer verkauft sie für 3 Taler, auf dem Markt.
Natürlich hat der Fabrikbesitzer noch andere Ausgaben als nur den Lohn; er muß zum Beispiel für die Herstellung der Tücher Baumwolle kaufen oder für die Herstellung der Stühle Holz. Außerdem werden für die Produktion all dieser Sachen Werkzeuge und Maschinen benötigt, die der Fabrikbesitzer auch bezahlen muß. Seine Rechnung sieht also bei der Tuchproduktion zum Beispiel so aus:

RECHNUNG FÜR DEN 5.MAI 1840,
an dem 300 Tücher hergestellt wurden.
Für 100 Arbeiter Lohn gleich 100 x 1 Taler
100 Taler
Baumwolle, Abnutzung der Maschinen,
des Fabrikgebäudes usw.
100 Taler
Ausgaben des Fabrikbesitzers insgesamt
200 Taler
Verkauf von 300 Tüchern, 1 Taler das Stück
300 Taler
Gewinn oder Profit des Fabrikbesitzers
100 Taler
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Abb. 5
"Das Bohnenfest" (prassende Kaufleute). Ausschnitt aus einem Gemälde von Jacob Jordaens (17. Jh.)

Die 300 von den Arbeitern hergestellten Tücher haben also einen viel größeren Wert durch all die Arbeit, die in sie hineingesteckt worden ist, als der Lohn beträgt, den die Arbeiter erhalten. Jeder Arbeiter erhält nun für 1 Tag Arbeit 1 Taler Lohn. Da aber 100 Arbeiter an einem Tag 300 Tücher herstellen, kommen auf jeden Arbeiter 3 Tücher, von denen jedes 1 Taler kostet. Am Abend liegt also vor jedem Arbeiter ein Wert von 3 Talern, von denen 1 Taler als Lohn auf ihn kommt. Von dem zweiten Taler geht an diejenigen, die die Baumwolle geliefert haben, die Hälfte; die andere Hälfte wird für Maschinenreparaturen, Ausbesserungen am Fabrikgebäude usw. zurückgelegt, und 1 Taler geht an den Fabrikbesitzer. Da nun der Fabrikbesitzer 100 Arbeiter beschäftigt, so trägt jeder der 100 Arbeiter am Abend 1 Taler Lohn mit nach Hause; der Fabrikbesitzer aber erhält von der Arbeit eines jeden Arbeiters 1 Taler, er trägt also am Abend 100x 1 Taler, das sind 100 Taler oder 100mal soviel wie ein Arbeiter nach Hause.
Was ist hier passiert? Plötzlich verschwindet ein Riesenbetrag in die Tasche des Fabrikbesitzers. Überlegen wir noch einmal genau, wie das kommen kann. Lassen wir die Baumwolle und Reparaturausgaben für die Maschinen und das Fabrikgebäude beiseite; die sind schon vorhanden; die werden an dem Tag, an dem wir die Fabrik besuchen, nicht neu geschaffen. Was neu geschaffen wird durch Verwandlung der Baumwolle mit Hilfe der Maschinen, das sind die Tücher. Diese Neuschaffung der Tücher, das ist die eigentliche Arbeit! Und diese Arbeit verrichtet der Arbeiter. Für diese Arbeit zahlt der Käufer, wenn er 3 Tücher, also das Tagesprodukt eines Arbeiters kauft, 2 Taler. Die Tücher kosten, wie wir bereits sagten, 3 Taler, und davon sind 1 Taler für Baumwolle, Maschinenabnutzung usw. bestimmt, also für die Dinge, die in Tuch verwandelt werden sollen, und 2 Taler für die Arbeit der Umwandlung selbst. Diese Umwandlung ist das Wichtigste; ohne sie nutzen uns ja die Baumwolle, die Maschinen, das Fabrikgebäude nichts. Der Arbeiter erhält aber nicht so viel Lohn, wie seine Arbeit wert ist, nicht so viel Lohn, wie die von ihm geschaffenen Dinge wert sind, also 2 Taler am Tag für die Umwandlung, sondern nur so viel, wie er unbedingt für sich und seine Familie braucht, um leben zu können, und das ist 1 Taler. Den anderen Taler Wert, den er durch die Umwandlung schafft, steckt der Unternehmer ein. Diesen Wert, den der Arbeiter mehr schafft, als sein Lohn beträgt, nennen wir Mehrwert; und diesen Mehrwert nimmt sich der Unternehmer. Dadurch, daß der Unternehmer also von jedem der 100 Arbeiter für 2 Taler Werte am Tag schaffen läßt, aber jedem der 100 Arbeiter nur 1 Taler auszahlt, macht er, täglich einen Gewinn, einen Profit von 100 x 1 Taler oder 100 Taler und bringt seiner Familie abends 100mal mehr Geld mit nach Hause als jeder der 100 Arbeiter. 100 Taler hat er den Arbeitern am Abend weggenommen, denn sie erhalten nur die Hälfte des Wertes, den sie am Tag geschaffen haben.

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Abb. 6
Die "Jenny", die erste Spinnmaschine

Wie aber kann er den Arbeitern einfach die Hälfte dessen, was ihnen eigentlich zukommt, wegnehmen? Nun, ganz einfach deswegen, weil er den Arbeitern sagen kann: „Ich besitze die Fabrik und die Maschinen - wenn ihr mir nicht die Hälfte von dem geben wollt, was ihr schafft, wenn ihr einen höheren Lohn haben wollt, dann sucht euch woanders Arbeit." Und da alle Fabrikbesitzer so reden, müssen die Arbeiter, die nur ihre Arbeitskraft besitzen und sonst nichts, unter solchen furchtbaren Bedingungen arbeiten. Die Maschinen, die Fabrikgebäude und das Geld, mit dem der Lohn gezahlt wird, alles das nennt man Kapital; und die, denen das alles gehört, nennt man Kapitalisten.
Woher aber, wird man fragen, haben die Kapitalisten ihr Kapital?
Die ersten Kapitalisten finden wir schon vor 700 Jahren in Italien; sie waren ursprünglich Kaufleute, die durch Raub und Betrug billig Waren im Ausland erwarben, sie ins Land brachten und sie dann teuer verkauften. Ihre riesigen Gewinne legten sie zum Teil in der Tuchproduktion an, das heißt, sie kauften Gebäude, Spinn- und Webstühle und setzten an die Webstühle Bauern, die ihren Feudalherren auf dem Lande weggelaufen waren, und arme Gesellen, die nicht genug Geld hatten, Meister zu werden.
Im 16. Jahrhundert, also 300 Jahre später, finden wir in einem Lande nicht nur einzelne Kapitalisten wie in Italien, sondern so viele, daß die gesamte Wirtschaft des Landes, daß das ganze Land kapitalistisch wird.
England ist das erste kapitalistische Land der Welt. Das zweite, zur gleichen Zeit, war Holland, das dritte, 200 Jahre später, waren die Vereinigten Staaten von Amerika, und das vierte wurde im Jahre 1789 Frankreich.
Deutschland wurde erst im 19. Jahrhundert ein kapitalistisches Land.
In allen kapitalistischen Ländern waren die Kaufleute die ersten Kapitalisten. Sie waren die größten Räuber ihrer Zeit. Aber auch reiche feudale Großgrundbesitzer wurden Kapitalisten. Sie vertrieben die Bauern von ihrem Land, raubten also auch das Land und die Geräte und ließen das geraubte Land von Landarbeitern bebauen oder verpachteten es.
Auch reiche Handwerker gab es, die dadurch, daß sie ihren Kollegen die Kunden wegfingen, immer reicher wurden und schließlich Hunderte von Menschen, denen sie einen kümmerlichen Lohn zahlten, für sich arbeiten ließen.
Immer aber waren die ersten Kapitalisten Räuber, die anderen Geld und Produktionsmittel fortnahmen oder die Waren stahlen und sie mit großem Gewinn verkauften. So entstanden überall, in allen Ländern, die ersten Kapitale.
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Abb. 7
Vor 100 Jahren - Militär wird von den Kapitalisten gegen streikende Arbeiter eingesetzt.

Nun gut, wird man sagen, so kam das erste Kapital zusammen. Aber schon 1840, als wir eine Textilfabrik besuchten, wurde doch nicht mehr auf diese Weise gestohlen - zumindest nicht in England, Deutschland usw. Richtig! Wie aber wuchsen die Kapitale, nachdem durch Raub und Betrug ein Anfang gemacht worden war? Um das zu erklären, nehmen wir uns wieder den Textilfabrikanten vor. Er hat, wie wir schon wissen, 100 Arbeiter, von denen jeder 1 Taler Lohn für den Tag erhält, die für 1 Taler Baumwolle, Maschinen usw. verbrauchen und die, da die Tücher, welche sie herstellen, 3 Taler Wert haben, jeder dem Fabrikanten 1 Taler Gewinn einbringen.
Wie ist die Lage nach einem Jahr? Am Ende des Jahres hat der Fabrikant an 100 Arbeiter für 360 Tage - damals mußten seine Arbeiter zumeist auch sonntags arbeiten, ausgenommen waren Weihnachten, Neujahr und Ostern - je 1 Taler gezahlt, also 100 x 360 x 1 Taler = 36000 Taler Lohn. Dann hat der Unternehmer für den gleichen Betrag Baumwolle und andere Dinge gekauft und einen Teil des Geldes für die Abnutzung der Maschinen und des Fabrikgebäudes zurückgelegt oder bereits für Reparaturen ausgegeben; seine Ausgaben waren also 36000 + 36000 = 72000 Taler. Für die Tücher aber hat er, wie wir wissen, 360 (Tage) x 300 (Tücher am Tag) x 1 (Taler für das Tuch) = 108000 Taler bekommen.
Was macht der Unternehmer nun mit seinen 36000 Talern Gewinn oder Profit? Einen Teil verbraucht er, um sehr gut zu essen und zu trinken, um sich und seine Familie gut einzukleiden, um schöne Reisen zu machen und in einem prächtigen großen Haus zu wohnen.
Wenn er für alle diese Dinge reichlich Geld ausgegeben hat, bleibt ihm immer noch die Hälfte der Taler, also 18000 Taler, übrig. Was macht er mit diesem Geld, legt er es auf die Sparkasse? Er denkt gar nicht daran. Zunächst baut er an seinen Betrieb noch einen Fabriksaal, dann stellt er dort neue Maschinen auf, und schließlich stellt er 20 neue Arbeiter ein. Im Jahre 1841 hat er also anstatt 100 Arbeiter, von denen ihm jeder an jedem Tag 1 Taler Profit einbringt, 120 Arbeiter, und so steigt sein Tagesprofit von 100 auf 120 Taler, und sein Profit im neuen Jahr beträgt nicht mehr wie 1840 100 x 360 = 36000 Taler, sondern 120 x 360 = 43200 Taler.
So geht es von Jahr zu Jahr. Dadurch, daß die Fabrikbesitzer, die Kapitalisten, so viel verdienen, den Arbeitern so viel Mehrwert rauben, sie so stark ausbeuten, daß es unmöglich ist, das alles in einem Jahr für Essen, Trinken usw. auszugeben, bleibt ihnen reichlich Geld übrig. Dieses Geld benutzen sie, um neue Maschinen zu kaufen und immer neue Arbeiter einzustellen, die sie immer mehr ausbeuten.
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Abb. 8
Frühkapitalistische Manufaktur

Alles Kapital, das Kapital von 1840, heckt neues Kapital, das größere Kapital von 1841. Und so geht es fort. Immer mehr Kapital, immer mehr Maschinen und Fabriksäle, ja, immer mehr Fabrikgebäude gehören einem einzelnen Kapitalisten, und je mehr Arbeiter er beschäftigt und ausbeutet, um so mehr wächst sein Kapital oder wie man auch sagt, desto mehr Kapital akkumuliert der Kapitalist.
All das, was hier vom Kapital, vom Mehrwert, vom Profit, von den ersten Kapitalisten und von der Akkumulation des Kapitals gesagt wird, alles das haben Karl Marx und Friedrich Engels uns als erste richtig erklärt; von ihnen haben wir es gelernt, und aus dem Studium ihrer Schriften lernen wir es auch heute noch; aber nicht nur wir in Deutschland. Auch in der Sowjetunion, in China, Afrika und Grönland, überall dort, wo es Menschen und insbesondere Arbeiter gibt, die die Möglichkeit haben, die besten Bücher über die Wirklichkeit zu lesen, studiert man die Werke von Marx und Engels, den größten Söhnen unseres deutschen Vaterlandes.
Erinnern wir uns, wie es 1840 in der Baumwolltuchfabrik aussah, wie müde und stumpfsinnig die Arbeiter waren, wie sie sich nicht wehrten, nicht einmal hinsahen, als der Meister das Kind schlug. Und 1841, war es da anders? Der einzige Unterschied war, daß an Stelle von 100 jetzt 120 müde und abgestumpfte Arbeiter im Betrieb des Unternehmers beschäftigt waren. Aber wie anders sieht es 1847 aus! Natürlich sind die Arbeiter nicht weniger müde von der vielen Arbeit, und wie 1840 und 1841 sind sie, die Männer, die Frauen und die Kinder, mager vom Hunger. Und doch sind sie wie verwandelt. Anstatt Mattheit und Stumpfheit finden wir wütenden Zorn. Die schlaffe Hand von 1840 hat sich in eine geballte Faust verwandelt. Der gekrümmte Rücken ist gesteift. Das müde Auge, ehedem blind für die Zukunft, blitzt jetzt lebhaft und sieht ein besseres Leben vor sich, das es zu erkämpfen gilt.
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Abb. 9
Arbeiter fordern vom Fabrikbesitzer höheren Lohn

Und 1848, ein Jahr später, schlugen die Arbeiter los; sie hatten zu Ende des Jahres 1847 einen kleinen Verein gegründet, allerlei Schriften durch ihn bezogen und im engen Kreis besprochen. Im Februar des neuen Jahres war ein dünnes Heftchen aus London gekommen, genannt „Manifest der Kommunistischen Partei". Die Verfasser hießen Karl Marx und Friedrich Engels. Dort steht geschrieben, daß sich nur die Arbeiter selbst helfen können, aus dem grauenhaften Elend, in dem sie leben, herauszukommen, daß sich die Arbeiter zusammenschließen müssen gegen die Kapitalisten, gegen die Fabrikbesitzer, gegen die Regierung und den Staat, der die Kapitalisten stützt, daß die Arbeiter die Fabriken, die Bergwerke und die Felder selber übernehmen sollen, daß sie selber eine Regierung der Arbeiter bilden, einen Staat der Arbeiter schaffen sollen.
Und alles das erkannten die Arbeiter als richtig. Natürlich gab es damals viele Arbeiter, die weder lesen noch schreiben konnten, denn die Fabrikbesitzer wollten kein Geld für Schulen ausgehen. Die Arbeiter sollten nichts lernen und, wie die Kapitalisten sagten, „dumm und treu wie die Tiere sein". Der Staat sollte das Geld lieber für die Armee verwenden. Daher gab es nur wenige Arbeiter, die dieses kleine Heft, in dem die wichtigsten Dinge für die Arbeiter standen, selber lesen konnten. Aber die, welche lesen konnten, erzählten anderen davon, und um anderen davon berichten zu können, waren Vereine - wie der in der Fabrik, die wir besuchten - sehr geeignet. Aus diesem Grunde verbot auch die Polizei, die die Fabrikbesitzer, die Kapitalisten, schützen sollte, derartige Vereine.
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Abb. 10
Bauern stürmen im Jahre 1848 das Waldenburger Schloß

Endlich, im März 1848, hielten es die Menschen in Deutschland nicht länger aus. Die Arbeiter empörten sich gegen die Kapitalisten, und alle, insbesondere auch die Bauern, standen auf gegen die Junker auf dem Lande, die die gemeinsten Ausbeuter waren und sogar die Kapitalisten in der Stadt betrogen.
Aber die Zahl der Arbeiter war damals noch klein, und als sich die Kapitalisten in den Städten aus Angst vor der revolutionären Kühnheit der Arbeiter mit den Junkern auf dem Lande verbanden, wurden die Arbeiter geschlagen.
Doch die Revolution hatte große Erfolge. In dem nächsten Halbjahrhundert entwickelte sich in Deutschland etwas ganz Neues. Und nicht nur in Deutschland. Auch in Frankreich und England geschah das gleiche, ebenfalls auf Grund großer Kämpfe der Arbeiter, die in Frankreich und England schon in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen hatten, weil der Kapitalismus in diesen Ländern älter war als in Deutschland. Und dem Beispiel Deutschlands, Englands und Frankreichs folgten alle anderen kapitalistischen Länder.
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Abb. 11

Das Neue ist eine immer stärker werdende, immer besser organisierte Arbeiterbewegung. In allen Ländern entstehen Arbeiterparteien, nicht so groß und ordnungsgemäß geführt wie heute die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands und erst recht nicht so wie die vorbildlichste von allen Arbeiterparteien, die Kommunistische Partei der Sowjetunion. Auch erkannten damals viele Arbeiterführer noch nicht, wie recht Marx und Engels hatten mit ihrer Lehre von der kapitalistischen Gesellschaft und von der Art und Weise, wie die Arbeiter gegen die Kapitalisten kämpfen müssen.
Je bessere Schüler von Marx und Engels die Arbeiterführer und allgemein die Arbeiter waren, desto stärker und fester war auch die Arbeiterpartei, um so größere Erfolge hatte sie im Kampf gegen die Kapitalisten.
Neben den Arbeiterparteien wurden auch Gewerkschaften gegründet, Vereinigungen vor Arbeitern gebildet, die speziell für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit und andere Verbesserungen in den Betrieben kämpften.
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Abb. 12
Der Schlosserlehrling Zinna und der Geselle Glasenapp auf der Barrikade.

Der organisierte Kampf der Arbeiter hatte zahlreiche Erfolge. Insbesondere wurde die Arbeitszeit verkürzt; von 14, 16, sogar 18 Stunden vor der Revolution von 1848 ging sie allmählich bis zum Ende des Jahrhunderts auf 12, 11, ja auch schon auf 10 Stunden zurück. So einfach schreibt sich das: sie ging zurück. Und doch, wie viele Opfer kostete es, um das zu erkämpfen! Streiks, in denen die Arbeiter keinen Lohn erhielten, so daß sie mit ihren Frauen und Kindern Hunger litten und nur deshalb nicht verhungerten, weil sie in den Gewerkschaftskassen für solche Kämpfe etwas gesammelt hatten; Streiks, bei denen die Kapitalisten versuchten, die Arbeiter mit Polizei, ja mit Militär in die Fabriken und Bergwerke zurückzutreiben; Streiks, in deren Gefolge die besten Arbeiter zu vielen Jahren Gefängnis und Zuchthaus verurteilt wurden, weil sie die Arbeiter richtig beraten hatten zu streiken, weil sie die Arbeiter siegreich im Streik gegen die Kapitalisten führten. So manche Frauen und Kinder sahen ihre Männer und Väter Jahre hindurch nicht wieder und mußten sich das Geld zum Leben unter schwersten Bedingungen verdienen; sie kamen nur deshalb durch, weil ihnen die anderen Arbeiterfamilien in Solidarität halfen.
Die Verkürzung der Arbeitszeit war auch daher so wichtig, weil die Arbeiter dadurch mehr Zeit für Besprechungen, zum Lesen und Agitieren hatten, das heißt zur besseren Vorbereitung der Kämpfe für höhere Löhne und eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit. Stellen wir uns vor, wie man in der Partei und den Gewerkschaften arbeiten soll, wenn man 14, 16 oder 18 Stunden im Betrieb arbeiten muß und wie anders das Leben aussieht, wenn man nur 12 oder gar nur 10 Stunden zu arbeiten hat.
Also, wird man denken, ging in dieser Zeit die Ausbeutung zurück, sanken die Profite der Kapitalisten. Ganz und gar nicht! Genau das Gegenteil war der Fall. Die Ausbeutung nahm zu, und die Profite der Kapitalisten stiegen gewaltig in die Höhe.
Wie aber ist das möglich, wenn die Arbeiter immer weniger Stunden am Tag arbeiten? Ihren Lohn müssen sie doch bekommen, sonst verhungern sie, und dann bleibt doch weniger Zeit, um den Mehrwert, den die Kapitalisten einstecken, zu schaffen.
Man darf jedoch hierbei nicht vergessen, daß die Kapitalisten gleichzeitig immer bessere Maschinen aufstellen, diese immer schneller laufen lassen, die Arbeiter immer mehr zur Arbeit antreiben und daß so in einer Stunde viel mehr Dinge hergestellt werden als vorher. Erinnern wir uns an die Tuchfabrik im Jahre 1840. Da arbeitete jeder Arbeiter 15 Stunden und hatte am Ende des Tages 3 Tücher hergestellt. 50 Jahre später, 1890, arbeiteten die Arbeiter in dieser Fabrik 4 Stunden weniger, nämlich 11 Stunden, aber am Ende der 11. Stunde hatten die Arbeiter nicht 3 Tücher, sondern 9 Tücher, also 3 mal soviel hergestellt. Und nun sehen wir uns an, wie die Rechnung des Kapitalisten von 1890 im Vergleich zu der von 1840 aussieht:
Damals, 1840, bekamen die Arbeiter für den Tag 1 Taler, den Wert von 1 Tuch. Im Jahre 1890 erhielten die Arbeiter genau wie 1840 nur so viel, daß sie nicht verhungerten und immer weiter arbeiten konnten, also Lohn im Wert von 1 Tuch.
Für die Baumwolle, Abnutzung der Maschinen usw. hatte der Kapitalist 1840 ebenfalls 1 Tuch (bei 100 Arbeitern 100 Taler = 100 Tücher) zurücklegen müssen. Wenn aber 1890 3mal soviel Tücher von jedem Arbeiter hergestellt werden, dann wird mehr Baumwolle verbraucht, und weil die Maschinen besser und teurer sind, muß der Kapitalist auch mehr für ihre Abnutzung zurücklegen. Weil 3mal soviel Tücher hergestellt werden, muß er rund das 3fache zurücklegen, also 3 Tücher.
Es ergibt sich nun folgendes:
1840
1890
Lohn für einen Arbeiter
1 Tuch Wert 1 Tuch Wert
Baumwollverbrauch, Maschinenabnutzung usw.
pro Arbeiter
1 Tuch Wert 3 Tücher Wert
Ausgaben des Kapitalisten pro Arbeiter
2 Tücher Wert 4 Tücher Wert
Produktion pro Arbeiter
3 Tücher Wert 9 Tücher Wert

Profit des Kapitalisten pro Arbeiter

1 Tuch Wert

5 Tücher Wert
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Abb. 13
Polizei verhaftet streikende Arbeiter

Obgleich sich die Ausgaben des Kapitalisten verdoppelt haben (von 2 auf 4 Tücher Wert), hat sich sein Profit verfünffacht.
Wie kann man nun sagen, daß es dem Arbeiter unter dem Kapitalismus immer schlechter geht, wenn sein Lohn gleichbleibt?
Nun, zuerst einmal geht es dem Arbeiter im Jahre 1890 im Vergleich zu 1840 sehr, sehr viel schlechter, weil der Kapitalist 5mal soviel Mehrwert, 5mal so hohe Profite aus jedem einzelnen Arbeiter herausholt. Die Situation ist für den Kapitalisten noch viel günstiger geworden; 1840 holte er jeden Tag 100 x 1 Tuch heraus, denn er hatte 100 Arbeiter, und jeder Arbeiter mußte gewissermaßen 1 Tuch umsonst für den Kapitalisten liefern. 1890 holt der Kapitalist aus jedem Arbeiter 5 Tücher für sich heraus, und da er jetzt anstatt 100 Arbeiter 1000 hat, erzielter einen Tagesgewinn von 5000 Tüchern. Der Tagesgewinn ist also von 100 auf 5000 oder um das 50fache gestiegen, während der Lohn des Arbeiters der gleiche, nämlich 1 Tuch, geblieben ist.
Richtig, wird man sagen; die Reichen sind viel reicher geworden. Aber das bedeutet noch nicht, daß auch die Armen, die Arbeiter, ärmer geworden sind; erhalten sie doch nach wie vor 1 Tuch Lohn. Aber wie sieht es mit ihrer Arbeitskraft aus? Durch das ungeheure Gehetze bei der Arbeit, das, was man die gewaltig gestiegene Intensität der Arbeit nennt, wird viel mehr an Arbeitskraft als vorher aus dem Arbeiter herausgeholt. Das heißt, wenn er den gleichen Lohn wie vor 50 Jahren erhält, aber viel mehr Arbeitskraft aus ihm herausgepumpt wird, wenn er nach einer Woche viel erschöpfter ist als früher, wenn er vielleicht nur 35 Jahre in seinem Leben arbeiten kann und dann Invalide wird, dann bedeutet der gleiche Lohn von 1 Tuch in Wirklichkeit eine Lohnsenkung. Muß der Arbeiter doch zum Beispiel 1890 mehr und besser essen als 1840, nur um die mehr herausgepumpte Arbeitskraft wiederherzustellen. Und selbst wenn der Lohn steigt, zum Beispiel von 1 Tuch auf 1¼, Tuch, selbst dann bedeutet das noch, daß sich der Arbeiter 1890 nicht so wie 1840 von der Arbeit erholen kann, eben weil die Intensität der Arbeit so gestiegen ist.
Das heißt, wie auch immer die Arbeiter unter dem Kapitalismus kämpfen, nie kann sich ihre Lage wirklich verbessern; immer wird sie sich weiter verschlechtern. Natürlich kann sie sich auf einzelnen Gebieten verbessern, jedoch niemals im ganzen; sie wird nicht von Stunde zu Stunde schlechter, wohl aber von Jahrzehnt zu Jahrzehnt.
Wozu sind nun aber die Gewerkschaften und die Arbeiterparteien nütze, wenn es den Arbeitern doch immer schlechter unter dem Kapitalismus geht?
Sie sind von Nutzen einmal deswegen, weil die einzelnen Verbesserungen, die die Arbeiter durch sie erkämpfen, sehr wichtig für die Werktätigen sind, wie zum Beispiel die Arbeitszeitverkürzung. Sie sind weiter von Nutzen, weil es ohne sie den Arbeitern noch viel schlechter gehen würde. Sie sind vor allem aber deswegen unendlich viel von Nutzen, weil sie die Arbeiter für den entscheidenden Kampf zum Sturz des Kapitalismus vorbereiten. Bereits 1871 hatten die Arbeiter einmal für ganz kurze Zeit und auf ganz kleinem Raum, nämlich in Paris, den Kapitalismus gestürzt; aber sie wurden von den vereinten Truppen der französischen und deutschen Reaktion besiegt.
1890 rüsteten die Arbeiter aller Länder der Welt, zum ersten Male den 1. Mai als Kampftag gegen den Kapitalismus zu begehen. Karl Marx, der große Führer aller Arbeiter der Welt, war schon sieben Jahre tot; aber unter der Führung seines Freundes und Kampfgefährten Friedrich Engels hatten sich die Arbeiterparteien aller Länder 1889 zusammengeschlossen und untereinander abgemacht, im Jahre 1890 und dann jedes Jahr den 1. Mai zu feiern, auf die Straße zu gehen, um gegen die Kapitalisten zu demonstrieren und am Nachmittag mit der gesamten Familie ein Fest der eigenen Stärke und der Zuversicht auf den Sieg zu feiern.
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Abb. 14
Der große Künstler Adolf Menzel malte dieses Bild eines Eisenwalzwerkes

Aber auch die Kapitalisten sind in dieser Zeit in gewisser Beziehung mächtiger geworden. Einmal haben sie angefangen, sich in Kapitalisten - oder, wie sie sich nannten, in Unternehmerverbänden zusammenzuschließen. Vor allem aber sind ihre Betriebe gewaltig gewachsen.
Aus der Tuchfabrik im Jahre 1840, mit Zoo Arbeitern und mit einfachen Maschinen, an denen auch Kinder arbeiten konnten, ist ein Großbetrieb geworden mit komplizierten und viel leistungsfähigeren Maschinen, an denen 1000 Arbeiter beschäftigt sind.
Manche Betriebe beschäftigen jetzt sogar 10000 Arbeiter und noch mehr, so die Rüstungsfabrikanten Krupp in Deutschland, Schneider-Creuzot in Frankreich, Vickers in England, Putiloff in Rußland, Dupont in den Vereinigten Staaten von Amerika. Durch die riesig wachsenden Profite wird es den großen Kapitalisten möglich, immer mehr Maschinen anzuschaffen, immer größere Fabriken zu bauen und immer mehr Arbeiter zur Ausbeutung einzustellen.
Riesige Profite holen sie sich auch aus den Kolonien. Das sind Länder, vor allem in Afrika und Asien, in die die Kapitalisten eingedrungen und in denen sie über die Bevölkerung hergefallen sind; sie haben das Land geraubt, behandeln die armen Menschen dort fast wie Sklaven und zwingen sie, für ganz niedrigen Lohn zu schuften. In den Kolonien sind die Profite ganz besonders hoch; vor allem aus zwei Gründen. Einmal haben die Kapitalisten dort, auch noch im 19. Jahrhundert, als das in Europa nicht mehr üblich war, weil sie sich hier schon alles vorher geholt hatten, der Bevölkerung das Land und seine Bodenschätze gestohlen; es hat sie nichts gekostet, sich große Felder mit ihren Früchten, große Wälder mit Holz, Berge mit Kohlen und Erzen anzueignen.
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Abb. 15
Eine moderne Fabrikanlage

Und dann werden dort die Löhne nicht von dem bestimmt, was die Arbeiter zum Leben notwendig haben. Da die Bevölkerung dort im Verhältnis zu der Zahl der Arbeiter, die die Kapitalisten brauchen können, zumeist sehr groß ist, sagen sich die Kapitalisten: Wenn die Arbeiter nach ein paar Jahren an Entkräftung, vor Hunger oder an Krankheiten sterben, dann macht uns das nichts aus, es gibt ja genügend Ersatz. So kommt es, daß in manchen Gegenden in den Kolonien die Menschen nicht älter als 30 Jahre werden, daß in vielen Familien, die, sagen wir, 4 Kinder haben, 3 Kinder vor Hunger sterben, bevor sie überhaupt 6 Jahre alt geworden sind. So kommt es, daß die Kapitalisten in den Kolonien die Arbeiter noch viel mehr ausbeuten können als woanders. Das ist der zweite Grund, weshalb die Kapitalisten so besonders hohe Profite in den Kolonien machen.
Alles das, was hier geschrieben ist, haben uns Marx und Engels gelehrt. In den Jahren nach 1847 und 1848 haben sie die Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft überall in der Welt genau untersucht und uns in ihren Schriften und Briefen darüber berichtet - Marx bis zum Jahre 1883, als er starb, und Engels bis zu seinem Tode im Jahre 1895.

Mit dem 20. Jahrhundert ändert sich wieder manches in der kapitalistischen Gesellschaft, und diese Änderungen haben sehr große Bedeutung für uns alle.
Denken wir an die drei Punkte, die wir soeben besprochen haben.
Beginnen wir mit den Kolonien. Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es mit der Schaffung neuer Kolonien zu Ende. Die Welt war aufgeteilt unter die großen kapitalistischen Länder; diese hatten sich große Weltreiche oder Imperien, wie man sie auch nennt, zusammengeraubt; sie waren imperialistische Länder geworden. Wer weitere Kolonien haben wollte, um große Profite, um Maximalprofite zu erlangen, der mußte einem anderen imperialistischen Lande Kolonien wegnehmen. Das aber war nur durch Krieg möglich. Das heißt, das weitere Wachstum der großen kapitalistischen Länder war nur noch durch Neuverteilung der Welt mittels Kriegen möglich. Kriege gehören jetzt notwendigerweise zur kapitalistischen Gesellschaft.
Wir alle wissen, daß es seit 1900 bereits zwei Weltkriege und viele Einzelkriege mit dem Ziel der Neuverteilung gegeben hat und daß die Imperialisten, insbesondere die amerikanischen Imperialisten, heute einen neuen, einen dritten Weltkrieg vorbereiten.
Weltkrieg - da steht das Wort mit seinen neun Buchstaben! Man meint zuerst, daß es ganz leicht zu verstehen ist. Weltkrieg, das heißt, daß sich alle Welt im Krieg befindet, daß alle oder fast alle Länder der Welt Krieg miteinander führen. Und doch ist es ein so großes und furchtbares Wort, daß man lange darüber nachdenken muß, um zu verstehen, was es bedeutet.
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Abb. 16
Überall in den Kolonien herrscht militärischer Terror.

Stellen wir uns einmal ein Land vor, das 20 Millionen Einwohner hat. Es ist etwa so groß wie unsere Republik, halb so groß wie Frankreich oder doppelt so groß wie Ungarn. In diesem Land werden rund 400000 Menschen in einem Jahr geboren. 400000 Familien feiern dort jedes Jahr die Geburt eines Kindes, und die Eltern und alle Geschwister freuen sich über das neugeborene Kind. Die Mutter und der Vater sorgen voll Freude für den Säugling; er wird krank, aber alles wird wieder gut; er wächst heran, und nach sechs Jahren geht das Kind zur Schule. Wie oft helfen der Vater, die Mutter oder eines der Geschwister dem Kinde bei den Schularbeiten. Wieviel tausend Freuden bereitet ihm das Leben. Wieviel schöne Spiele gibt es, und oft träumt es davon, wie es sein wird, wenn die Schulzeit vorbei ist.
Die Jahre vergehen. 400000 Kinder verlassen in einem Jahr die Schule. Die einen werden Maurer, die anderen Lehrer; wieder andere gehen in den Bergbau. Und sie beginnen zu schaffen. Nützliche Dinge bringen ihre Hände hervor. Noch sind sie in der Lehre; ein Jahr ist vergangen, und da kommen wiederum 400000 Kinder aus der Schule. Und wieder vergeht ein Jahr. Zwei Jahre arbeiten sie schon. Wichtiger ist jetzt ihre Arbeit, weil sie mehr gelernt haben und Besseres leisten. 400000 weitere Kinder sind aus der Schule gekommen. Jetzt sind es schon 1,2 Millionen Kinder. Drei Jahrgänge - 1,2 Millionen; aber nicht Kinder sind es mehr, sondern jetzt schon Jugendliche.
Und nun geschieht etwas Fürchterliches. Die Imperialisten des 20-Millionen-Landes und die Imperialisten eines Nachbarlandes geraten in Streit. Worüber?
Das 20-Millionen-Land hat eine kleine Kolonie in Afrika. Dort leben etwa 300000 Neger unter den schlechtesten Bedingungen. Die Kolonie war für die Imperialisten nicht „viel wert". Die Neger bauten vor allem Baumwolle an; diese nahmen ihnen die Imperialisten jedes Jahr zum größten Teil fort und verkauften sie an andere Länder. Die armen Neger hungerten und darbten. Die Baumwolle brachte den Imperialisten jedes Jahr 5 Millionen Dollar Gewinn. Sehr viel, wird man denken. Aber für die raubgierigen Imperialisten ist das nicht sehr viel.
Da findet ein Neger plötzlich auf seinem Stückchen Land einen Diamanten. Er geht zur Stadt, wo der Militärkommandant der Kolonie in einem prächtigen Haus wohnt, und will ihn dort in einem Laden verkaufen. Der Ladenbesitzer, der kein Afrikaner ist, sondern aus dem 20-Millionen-Land kam, um die Neger auszurauben, sieht gleich, daß der Diamant rund 1000 Dollar wert ist. Er sagt dem Neger: „Wenn du mir erzählst, wo du den Diamanten gefunden hast, dann will ich dir 5o Dollar geben. Wenn du es jedoch nicht sagst, lasse ich dich ins Gefängnis stecken." Ja, so geht es in den Kolonien zu! Der Neger freute sich über die 50 Dollar. Natürlich war er nicht in die Schule gegangen, weil die Imperialisten ja keine Schulen für Neger bauen. Und so wußte er nicht, daß der Diamant viel mehr als 50 Dollar wert war. Er sagte deshalb dem Ladenbesitzer auch, wo er den Diamanten gefunden hatte.
Am nächsten Tag kommt der Ladenbesitzer mit zwei Freunden einfach auf das Stückchen Land des Negers und auf das Nachbarland zur rechten und zur linken Seite. Sie suchen nach Diamanten. Nach einer Woche stürmen alle Weißen aus der Stadt auf das Land der Neger und vertreiben sie von dort, um Diamanten zu suchen.
Plötzlich ist die Kolonie für die Imperialisten sehr, sehr wertvoll geworden. Plötzlich sehen die Imperialisten aller anderen Länder auf diese kleine Kolonie.
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Abb. 17
Wie Afrika vor dem ersten Weltkrieg unter die Kolonialmächte aufgeteilt war.

Neben dieser Kolonie liegt eine andere, die einem Nachbarstaat des 20-Millionen-Landes gehört. Auch von dort eilen weiße Kolonialräuber in die Diamantenkolonie. Die weißen Räuber der Diamantenkolonie wehren sich gegen das Eindringen der Räuber aus der Nachbarkolonie. Es kommt zu einer Prügelei, und auf beiden Seiten gibt es Tote und Verwundete.
Der Telegraph trägt die Nachricht von dieser Prügelschlacht nach Europa, in das 20-Millionen-Land und in den Nachbarstaat. Die Imperialisten des 20-Millionen-Landes sind wütend über die fremden Räuber, die in ihre Kolonie eingedrungen sind. Sie wollen die armen Neger und ihr Land mit den schönen Diamanten selbst ausrauben.
Aber der Nachbarstaat weigert sich, eine Entschädigung für das Eindringen in die Diamantenkolonie zu zahlen.
„Gemeine Räuber" - schreien die Imperialisten des 20-Millionen-Landes. Aber noch während sie so schreien und gleichzeitig darüber nachdenken, ob sie nicht an den Nachbarstaat den Krieg erklären sollen - ertönt plötzlich das dumpfe Grollen von Kanonen, die ihre furchtbaren Ladungen abschießen.
Das erste Geschoß fällt in eine Schuhfabrik, die in der Nähe der Grenze liegt; es durchschlägt die Decke und läßt eine Maschine, die soeben das Oberleder für einen Kinderschuh zuschneidet, zersplittern, als ob sie aus Holz wäre. Ein Stück des platzenden Geschosses aber trifft einen jungen Menschen, der diese Maschine bediente. Jetzt liegt er tot neben der Maschine. Erinnern wir uns noch - sechzehn Jahre zuvor war er eines jener 400000 Kinder, deren Geburt die Eltern und Geschwister damals so erfreute. Sechzehn Jahre sind seitdem vergangen. Wie vieles war doch schön gewesen in diesem Leben - trotz vielem Kummer, trotz großem Elend! Wie vieles hatten Eltern und Freunde und vor allem der Junge selbst von seinem Leben erwartet. All das ist wie ausgelöscht, als ob es niemals diese sechzehn Jahre gegeben hätte.
Aber wir haben keine Zeit, über dieses eine Leben nachzudenken. Immer erneut schlagen die Geschosse ein. Immer neue Leben fordern sie. Und jetzt antwortet der Kanonendonner aus dem 20-Millionen-Land. Jetzt sterben sinnlos auf der anderen Seite junge Menschen. Auch alte Menschen, Greise und Kinder, Jugendliche und Erwachsene im besten Alter sind darunter - alle durcheinander, ein grauenvoller Haufen sterbender Menschen.
Da kommt ein drittes Land dem 20-Millionen-Land zu Hilfe. Die Imperialisten des 20-Millionen-Landes haben den Imperialisten des dritten Landes einen Teil der Diamanten versprochen, wenn sie ihnen im Kriege helfen.
Und wieder tritt ein Land in den Krieg. Es hilft dem Lande, das zuerst in das 20-Millionen-Land eingefallen ist. Dauernd aber sterben Menschen. So kommt ein Weltkrieg der Imperialisten untereinander zustande. Ein Diamant wird gefunden. Und Millionen Menschen sterben. Millionen Hoffnungen sterben dahin. Millionen glückliche Stunden werden ausgelöscht.
Nur weil die Imperialisten immer neue, immer größere Profite, Maximalprofite, einstecken wollen, ganz gleich, wie viele Meere von Blut diese Diamanten kosten.
Das Blut stört sie nicht, wenn sie nur immer mehr Kapital anhäufen können.
Jetzt ist schon verständlicher, was diese neun Buchstaben WELTKRIEG bedeuten. Natürlich noch nicht ganz. Niemand kann wirklich ganz verstehen, was das Wort Weltkrieg bedeutet. Denn wie kann man den Schmerz von Millionen Eltern, die den Tod ihrer Kinder, den Schmerz von Millionen Kindern, die den Tod ihrer Eltern beweinen, ganz verstehen!
Aber ahnen, fühlen kann man, wie furchtbar, wie unaussprechlich schrecklich ein Weltkrieg ist. Und alle Menschen, die das ahnen und fühlen und, soweit das möglich ist, begreifen, sind darum gegen den Krieg, wollen in Frieden leben.
Aber noch nicht alle Menschen verstehen, wie es zu so furchtbaren Kriegen kommen kann. Am besten verstehen es die Arbeiter, die die Wissenschaft des Sozialismus gelernt haben. Sie begreifen, daß es so lange Kriege geben wird, solange es Imperialisten gibt, die andere Völker unterdrücken, die Kolonien haben und welche die Menschen dort ausrauben, die immer mehr Kolonien haben wollen, bis die ganze Welt eine einzige Kolonie der stärksten und mächtigsten Imperialisten ist.
Darum sagen sie: Imperialismus und Krieg hängen ganz eng zusammen. Wenn wir mit dem Krieg Schluß machen wollen, wenn wir in Frieden leben wollen, dann gibt es nur einen einzigen Weg: Wir müssen den Imperialisten ihre Macht nehmen und sie ihrer gerechten Strafe zuführen. Denn sie sind die furchtbarsten Mörder. Sie morden nicht einen Menschen, sondern eine Million, ja zehn Millionen und noch mehr Menschen.
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Abb. 18
Industrieller Großbetrieb

Eine weitere hochbedeutsame Veränderung des kapitalistischen Systems im 20. Jahrhundert hängt mit dem Wachstum der Betriebe zusammen. Wir haben gesehen, wie während des 19. Jahrhunderts die Betriebe immer größer wurden und schließlich viele tausend Arbeiter beschäftigten. Aber sie wuchsen auf eine besondere Art noch mehr. Man stelle sich vor, daß es in einem Lande zwei besonders große Fabriken gibt, die Nähmaschinen produzieren. Jeder der beiden Fabrikherren möchte dem anderen möglichst viele Kunden wegfangen, um viele Nähmaschinen zu verkaufen; sie machen sich gegenseitig Konkurrenz. Das haben die Kapitalisten immer getan. Und dadurch, daß im 19. Jahrhundert einige Fabrikanten schneller reich wurden und größere Fabriken hatten als die anderen, gelang es ihnen, den anderen immer mehr Kunden abzufangen, so daß die kleineren schließlich fast keine Kunden mehr hatten und nicht weiterarbeiten konnten; sie gingen bankrott. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur noch zwei große Nähmaschinenkapitalisten; sie arbeiteten, wie sie es gewöhnt waren, gegeneinander und gingen mit den Preisen herunter, um sich gegenseitig möglichst viele Kunden wegzuschnappen. Da rief eines Tages einer der Nähmaschinenkapitalisten den anderen an und verabredete sich mit ihm zu einer Besprechung der Lage. Er sagte ihm, wozu bekämpfen wir uns und versuchen einer den anderen durch Kundenwegfang zu schädigen. Legen wir unsere Betriebe zusammen, setzen gemeinsam hohe Preise fest und teilen den Gewinn unter uns; so machen wir beide viel höhere Profite. Die Menschen, die Nähmaschinen kaufen wollen, sind auf uns angewiesen, und wir haben sie völlig in der Hand. Wenn wir zusammenhalten, sind wir Alleinherrscher auf dem Gebiet der Nähmaschinenproduktion oder, wie man auch sagt, Monopolisten.
Wie die Nähmaschinenfabrikanten, so machten es in den letzten Jahren des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr und mehr Großkapitalisten. Sie bildeten Monopole, wobei sich verschiedene Formen der Monopolorganisation ergaben: Kartelle, Syndikate, Konzerne, Truste. Was sie unterscheidet, ist nicht wichtig; was ihnen gemeinsam ist, ist sehr wichtig, nämlich die Verabredung untereinander, wie man durch gemeinsames Vorgehen in jedem Monopol möglichst hohe Profite macht.
Nun ereignete sich folgendes. In Deutschland zum Beispiel hatten sich die Nähmaschinenfabrikanten zusammengeschlossen. Gemeinsam erhöhten sie die Preise, die immer weiter nach oben kletterten.
Plötzlich jedoch gab es wieder billigere Nähmaschinen zu kaufen. Woher nur?
Die Nähmaschinenfabrikanten hatten genau aufgepaßt, daß keine neue Fabrik gebaut wurde. Als jemand gelegentlich eine neue Fabrik bauen wollte, hatte man ihm gedroht, daß er bald bankrott gehen würde, weil er die gesamte Monopolorganisation gegen sich haben würde, und so hatte er seinen Plan aufgegeben. Woher also kamen die Nähmaschinen?
Die billigeren Nähmaschinen waren aus dem Ausland gekommen, wo es auch Nähmaschinenmonopole gab, die jetzt in einen Kampf mit dem deutschen Nähmaschinenmonopol traten. Jedes der Monopole wollte möglichst viele Nähmaschinen in der Welt verkaufen. Was geschah nun? Die Monopolkapitalisten der verschiedenen Länder bildeten, nachdem sie zuerst versucht hatten, sich gegenseitig die Käufer wegzufangen, untereinander eine internationale oder Weltmonopolvereinigung. Sie sagten sich: Wir wollen gemeinsam überall gleichhohe und immer höhere Preise nehmen und so gemeinsam möglichst hohe Profite erzielen.
Wie schlimm solche Monopole sind, kann man an dem folgenden Beispiel erkennen. Stellen wir uns vor, in einem kapitalistischen Land wird in einer Arbeiterfamilie ein Kind krank. Die Eltern haben an sich schon wenig Geld, denn sie werden von den Kapitalisten ausgebeutet. Nun sollen sie Medizin kaufen. Es gibt aber ein Monopol für Medizinen. Das bedeutet, daß die Preise ganz besonders hoch sind und daß es unmöglich ist, die benötigte Medizin zu kaufen. So quält sich das Kind ohne Medizin und stirbt schließlich, weil die Monopolisten nur zu einem hohen Preis Medizin verkaufen. Die Monopolisten haben, um die Profite hoch zu halten, das Kind ohne medizinische Hilfe gelassen; sie haben es ermordet. Nicht nur dieses Kind - viele Millionen Kinder und Erwachsene haben sie auf diese Weise in diesem Jahrhundert sterben lassen, haben sie ermordet. Aber nicht nur auf diese Weise. Die Monopolisten sind, daran muß man stets denken, gemeine Verbrecher. Wenn sich aber Verbrecher auch in einem Monopol zusammenschließen, deswegen bleiben sie im Grunde doch immer noch gegenseitige Feinde. Auch wenn sich zum Beispiel die deutschen, englischen und amerikanischen Monopolisten der Medizinindustrie zusammengeschlossen haben, denkt doch jeder von ihnen: Am liebsten würde ich den anderen erwürgen und selbst, ganz allein, das Weltmonopol für die Herstellung von Medizinen haben und so die allerhöchsten Profite machen. Das heißt, genau wie beim Raub von Kolonien, so denken auch hier die größten Kapitalisten immer an einen Krieg. Während sie sich einerseits miteinander verabreden, denkt andererseits jeder von ihnen zugleich an die Vorbereitung des Krieges gegen den anderen: Das deutsche Monopol bereitet den Krieg gegen das englische und amerikanische, das amerikanische gegen das deutsche und englische vor usw.
Wieder erkennen wir: Der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts, der Imperialismus, der Monopolkapitalismus bedeuten Kriegsvorbereitung und Krieg.
Wieder begegnet uns das Wort Krieg. Wieder denken wir an die letzten zwei Weltkriege. Wieder fühlen wir jetzt, was es bedeutet, daß die Monopolkapitalisten einen dritten Weltkrieg vorbereiten.
Weltkrieg - jene furchtbaren neun Buchstaben, die den Tod von neun Millionen Menschen und mehr bedeuten!
Imperialisten und Monopolkapitalisten aber sind das gleiche, genau wie der Krieg von 1914 bis 1918 und der erste Weltkrieg, der Krieg von 1939 bis 1945 und der zweite Weltkrieg das gleiche sind.
Als wir über die Zeit von 1890 sprachen, da nannten wir die Namen der größten Rüstungsfabrikanten in der kapitalistischen Welt: Krupp in Deutschland, Schneider-Creuzot in Frankreich, Vickers in England, Dupont in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Heute, zwei Generationen später, sind diese größten Rüstungsfabrikanten von 1890 Herren von Rüstungsmonopolen. Dutzende von Betrieben, nicht mit 10000 Arbeitern wie 1890, sondern mit 50000, mit 100000 und noch mehr Arbeitern, sind in ihrer Hand. Und wenn wir in die Kolonien blicken, so sehen wir, wie große Ladungen von Waren, wie Schecks mit Riesenzahlen, wie eine Million Dollar, Franc, Westmark, die Namen Dupont, Schneider-Creuzot oder Krupp tragen.
Sie müssen für immer verschwinden, damit die Menschen in Frieden und Wohlstand leben können!
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Abb. 19
Milch wird weggegossen, um die Milchpreise hoch zu halten.

Und noch eine wichtige Sache müssen wir verstehen: Die Kapitalisten zahlen stets so niedrige Löhne wie möglich, produzieren aber immer soviel wie möglich, um hohe Profite zu erzielen. Wenn jedoch die Produzenten von Baumwollwaren möglichst hohe Profite beim Verkauf von Anzügen, Mänteln, Taschentüchern usw. machen wollen und ihren Arbeitern niedrigste Löhne zahlen und wenn alle anderen Kapitalisten das genau so machen, dann kann die Wirtschaft nicht funktionieren; dann gibt es von Zeit zu Zeit viel mehr Produkte, als bei den niedrigen Löhnen, bei der niedrigen Kaufkraft der Arbeiter verkauft werden können. Es sammeln sich riesige Lager unverkäuflicher Waren. Damit diese Lager nicht überlaufen, wird die Produktion eingeschränkt; zahlreiche Arbeiter werden als überflüssig entlassen; sie werden arbeitslos. Millionen Menschen möchten gern arbeiten, möchten nützliche und schöne Dinge schaffen, aber sie dürfen es nicht; sie dürfen nur dann arbeiten, wenn die Kapitalisten hohe Profite davon haben, und weil das bei überlaufenden Lagern nicht der Fall ist, werden Millionen Arbeiter zur Arbeitslosigkeit verdammt. Es gibt eine ernste Krise in der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft, eine ganz unsinnige Krise. Denn man muß sich vorstellen: Auf der einen Seite sind Millionen Arbeiter, die nicht genügend Geld haben, um genug zum Essen und Kleiden zu kaufen, und auf der anderen Seite sind Riesenlager unverkaufter Waren vorhanden, so daß die Produktion eingeschränkt wird. Und das alles nur, weil die Kapitalisten über den Verkauf zu bestimmen haben und weil sie nur gegen Profit verkaufen wollen. Dabei muß man sehen, daß diese Krisen unter dem Monopolkapital noch viel schlimmer geworden sind, als sie im 19. Jahrhundert waren, weil die Monopolkapitalisten untereinander noch viel höhere Preise verabreden, um noch viel höhere Profite zu erzielen.
Diese Verbrecher verbrennen tatsächlich lieber Getreide, werfen Lebensmittel ins Meer, lassen Wolle verfaulen, als daß sie hungernden und frierenden Menschen helfen. Denn durch die Zerstörung von Lebensmitteln, Wolle usw. beabsichtigen sie die Preise und die Profite hoch zu halten. Auch an diesem Beispiel erkennen wir, daß die Monopolkapitalisten die größten Feinde der Menschen sind. Entweder morden sie Millionen Menschen durch Kriege, oder sie töten sie, indem sie sie verhungern und erfrieren lassen, obgleich genug Waren da sind, nur um hoher Profite willen.
Führen wir uns die Bedeutung der Krise noch einmal plastisch vor Augen.
Stellen wir uns vor: Da ist eine Arbeiterfamilie. Der Vater ist in einer Käsefabrik beschäftigt. Tag für Tag stellt er guten Käse her. Überall essen die Menschen Käse gern. In Deutschland und in Amerika, in Ungarn und in Australien.
Aber viele Hunderte Millionen Menschen haben nicht genügend Geld, um so viel Käse zu kaufen, wie sie gern essen wollen.
Im vorigen Jahr hat die Fabrik 1000000 Käse hergestellt. In diesem Jahr sind neue, bessere Maschinen aufgestellt worden, und die Fabrik stellt 1200000 Käse her.
Aber die Arbeiter und alle anderen Werktätigen haben in diesem Jahr nicht mehr Geld als im vorigen Jahr. Sie wollen gern mehr Käse essen, aber sie können nicht mehr Käse kaufen.
Was also geschieht in der Fabrik? Es sammelt sich unverkäuflicher Käse. Käse, den die Menschen gern kaufen wollen, aber nicht kaufen können.
Immer größer wird der Haufen unverkäuflichen Käses. Alle Keller sind schon gefüllt. Da sagt der Besitzer der Fabrik: Wir müssen weniger Käse herstellen, damit wir den Käse aus unseren Lagern verkaufen können.
Wenn aber Maschinen stillgelegt werden, dann sind auch die Arbeiter überflüssig. Und so sagt er zu 50 Arbeitern: Ihr könnt nach Hause gehen. Ich brauche euch nicht mehr.
Und da sich die Lager auch in anderen Käsefabriken füllen, finden die entlassenen Arbeiter der ersten Käsefabrik keine neue Arbeit.
Ja, auch die anderen Fabriken, die Schokoladenfabriken, die Werkstätten, in denen Kleider und Anzüge hergestellt werden, die Kohlenbergwerke, sie alle entlassen Arbeiter. So wächst die Zahl der Arbeitslosen immer mehr.
Unser Käsearbeiter aber kommt jeden Abend zu seiner Familie traurig und bedrückt zurück. Frau und Kinder fragen schon nicht mehr, ob er Arbeit gefunden hat. Sie sehen ihn nur an und wissen, daß es wieder erfolglos war.
Immer knapper aber wird das Geld in der Familie. Die geringe Arbeitslosenunterstützung reicht nicht aus, um menschenwürdig leben zu können. Die Nachbarn können nichts mehr leihen, denn auch dort sind jetzt Arbeitslose vorhanden. Es geht ihnen ebenso schlecht wie der Familie des Käsearbeiters. Käse gibt es schon lange nicht mehr in der Familie des Käsearbeiters.
Auch keine Schokolade, keine neuen Kleider, keine Kohle.
In der Käsefabrik aber sind die Lager noch voll. Weil es immer mehr Arbeitslose gibt, kann immer weniger Käse verkauft werden. Und ständig werden neue Arbeiter entlassen.
Ähnlich ist es in den Schokoladenfabriken, in den Werkstätten, in denen Kleider und Anzüge hergestellt werden, in den Bergwerken, wo die Kohle gehauen wird; überall in der Wirtschaft steht es so.
Eines Tages kommt der Kellermeister zum Direktor der Fabrik und sagt: Der Käse in den Lagern beginnt zu schimmeln, wir müssen die Preise schnell senken, dann werden wir den Käse noch los, bevor er ganz und gar verschimmelt ist.
Der Käsefabrikant aber sagt: Um Gottes willen, wenn wir diesen Käse, der schon zu schimmeln anfängt, billig verkaufen, dann kaufen alle Leute den billigen Käse, denn sie haben ja durch die Arbeitslosigkeit wenig Geld, und ich kann auch den wenigen frischen Käse, den wir herstellen, nicht mehr verkaufen. Soll der alte Käse ruhig ganz verschimmeln.
So läßt man den Käse in den Kellern ganz verschimmeln.
Die Arbeitslosen jedoch können sich nicht einmal verschimmelten Käse kaufen und müssen mit ihren Familien trockenes Brot essen. Die Kinder werden immer elender. Die Wangen der Eltern sind ganz eingefallen. Das Zimmer ist eisig kalt, denn es fehlt auch die Kohle zum Heizen. Die Schuhe haben Löcher und können nicht repariert werden.
Kein Wunder, daß eines der Kinder sich schwer erkältet. Kein Wunder, daß in dem eiskalten Zimmer die Erkältung zur Lungenentzündung wird. Kein Wunder, daß kein Geld für eine Medizin vorhanden ist. Kein Wunder, daß eines Tages das Kind aufgehört hat zu atmen.
Ist es jetzt jedem klar, was eine solche Krise bedeutet?
Ist es jetzt verständlich, warum wir die Mörder der Menschen, die lieber das Brot um der hohen Profite willen verkommen lassen, als es für einen niedrigen Preis den Hungernden abzugeben, hassen müssen, mit aller Kraft hassen müssen als die größten Feinde der Menschheit? Wenn man an all das denkt, was wir über die Imperialisten und Monopolkapitalisten gesagt haben, kann es nur die eine Lösung geben, daß wir sie für immer vertreiben müssen, daß wir sie vernichten müssen wie Pestbazillen, wenn wir glücklich leben wollen!
Diese Mörder und Verbrecher, die Monopolkapitalisten, sind seit 1900 die mächtigsten Kapitalisten in allen kapitalistischen Ländern; sie bestimmen in allen kapitalistischen Ländern, was gemacht werden soll, zum Beispiel, daß alle Kräfte für die Vorbereitung eines Krieges eingespannt werden sollen, daß Kanonen anstatt Butter hergestellt werden, daß die Steuern auf die Löhne der Arbeiter erhöht werden usw. Sie legen fest, was die Lehrer in den Schulen lehren sollen, was die Pfarrer in den Kirchen zu predigen haben, was die Zeitungen drucken müssen, was über den Rundfunk zu bringen ist, wer an den Universitäten die Studenten erziehen soll, worüber die Schriftsteller zu schreiben, was die Maler zu malen haben usw. Und wer von den Lehrern und Pfarrern, von den Rundfunkleuten, Universitätsprofessoren, Schriftstellern, Malern und Zeitungsschreibern nicht so redet, schreibt und malt, wie die Monopolisten es wollen, der wird entlassen oder gar ins Gefängnis, Zuchthaus oder Konzentrationslager geworfen. Ja, sie bestechen sogar hohe Funktionäre der Arbeiterparteien und Gewerkschaften, zahlen ihnen Geld und setzen sie auf alle möglichen Posten, damit sie für die Monopolkapitalisten innerhalb der Arbeiterklasse Propaganda machen und so die Arbeiterklasse an das Monopolkapital verraten. Natürlich sagen die Monopolisten den Lehrern und Pfarrern, den Arbeiterverrätern und Zeitungsschreibern nicht genau jedes Wort vor; sie sagen nur: Ihr müßt schreiben, daß die Monopolisten prächtige Menschen sind, die das Beste wollen und tun, daß Kriege etwas Unabänderliches oder sogar etwas Gutes sind, daß Krisen die Schuld der Arbeiter sind, die vorher nicht genug gearbeitet haben und die zu hohe Löhne haben wollen, daß fleißige Arbeiter nicht in Not und Elend zu leben brauchen, daß es ihnen in der kapitalistischen Gesellschaft immer besser gehen kann und viele andere solcher Lügen.
Alles das, was hier über die Imperialisten und Monopolkapitalisten geschrieben ist, haben uns die größten Schüler von Marx und Engels, die größten Männer unseres Jahrhunderts, Lenin und Stalin, erklärt. In ihren Schriften finden wir eine genaue Darstellung der modernen kapitalistischen Gesellschaft, all der Verbrechen, die sie an den werktätigen Menschen begeht und warum sie diese begehen muß, warum es in der Zeit des modernen Kapitalismus einfach so zugehen muß.
Aber noch mehr: Genau wie Marx und Engels im 19. Jahrhundert, so lehrten uns Lenin und Stalin im 20. Jahrhundert, wie man gegen den Kapitalismus kämpfen muß, was man tun muß, um die Herrschaft der Kapitalisten, der Monopolkapitalisten, zu stürzen und an ihre Stelle eine neue, bessere Gesellschaft ohne Ausbeuter, die sozialistische Gesellschaft, zu setzen, in der alle Menschen in Frieden und Wohlstand leben können.
Und noch mehr: Lenin, der Genius der Revolution, führte die Arbeiter Rußlands zum Sieg über die Monopolkapitalisten in Rußland. Die russischen Arbeiter gaben den Arbeitern aller Länder ein leuchtendes Beispiel, wie sie es machen müssen, um zu einem schöneren Leben zu kommen.
Seit 1917 sehen die besten Menschen, die besten Arbeiter und Bauern, Handwerker und Lehrer, Dichter und Schriftsteller, Maler und Musiker, alle Menschen, die eine schönere Welt schaffen wollen, auf die Völker der Sowjetunion als auf einen Leitstern in eine bessere Zukunft. Deshalb hassen die Monopolkapitalisten auch die Sowjetunion so sehr. Alle fortschrittlichen Menschen dagegen lieben die Sowjetunion innig!
Nach dem zweiten Weltkrieg folgten die Menschen in China und Nordkorea, in Polen und der Tschechoslowakei, in Ungarn und Rumänien, in Bulgarien und Albanien dem Beispiel der Sowjetunion. Im Osten unseres Vaterlandes wurde die Deutsche Demokratische Republik geschaffen. In den Ländern Indochinas und Malayas sind ebenfalls bereits große Teile des Landes von der Herrschaft der Imperialisten befreit.
Die Welt der Monopolkapitalisten wird immer kleiner und enger. Von allen Seiten drängen die ausgebeuteten Menschen gegen sie vor. In Frankreich und Italien wird die Kommunistische Arbeiterpartei, die Führerin der ausgebeuteten und gequälten Menschen dieser Länder, immer größer und stärker.
In Indien sagen viele Millionen Menschen: Wir wollen es so machen wie unsere Schwestern und Brüder in China. Überall in der kapitalistischen Welt eilen die Menschen kämpfend dem Ausweg zu, aus dem dunklen Tal des Monopolkapitalismus auf die lichten Höhen des Sozialismus, die die Völker der Sowjetunion als erste erreicht haben.
Bald wird die kapitalistische Gesellschaft aufgehört haben zu existieren, weil wir die Monopolkapitalisten vertrieben haben.
Bald werden alle Menschen in der sozialistischen Gesellschaft glücklich leben.