Dieser Beitrag soll die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen.
Im Juli 1959 erleben wir die Digedags, wie ihnen zufällig Der Blitz als Entdecker eines neuen Super-Metalls, des Digedaniums, zu Hife kommt. Nachfolgender Beitrag soll beleuchten, welche Rolle der Zufall bei wissenschaftlichen und technischen Entdeckungen zu spielen vermag.
Zitat: Kerstin Schmidt-Denter, gefunden im Archiv von www.g-o.de , Stand: 30.05.2000. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de

Zufälle in der Wissenschaft

Gott würfelt nicht (?)


Zufälle in der Wissenschaft

© H.Jend, Sculls Unlimited, Phillips Petroleum Company

Was haben Plastikbecher, Penicillin, Mikrowellenherde, Radioaktivität, ein Medikament gegen Lepra, die Supraleitung, Bier, Amerika und Röntgenstrahlen gemeinsam? Sie alle wurden durch Zufall entdeckt.


Und das sind nur einige Beispiele. Vieles, was wir heute aus der Wissenschaft oder dem Alltag kennen, gäbe es ohne den Zufall möglicherweise nicht. Aber wie groß ist die Rolle des Zufalls tatsächlich und welche Rolle spielt dann noch der Entdecker selber?

"Gott würfelt nicht," davon war Albert Einstein überzeugt. Und auch Gotthold Ephraim Lessing wetterte: "Das Wort Zufall ist Gotteslästerung. Nichts unter der Sonne ist Zufall." Möglich. Vielleicht würfelt Gott tatsächlich nicht. Dennoch scheint der Zufall bei vielen Entdeckungen eine tragende Rolle zu spielen.

Einen Nobelpreis für jeden

Braucht man als Wissenschaftler nur ein wenig Glück?


Durch einen Apfel kam Newton auf die Idee mit der Schwerkraft

© IMSI Masterclips

Klar, Amerika wurde von Kolumbus durch Zufall entdeckt. Archimedes bekam seine entscheidende Idee beim Baden und Newton ist doch angeblich dieser Apfel auf den Kopf gefallen, der ihn erst auf die Idee mit der Schwerkraft brachte. Aber mal abgesehen davon, dass die Apfel-Geschichte etwas an den Haaren herbeigezogen klingt, sind das doch eher Ausnahmen von der Regel, oder?
Tatsächlich aber wurden zahlreiche wissenschaftliche Entdeckungen durch Zufall gemacht. Entweder, weil irgend etwas schiefgegangen war, weil irgend jemand ganz einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort war oder sozusagen aus Versehen, wenn eigentlich etwas ganz anderes erforscht oder bewiesen werden sollte.
Der Zufall hat eine lange Tradition. Schon die alten Ägypter sollen zufällig das Bier erfunden haben, als einige Brotreste in einen Krug mit Wasser fielen und dort vergärten. Aber die Geschichte des Zufalls zieht sich bis heute noch auch durch moderne Labors, in denen hochkarätige Wissenschaftler eigentlich nichts dem Zufall überlassen sollten. Oft genug jedoch wurden gerade so grundlegende Entdeckungen wie die der Röntgenstrahlen oder des Penicillins nicht planmäßig, sondern eben eher zufällig gemacht.
Kann also Jeder einen Nobelpreis bekommen, wenn er einfach nur Glück hat? Und wozu brauchen wir dann die ganzen Wissenschaftler? Oder ist nicht so sehr der Zufall selber entscheidend, sondern eher die Person, der er begegnet? Die folgenden Beispiele über unplanmäßige Entdeckungen und Erfindungen mögen helfen, dieser Frage auf den Grund zu kommen...
Der gläserne Mensch

Die Entdeckung der Röntgenstrahlen


Röntgenaufnahme

© Hans-Holger Jend

In der Nacht zum achten November 1895 ist es kalt und dunkel in Würzburg. Viele Menschen schlafen schon, aber in einem Fenster brennt noch Licht. Der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen arbeitet in seinem Labor. Noch ahnt er nicht, dass er durch Zufall gleich eine Entdeckung macht, die ihm sechs Jahre später, am zehnten Dezember 1901, den erstmals verliehenen Nobelpreis einbringen wird.
Wie viele seiner Kollegen experimentiert er mit den damals neu entdeckten Kathodenstrahlen. Dazu hat er eine der sogenannten Gasentladungsröhren (oder Hittorf-Crookessche Röhre) besorgt, in der eine hohe Spannung angelegt wird. Durch die starke Beschleunigung der Elektronen zwischen Anode und Kathode kann man einen schmalen, glühenden Streifen in der Röhre erkennen.
Doch Röntgen bemerkt noch einen weiteren Effekt: Im abgedunkelten Raum entdeckt er auf einem Leuchtschirm Lichtschimmer. Und auch einige Kristalle, die Reste der Bariumplatincyanid-Beschichtung des Schirmes, die noch auf dem Tisch liegen, beginnen zu leuchten. Das Licht der Kathodenstrahlen ist viel zu schwach, sie können nicht für diesen Effekt verantwortlich sein. Röntgen umhüllt die Röhre nun mit schwarzem Papier, der Schirm aber leuchtete weiter. Sogar aus einer Entfernung von zwei Metern erreichen ihn noch die geheimnisvollen und bis dahin unbekannten Strahlen aus der Röhre.
Da das schwarze Papier die Strahlen nicht aufhalten konnte, versuchte Röntgen, sie durch andere Gegenstände dringen zu lassen. Er durchleuchtete eine Holztür, ein Whistspiel, Hartgummi, Silber, Gold und Blei. Als begeisterter Hobbyfotograf kam der Physiker auf die Idee, auch Fotopapier mit den Strahlen zu schwärzen. So entstanden die ersten Röntgenbilder, etwa das Bild der durchleuchteten Hand seiner Frau. Neben der Erkenntnis, daß die X-Strahlen, wie Röntgen seine Entdeckung nannte, weniger dichtes Material besser durchdringen als Knochen oder Metall, erkannte Röntgen auch bereits, dass Blei die Strahlen abschirmt und somit als Strahlenschutz geeignet ist. Seine Versuche waren so umfangreich, dass es über zehn Jahre dauerte, bis andere Physiker zu weiterführenden Kenntnissen über die X-Strahlen kamen.
Obwohl Röntgen seine neue Entdeckung zunächst nicht an die große Glocke hängte und erst Ende Dezember seine Versuche der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft mitteilte, erregten die X-Strahlen, die später nach ihrem Entdecker benannt wurden, doch bald schon große Aufmerksamkeit. Das Bild der Hand von Frau Röntgen mit den sichtbar gemachten Knochen verursachte vor allem in der Medizin viel Interesse. Ärzte waren von dem Gedanken begeistert, ihrem alten Traum - dem gläsernen Menschen - näher gekommen zu sein.
Nur vier Monate nach ihrer Entdeckung konnten in New York Besucher einer Ausstellung ihre Hände mit den Strahlen durchleuchten und erstmals ihre eigenen Knochen sehen. In Schuhgeschäften wurde es Mode, Röntgenapparate aufzustellen, mit denen die Kunden den Sitz neuer Schuhe überprüfen konnten und selbst auf Parties und Gesellschaften vergnügten sich die Gäste teils mit dem Durchleuchten ihrer eigenen Hände und Füße. Die schädliche Wirkung der Strahlung wurde erst später bekannt.
Bedeckter Himmel schuld an Hiroshima?

Schlechtwetterphase mit weitreichenden Folgen


Radioaktivität

© MMCD GmbH

Hätte im Jahre 1896 in Paris die Sonne geschienen, gäbe es heute vielleicht weder Kernkraftwerke noch Atombomben. Denn ein bedeckter Himmel hat zufällig dazu geführt, dass das Phänomen der Radioaktivität entdeckt wurde.
Nachdem Wilhelm Conrad Röntgen bereits zuvor im Jahre 1895 die Röntgenstrahlung entdeckt hatte, experimentierten auch andere Forscher mit diesen geheimnisvollen Strahlen, deren Ursachen noch niemand so recht kannte. Auch Henri Bequerel, ein französischer Physiker, dessen Spezialgebiete Magnetismus und Fluoreszenz waren, beschäftigte sich mit den X-Strahlen. Er hatte die Vermutung, dass Sonnenlicht in der Lage sei, fluoreszierendes Material zur Abgabe von Röntgenstrahlen anzuregen. Als er diese Theorie mit Uran beweisen wollte, schien seine Ansicht bestätigt zu sein. Er umwickelte eine Photoplatte mit schwarzem Papier und Alu-Folie, legte die Uran-Kristalle (Uranylkaliumsulfat) darauf und ließ die Sonne darauf einwirken. Der Film wurde belichtet. Uransalz schien durch Sonneneinstrahlung Röntgenstrahlen abzugeben.
Einige Tage später wollte er das Experiment wiederholen, erneut umwickelte er die Photoplatte und beschwerte sie mit Uran. Zufällig aber war es in Paris drei Tage lang bedeckt, die Sonne schien nicht und der Versuch war nicht durchführbar. Bequerel bewahrte die Photoplatte während dieser Zeit in seiner Schublade auf und hoffte auf besseres Wetter. Als er die Photoplatte schließlich aus der dunklen Schublade holte, fand er darauf überraschend die dunklen Abdrücke der Uran-Kristalle. Das Uran hatte die Photoplatte ohne Anregung des Sonnenlichtes geschwärzt.
Diese bis dahin gänzlich unbekannte Strahlung ging ohne weitere Anregung aus dem Uran hervor, schwärzte Photoplatten und war in der Lage, durch die Abschirmung aus schwarzem Papier zu dringen. Henri Bequerel nannte sie "Uran-Strahlung". Weitere Versuche zeigten, dass nur uranhaltiges Material die Photoplatte belichtete und daß die Strahlung durch Metallgegenstände wie etwa eine Münze abgeschirmt wird. An dieser Stelle blieb das Photopapier weiß.
Durch diesen Zufall - drei Tage ohne Sonne zur richtigen Zeit - hatte Henri Bequerel somit die Radioaktivität entdeckt, den spontanen Zerfall des Urans unter Aussendung von Strahlen. Ab 1897 wurde er bei der weiteren Erforschung dieser Strahlen von seiner Doktorandin Marie Curie unterstützt. Sie entdeckten noch weitere strahlende Elemente wie Thorium, Polonium und Radium. 1903 erhielten sie gemeinsam mit Maries Ehemann Pierre Curie den Nobelpreis für Physik. Heute findet man den Namen Bequerel in der Physik noch als Einheit, die die Aktivität mit der Zahl der Zerfälle pro Zeiteinheit umschreibt.
Kälter als Eis

Supraleitung - die Elektronen haben Vorfahrt


Supraleitung

© Wolfgang Eckstein

Fasziniert sah der niederländische Physiker Heike Kamerlingh-Onnes zu, wie das flüssige Helium seltsame Formen annahm. Unerwartet bewegte es sich an den Wänden des Behälters nach oben und sammelte sich in Tropfen unten an der Außenseite des Gefäßes. Er ahnte noch nicht, dass ihn das Erforschen des Verhaltens von Stoffen bei extrem niedrigen Temperaturen auf ganz andere Wege führen sollte.
Als der niederländische Wissenschaftler wenig später im Jahr 1910 mit Quecksilber experimentierte, dass er mit flüssigem Helium auf minus 269 Grad herunter gekühlt hatte, machte er durch Zufall eine Entdeckung. Bei diesen tiefen Temperaturen verschwand der elektrische Widerstand des Metalls. Der Strom konnte nun völlig ohne Verluste fließen - das Phänomen der Supraleitung war entdeckt.
Stromfluß völlig ohne Widerstand? Wie ist das möglich? Stromfluß durch Metalle entsteht durch frei bewegliche Elektronen, die innerhalb des Metalles wandern. Normalerweise werden diese Elektronen durch die Bewegung der Atome behindert. Je höher die Temperatur ist, desto mehr bewegt sich das Atomgitter des Metalles und desto häufiger verlieren die Elektronen bei einem Zusammenstoß einen Teil ihrer Energie. Bei extrem niedrigen Temperaturen dagegen schwingen die Metall-Atome nur noch ganz leicht auf ihren Plätzen, die Elektronen werden in ihrer Bewegung kaum mehr behindert. Ein weiteres Phänomen besteht darin, dass sich die Atome zu Paaren, sogenannten Cooper-Paaren, zusammenschließen. Bewegen sie sich gemeinsam durch das Gitter, entsteht eine Art Tunnel, durch den die Elektronen sich reibungsfrei bewegen. Der elektrische Widerstand ist gleich Null.
Zahlreiche Metalle zeigen diese supraleitenden Eigenschaften, die von großem Vorteil für die technische Anwendung wäre. Ohne Widerstand entstehen keine Verluste durch Reibungswärme, das heißt, ein einmal induzierter Strom bleibt sehr lange Zeit ohne weitere Energiezufuhr bestehen. Allerdings gibt es ein Problem: Die extreme Kühlung. Um Materialien auf solche niedrigen Temperaturen herunterzukühlen, werden große Menge an flüssigem Helium benötigt. Und das ist teuer, circa zehn Mark kostet ein Liter. Kein Wunder, dass Wissenschaftler sich lange mit dem Problem beschäftigten, die niedrige Sprungtemperatur, ab der das Metall supraleitend wird, höher zu setzen.
Eine Sensation war es daher, als die Wissenschaftler Bednorz und Müller in den 80er Jahren, übrigens auch nicht völlig ohne Glück oder Zufall, keramische Stoffe fanden, die schon bei einer Kühlung auf "nur" minus 196 Grad Supraleitung zeigten. Für solche Temperaturen braucht man nicht mehr unbedingt flüssiges Helium, da reicht auch der viel billigere Stickstoff. Mit der Zeit fanden Forscher Materialien mit noch höheren Sprungtemperaturen, die technische Anwendung war schlagartig viel billiger und einfacher geworden.
Heute benutzt man beispielsweise supraleitende Magnete bei der Untersuchung hochenergetischer Teilchen in der Elementarteilchenphysik, in der organischen Chemie bei Strukturuntersuchungen mit Hilfe der Kernresonanz und in der Medizin bei den Kernspintomographen. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte werden die Anwendungsgebiete vermutlich weiter wachsen. So sind supraleitende Motoren und Generatoren in Planung und auch in Großrechnern plant man den Einsatz von Supraleitung.
Was auch immer die Supraleitung der Menschheit noch bescheren wird, ihrem Entdecker Kamerlingh-Onnes sowie den Weiterentwicklern Bednorz und Müller brachte sie immerhin den Nobelpreis ein.
Schimmelpilze retten Leben

Entdeckung des Penicillins durch einen mißglückten Versuch


Penicillin in der Petrischale

© University of Edinburgh




Grampositive Bakterien

© CDC

Alleine und vergessen stehen einige Petrischalen in einem verlassenen Labor. In ihnen wachsen Staphylokokken-Kulturen und eigentlich müßten sie im Kühlschrank aufbewahrt werden. Aber Alexander Fleming, der Mikrobiologe, der einen Versuch mit den Kulturen durchführt, hat sie versehentlich stehengelassen - und ist in den Urlaub gefahren. Unbemerkt können einige Pilzsporen in die Schalen eindringen und beginnen dort zu wachsen.
Als Fleming aus dem Urlaub zurückkommt, ist er entsetzt. Seine Kulturen sind teilweise abgestorben, der Versuch hinüber. Statt dessen hat sich ein Pilz, eine Art grünlicher Schimmel, in den Petrischalen ausgebreitet. Es handelt sich um den Schimmelpilz Penicillinum notatum, Penicillinum genannt wegen seiner Pinselform. Fleming entsorgt die Kulturen nicht direkt, sondern sieht sie sich genauer an. Um die Schimmelkolonien herum befindet sich eine klare Zone, eine "Todeszone", in der keine Bakterien wachsen. Der Pilz produziert eine bakterizide Substanz.
Diese zufällige Entdeckung war eine Sensation zu jener Zeit, im Jahre 1929. Der Erste Weltkrieg war vorüber und hatte unzählige Todesopfer gefordert. Viele waren gestorben, weil sich ihre Wunden infiziert hatten, es gab kein wirksames Mittel. Aber auch nach dem Krieg breiteten sich Krankheiten wie Diphterie, Tuberkulose und Typhus unter der Bevölkerung aus.
Um so erstaunlicher ist es, dass das enorme Potential des Penicillins kaum genutzt wurde. Zunächst dauerte es eine Weile, bis Fleming den Pilz eindeutig identifiziert und isoliert hatte. Dann machte er einige Versuche mit verschiedenen Bakterienstämmen und fand heraus, dass Staphylokokken, Streptokokken, die Erreger von Milzbrand, Diphterie, Pfeifferschem Drüsenfieber und Starrkrampf von dem Penicillin-Extrakt vernichtet wurden. Bei diesen Bakterien handelt es sich um sogenannte grampositive Bakterien. Grampositive Bakterien besitzen eine äußere Zellwand, die aus einem Peptidoglycan aufgebaut ist, das aus vielen, miteinander verketteten Zuckermolekülen besteht. Penicillin verhindert diese Verknüpfung der Zucker und somit den Aufbau einer Zellwand.
So viel wußte Fleming damals natürlich noch nicht über die Wirkung des entdeckten Stoffes. Er stellte aber fest, dass Penicillin keine weißen Blutkörperchen angreift und daher für die Behandlung von Infektionskrankheiten geeignet ist. Fleming veröffentlichte seine Ergebnisse in einem Londoner Fachblatt, aber kaum jemand nahm Notiz von seinem Artikel. So wurde Penicillin zunächst nur oberflächlich zur Desinfektion von Wunden eingesetzt.
Ein paar Jahre später dann stand Gerhard Domagk im Rampenlicht. Er stellte ein wirksames Medikament aus Sulfonamiden gegen Infektionskrankheiten vor - das Prontosil. Im Gegensatz zu Penicillin wurde dieser Stoff schon in verschiedenen Labors gründlich auf seine Wirksamkeit getestet worden, aber Fleming war überzeugt, dass sein Penicillin mehr leisten kann.
Letztendlich sorgte der näher rückende Zweite Weltkrieg dafür, dass mehr Energien in die weitere Erforschung von Flemings Entdeckung gesteckt werden. Im Krieg wird ein Medikament gegen Infektionen besonders benötigt, zudem fürchtete England, von den in Deutschland produzierten Sulfonamiden abgeschnitten zu werden. Der Pathologe Walther Florey leitete nun die Arbeitsgruppe um das Penicillin. Es gelingt, den Stoff in größeren Mengen zu isolieren. 25 Mäuse überlebten glücklich eine Streptokokkeninfektion dank einer Impfung mit Penicillin, es ging voran. Allerdings wuchsen die Kulturen zu langsam, um Penicillin in industriellem Maßstab zu produzieren.
1941 konnte eine deutsche Invasion in England nicht mehr ausgeschlossen werden, die Penicillin-Forschung wurde in die USA verlegt und von der Rockefeller-Stiftung finanziert. Hier begann nun die Suche nach einem Stamm, der schneller wächst, als die zufälligen Besucher in Flemings Petrischale. Überall auf der Welt sammelte die amerikanische Luftwaffe Bodenproben, Erde von zahlreichen Flughäfen wurde auf diese Weise nach geeigneten Penicillium-Stämmen untersucht. Doch wieder hatte der Zufall seine Hand im Spiel: Der ergiebigste Stamm wurde schließlich direkt vor dem Forschungsinstitut auf einer verschimmelten Melone entdeckt.
Die industrielle Großproduktion konnte ab 1944 beginnen, noch rechtzeitig, um im Krieg reichlich Anwendung zu finden.
Zur Anwendung kommt Pencillin auch heute noch - leider viel zu häufig. Zahlreiche Krankheitserreger sind bereits resistent gegen viele Antibiotika. Wissenschaftler befürchten, dass multiresistente Bakterien eines Tages von keinem der bekannten Antibiotika beeinträchtigt werden. Sie könnten sich dann ungehemmt ausbreiten. Fleming warnte schon 1947 vor dem Phänomen der Resistenzbildung, wurde aber weitgehend ignoriert - bis heute noch. Während Ärzte in den Niederlanden zum Beispiel bei einer Mittelohrentzündung erst einige Tage abwarten, ob die Entzündung spontan ausheilt, werden in den USA in der Regel sofort Antibiotika verschrieben. Das hat zur Folge, dass in Holland nahezu keine resistenten Keime entstehen, in den USA dagegen mehr als 350.000 Mittelohrentzündungen auf resistente Bakterien zurückgehen.
Der geplante Zufall

Ein norwegischer Pilz hilft bei Organtransplantationen

Alexander Fleming war das Glück sozusagen in die Petrischale gefallen. Diese Geschichte über die zufällige Entdeckung des Penicillins sprach sich natürlich rum. Noch immer bestand Bedarf nach neuen Antibiotika und daher gab es bald Firmen, die dem Zufall ein wenig auf die Sprünge helfen wollten. Im Schweizer Konzern Sandoz wartete man nicht, bis sich ein Pilz in eine Bakterienkultur verirrte, sondern musterte gezielt verschiedene Bodenproben auf potentielle Antibiotika durch. Eine einfache Bodenprobe aus Norwegen sollte bald eine der größten medizinischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts revolutionieren: Die Organtransplantation.
Zunächst wurde die Probe routinemäßig getestet. Die im Boden enthaltenen Schimmelpilze wurden auf einem Nährboden gezüchtet und dann auf eine bakterientötende Wirkung untersucht. In jener norwegischen Bodenprobe aus der Hardanger-Region wurden die Wissenschaftler jedoch zunächst nicht fündig. Keiner der enthaltenen Pilzstämme war zur Entwicklung eines Antibiotikums geeignet. Glücklicherweise war noch ein weiteres Programm vorgesehen, bei dem einige Substanzen auf pharmakologische Wirkungen hin untersucht wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die Substanz die Immunabwehr des Körpers beeinflusst.
Bis zu der Entdeckung dieses Pilzes waren Organtransplantationen eher ein riskantes Glücksspiel, denn eine erfolgversprechende Lösung. Zu häufig wurden die transplantierten Organe vom Immunsystem des Körpers als fremd erkannt und angegriffen. Um ein Abstoßen der Organe zu verhindern, wurde daher das ganze Immunsystem lahmgelegt. Die fremden Antigene konnten so nicht mehr erkannt werden, allerdings waren die Patienten dadurch sehr anfällig für Infektionen.
Die Besonderheit des 1970 entdeckten Cyclosporins besteht darin, dass diese Substanz selektiv Lymphozytenkulturen hemmt. Somit werden nur Teile der Immunabwehr unterbunden, das Infektionsrisiko ist geringer und die Organe werden nicht als fremd erkannt. Schnell erkannte man das Potential des neuen Wirkstoffes, bereits 1982 wurde Cyclosporin mit Erfolg weltweit bei Transplantationen eingesetzt. Die Überlebensraten von Patienten nach Leber-, Herz- und Pankreastransplantationen verbesserten sich schlagartig, 1989 wurde die 100.000 Niere transplantiert.
Die Rechnung von Sandoz war aufgegangen, der geplante Zufall bescherte dem Konzern Millionengewinne.
Chaos, Fraktale und das Wetter

Ein Schmetterling kann die Welt verändern


Nach der Chaostheorie kann der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Hurrikan auslösen

© Albert P. Bekker

Da staunte Edward Lorenz nicht schlecht, als er aus einer kurzen Kaffeepause zurück an seinen Computer kam: Der Computer druckte und druckte Daten, die gar nicht stimmen konnten. Dies war der Beginn einer völlig neuen Disziplin der Wissenschaft - der Chaosforschung. Da der Zufall in der Chaostheorie eine entscheidende Rolle spielt, scheint es angebracht, dass auch das Phänomen des chaotischen Systems durch einen Zufall entdeckt wurde.
Aber was war nun eigentlich los mit dem Computer? Als Meteorologe interessierte Lorenz sich für die Entwicklung des Wetters. Daher experimentierte er mit einem Computerprogramm, das das Wetter simulieren sollte. Er hatte dem Computer verschiedenen Daten wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit eingegeben, so dass dieser jetzt mithilfe von Gleichungen das Wetter vorausberechnen sollte. Dazu nutzte der Computer den jeweils errechneten Wert, setzte ihn erneut in die Gleichung ein und rechnete mit dem Ergebnis weiter. Allerdings waren die Computer im Jahre 1960 noch nicht besonders leistungsstark. Als die Daten immer mehr Stellen hinter dem Komma anzeigten, war der Rechner überlastet.
Lorenz stoppte das Programm und rundete die Daten in der dritten Stelle hinter dem Komma ab, dann ließ er das Programm erneut am Anfang der Berechnung starten. Während der Computer wieder loslegte, ging Lorenz in die besagte Kaffeepause. Wieder zurück bemerkte er, dass der Computer zwar die selben Rechnungen durchgeführt hatte, diesmal aber völlig andere Ergebnisse erhalten. Dabei waren die Ausgangsdaten identisch - bis auf die winzige Ungenauigkeit der Abrundung, die die Zahl um weniger als ein Tausendstel beeinflusste.
So bemerkte Edward Lorenz als einer der Ersten, dass kleine Änderungen der Ausgangsdaten bei einem komplexen Programm völlig unterschiedliche Endergebnisse verursachen können. Das Wetter kann demnach nicht über einen längeren Zeitraum vorhergesagt werden.
Dieses Phänomen war etwas Neues. Bis dahin hatte man angenommen, dass auch in der Natur in der Regel deterministische Systeme vorherrschen. Bei diesen linearen Systemen lässt sich jeder Zustand genau berechnen, wenn alle Parameter zu einem bestimmten Zeitpunkt bekannt sind. Würde das Wetter also einem solchen System folgen, wäre es ein Leichtes gewesen, durch Kenntnis der aktuellen Daten die Wetterentwicklung genau voraus zu berechnen. Bei zufälligen System ist dies nicht der Fall, vor dem Wurf eines Würfels kann niemand mit Gewißheit voraussagen, welche Seite oben liegen wird.
Im deterministischen Chaos ist das System zwar vollständig durch Gleichungen beschrieben, diese sind aber nicht linear und damit ist die Entwicklung nicht völlig vorhersehbar. Nahezu alle Vorgänge in der Natur zählen zu diesen Systemen. Anschaulich beschrieben wurde diese "sensitive Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen" mit dem sogenannten Schmetterlingseffekt. Demnach kann ein Schmetterlingsschlag in China einen Hurrikan in der Karibik auslösen.
Ein Spiegelbild mit tragischen Folgen

Contergan und seine (Neben-)wirkung

Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre wurden Tausende von Kindern auf der ganzen Welt mit Fehlbildungen der Organe und verkürzten Gliedmaßen geboren. Allein in Deutschland starben über 1.000 dieser Kinder an den angeborenen Missbildungen. Eltern waren verzweifelt, die Ärzte ratlos. Im November 1961 kam der Verdacht auf, das Schlafmittel "Contergan" sei verantwortlich für die Fehlbildungen. Ein Medikament, das sämtliche Vortests mit Zellkulturen und Tierversuchen bestanden hatte, ohne eine Nebenwirkung zu zeigen. Was war schiefgelaufen?
Der fatale Irrtum hatte entstehen können, weil das Thalidomid, aus dem Contergan besteht, in zwei verschiedenen Formen auftritt. Wie bei Milchsäure gibt es eine rechts- und eine linksdrehende Komponente, es handelt sich um eine chirale Substanz. Die beiden Moleküle sind gleich aufgebaut, verhalten sich aber zueinander wie Bild und Spiegelbild. Solche Enantiomere haben zwar identische chemische und physikalische Eigenschaften, unterscheiden sich aber in ihrer biologischen Wirkung.
Bei vielen pharmazeutisch wirksamen Substanzen handelt es sich um solche chiralen Moleküle. Oft ist nur eines der beiden Enantiomere wirksam. Die andere Form beeinflusst im günstigeren Fall den Organismus gar nicht, im ungünstigeren Fall hat sie eine negative Wirkung. Beim Thalidomid trifft Letzteres zu: Die rechtsdrehende Form wirkt als gut verträgliches Schlafmittel, das kaum Nebenwirkungen aufweist, die linksdrehende Form dagegen wirkt fruchtschädigend und führt bei Einnahme während der Schwangerschaft zu den bekannten Fehlbildungen.
Die Entwickler des Contergans testeten jedoch nur die ungefährliche Komponente des Medikaments, bei der Synthese des Mittels bildete sich jedoch ein Racemat, ein Gemisch aus beiden Enantiomeren im Verhältnis 50:50. Das Wissen um chirale Moleküle war damals noch nicht so ausgebildet wie heute, trotzdem wollen viele nicht an einen tragischen Zufall glauben, den keiner hätte vorhersagen können. Der Leitung des Konzerns Grünenthal, der das Schlafmittel herstellte, wurde vorgeworfen, zu wenige Tests durchgeführt zu haben. Als Derivat des Schlafmittels Doriden gehört auch Thalidomid zur chemischen Gruppe der Barbiturate. Bei diesen Präparaten spielt Chiralität in der Regel eine bedeutende Rolle, oft müssen die Enantiomere voneinander getrennt werden, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Die wissenschaftlichen Leiter von Grünenthal hätten also vorgewarnt sein sollen.
Dennoch wurde der Prozess 1970 eingestellt, die Firma Grünenthal zahlte freiwillig 114 Millionen Mark an die Opfer. Seitdem ist das Bewusstsein um die Gefährlichkeit von Medikamenten besonders während der Schwangerschaft stark gestiegen. In Deutschland wurde das Arzneimittelrecht wegen des Contergan-Falles verschärft.
Inzwischen wird die unschädliche Form des Contergans nicht mehr als Schlafmittel benutzt. Kurioserweise wird dagegen noch die andere, linksdrehende Form weiter produziert. Da es sich als Zellgift auf die Zellteilung auswirkt, ist das linksdrehende Enantiomer inzwischen zu einem Medikament gegen Lepraerkrankungen weiterentwickelt worden.
Vom Weltraumstaub zum Fußball

Die Entdeckung der Fullerene


Fullerene - fußballförmige Moleküle aus Kohlenstoff

© Shigeo Maruyama

Blickt man nachts zum Sternenhimmel, so sieht man nur einen Teil des von den Sternen ausgestrahlten Lichtes. Der Rest wird vom interstellaren Staub absorbiert. Aber woraus besteht eigentlich dieser Sternenstaub? Diese Frage beschäftigte auch die Arbeitsgruppe des Astrophysikers Wolfgang Krätschmer vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik. Gefunden haben sie dann aber etwas ganz anderes.
Die Heidelberger Wissenschaftler brachten zwei angespitzte Graphitstäbe in einer Kohlenstoff-Aufdampfanlage miteinander in Kontakt und schickten starken elektrischen Strom hindurch. Auf diese Weise entstand Kohlenstoffdampf, der zu Ruß auskondensierte. Das Spektrum von Ruß ist dem des interstellaren Staubes ähnlich, daher hofften die Forscher auf neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Staubes. Leider vergeblich. Stattdessen entdeckten sie merkwürdige Absorptionslinien im UV-Bereich des Spektrums, die nicht von Graphit stammen konnten. Da sie keine weitere Erklärung fanden, schoben sie den Effekt auf eine Verunreinigung. Ohne es zu wissen, hatten sie damit den Nobelpreis verspielt.
1985, knapp drei Jahre später, beschäftigten sich die amerikanischen Forscher Harold Kroto von der Universität Sussex, sowie Robert Curl und Richard Smalley von der Rice Universität in Texas ebenfalls mit dem Staub im Weltraum. Statt mit elektrischem Strom verdampften sie das Graphit mit Lasern und auch sie entdeckten seltsame Formen. Im Massenspektrum fanden sie erstaunlich viele Moleküle, die aus genau 60 Kohlenstoffatomen aufgebaut waren. Die Wissenschaftler waren sich bald einig, dass diese genaue Wiederholung von jeweils 60 Atomen nur auf eine runde, geschlossene käfigförmige Struktur zurückzuführen sei. Die Struktur müsste theoretisch aus Fünf- und Sechsecken bestehen, um eine Kugelform zu bilden, eine Art molekularer Fußball. In Anlehnung an die geodätischen Kuppelbauten des Architekten Buckminster Fuller nannte man dieses neue Molekül Buckminsterfulleren.
Da die Ausbeute an Fulleren mit dem Laser-Verfahren sehr gering war, konnten Curl, Rice und Smalley nicht genügend davon herstellen, um die vorhergesagte Struktur auch wirklich beweisen zu können. Dennoch veröffentlichten sie ihre Ergebnisse und Theorien hinsichtlich der Struktur 1985 in der Zeitschrift "Nature". Bis dahin waren Graphit und Diamant die beiden einzigen bekannten Existenzformen des Kohlenstoffs gewesen.
Diesen Artikel lasen auch Krätschmer und sein Kollege Donald Huffmann in Heidelberg. Zum ersten Mal begannen sie zu ahnen, dass die "Verschmutzung", die ihre Mess-Ergebnisse beeinträchtigt hatte, doch auf ein anderes Phänomen zurückzuführen war. 1988 analysierten die Heidelberger das Infrarot-Spektrum der Rußteilchen - die Werte entsprachen genau den theoretisch vorhergesagten Werten für das Fulleren-Molekül. Aber Krätschmer und Huffmann waren vorsichtig. Erst nachdem das Fulleren durch Sublimation (also dem Übergang vom gasförmigen in den festen Zustand) gewonnen werden konnte, veröffentlichten sie ihre Ergebnisse. Kurz darauf bestätigten die Texaner ihre Ergebnisse. Der Gruppe um Krätschmer war es tatsächlich schon vor Jahren unbeabsichtigt gelungen, große Mengen des Fullerens herzustellen. Diese einfache, durch Zufall entdeckte Methode, machte eine weitere Erforschung der Fußball-Moleküle möglich.
1996 erhielten Richard Smalley, Robert Curl und Sir Harold Kroto für ihre Entdeckung den Nobelpreis. Wolfgang Krätschmer und Donald Huffmann gingen leer aus.
Die Fullerene besitzen eine große Zahl von Anwendungsmöglichkeiten. Durch ihre späte Entdeckung werden zahlreiche der möglichen Einsatzbereiche bereits von anderen Materialien ausgefüllt. Trotzdem haben die runden Moleküle das Potential, in verschiedenen Gebieten von Nutzen zu sein. Unter anderem erhoffen sich Wisenschaftler von den Fullerenen eine wirksame Bekämpfungsmethode gegen Aids. Durch seinen hydrophoben Charakter wäre das 60-Kohlenstoff-Molekül theoretisch in der Lage, das HI-Virus durch starke van der Waals-Bindungen abzufangen und damit unschädlich zu machen.
Zudem gibt es Ansätze, die Fullerene als Halbleiter zu nutzen. Im Gegensatz zu anderen Molekülen können sich hier die Ladungsträger in alle drei Dimensionen bewegen. Außerdem vermuten Forscher, dass sich Supraleiter herstellen lassen könnten, die auch an der Luft stabil sind. Weitere Anwendungsmöglichkeiten der Moleküle liegen in der Photovoltaik, Diamantenzucht oder der Herstellung neuer, extrem stabiler Materialien.
Machte die Raumfahrt Hausfrauen glücklich?

Die wahre Geschichte der Entdeckung des Teflons


Die Teflonpfanne verdanken wir nicht der Weltraumforschung sondern dem Zufall

© Hemera Photo-Objects

Die Raumfahrt verschlingt zwar jede Menge Geld und wir haben noch immer keine Siedlungen auf dem Mond oder Mars, aber immerhin brennt in den Teflon-Pfannen, einem Abfallprodukt der Weltraumforschung, nichts mehr an. Nicht ganz. In den Pfannen brät zwar nur selten was fest, der Weltraumforschung aber haben wir das Teflon nicht zu verdanken.
Die Geschichte des Teflon beginnt viel früher und auch hier spielt der Zufall eine entscheidende Rolle. Als der amerikanische Chemiker Roy Plunkett im Jahre 1938 abends sein Labor verließ, vergaß er, eine Gasflasche in den Kühlschrank zu stellen. Zu der Zeit beschäftigte er sich mit der Suche nach einem neuen Kältemittel für Kühlschränke und experimentierte dazu mit verschiedenen Fluor-Verbindungen. Die Flasche mit dem Tetra-Fluor-Ethylen blieb somit über Nacht im Labor stehen.
Am nächsten Morgen schien kein Gas mehr in der Flasche zu sein. Plunkett wunderte sich, denn am Vorabend war die Gasflasche noch fast voll gewesen. Als Wissenschaftler war er neugierig genug, die Flasche aufzusägen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Im Innern des Gefäßes fand Plunkett ein weißes Pulver. Daraus folgerte er, dass sich die einzelnen Moleküle des Gases miteinander verbunden hatten und nun zu langen Ketten polymerisiert vorlagen. Poly-Tetrafluor-Ethylen war entstanden. Dieser neue Kunststoff hatte zwar einige chemisch interessante Eigenschaften, zum Beispiel reagierte er mit keinem bekannten Stoff, schien aber sonst zu nichts zu gebrauchen.
Erst 22 Jahre später kam eine finnische Firma auf die Idee, das Material als Beschichtung von Pfannen zu verwenden. Davor war der nun unter dem Namen Teflon verkaufte Kunststoff schon als Korrosionsschicht in Uranbehältern eingesetzt worden. Ein Jahr nachdem die Teflonpfanne die Küchen erobert hatte, wurde Teflon auch in der Raumfahrt genutzt - bei der Veredelung von Raumkapseln, als Kabelisolierung oder Schutzschicht auf den Raumanzügen. Auch die Sammeltüten für Mondgestein bestanden aus Teflon.
Von der Raumfahrt zurück in den Alltag gelangte der Kunststoff als Bob Gore entdeckte, dass man das Material zu einer dünnen Membran strecken kann. Eigentlich stellte er Dichtungen aus Teflon her, nun aber war er Erfinder des wasserabweisenden Gore-Tex. Auch die Deutsche Bahn hofft nun, mit der Hilfe von Teflon Graffiti-Sprayern beizukommen. Eine Schicht des Stoffes soll den Wagen eine abweisende Oberfläche verleihen und aufgesprühten Lack zerlaufen oder zumindest leicht abspülen lassen. Weitere Anwendung findet Teflon in der Medizin. Implantate aus Gore-Tex wie Herzklappen oder künstliche Gelenke nutzen den unangreifbaren Kunststoff.
Ein Glück also, dass Plunkett damals die Gasflasche im Labor stehenließ.
Kein Picknick ohne Polyethylen

Wie uns der Zufall die Margarine-Verpackung bescherte


Molekulare Struktur des Metall-Katalysators

© Phillips Petroleum Company



Verschiedene Katalysatoren zur Polyethylen-Herstellung

© Phillips Petroleum Company

Ein Picknick. Aus der Thermoskanne wird Kaffee in die Plastikbecher gegossen, das Brot aus der Frischhaltefolie gewickelt und mit dem Plastikmesser mit Margarine bestrichen. Ohne Polyethylen gäbe es jedoch weder Plastikbecher, noch Thermoskannen, Frischhaltefolie, Plastikmesser oder Margarine-Packungen. Der aufmerksame Leser ahnt bereits, dass auch bei der Herstellung von Polyethylen der Zufall eine Rolle gespielt hat.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es erstmals, synthetische Kunststoffe aus einfachen organischen Rohstoffen zu erzeugen. Schnell entwickelte sich eine beachtliche Kunststoff-Industrie. 1920 entdeckte der Chemiker H. Staudinger, dass die Kunststoffe aus Makromolekülen aufgebaut sind. Mit diesem Wissen war es möglich, viel gezielter und schneller neue Materialien zu bilden. 1933 wurde erstmals Polyethylen unter sehr hohem Druck hergestellt, schon 1939 war die Nachfrage so sehr gestiegen, dass die Jahresproduktion längst nicht mehr ausreichte, um den Bedarf zu decken.
Fieberhaft suchten Chemiker nach einer Möglichkeit, die Synthese des Polyethylens zu vereinfachen und die Herstellung zu beschleunigen. Einer der Forscher, der sich mit diesem Problem befasste, war Karl Ziegler vom Mülheimer Max-Planck-Institut für Kohlenforschung. Ähnlich wie bei der Entdeckung des Teflons war auch hier ein unerwünschtes Ereignis der Auslöser. Ziegler stellte nämlich eines Tages fest, dass die Ethylen-Moleküle bei seinen Versuchen keine langen Ketten bildeten, sondern lediglich Aggregate aus nur zwei Molekülen.
Daraufhin machte er sich auf die Suche nach den Ursachen. Schließlich stellte sich heraus, dass einer der Mitarbeiter die Druckgefäße, in denen die Reaktion stattfinden sollte, stets mit Salpetersäure reinigte. Die Edelstahlgefäße wurden zwar sehr sauber, allerdings lösten sich durch die Säure auch kleine Mengen an Nickel. Der Nickel brachte dann die Polymerisations-Reaktion verfrüht zum Stillstand. Auch wenn Ziegler genau das Gegenteil hatte erreichen wollen, machte er sich doch daran, weitere Metalle auf ihre Wirkung hin zu prüfen.
Diese Entscheidung brachte ihm dann auch 1963 den Nobelpreis und dem Rest der Menschheit Plastikspielzeug und jede Menge Plastikverpackung ein. Bei seinen weiteren Versuchen fand Ziegler nämlich andere Metalle, die die Reaktion nicht unterbrachen, sondern vorantrieben. Titan oder Chrom etwa führten dazu, dass die Polyethylen-Ketten sogar ganz ohne Druck entstanden. Somit konnten nicht nur durch den Verzicht auf extreme Druckverhältnisse technische Probleme vermieden werden, der entstehende Kunststoff war sogar noch belastbarer als das unter nach altem Prinzip hergestellte Polyethylen.
Durch diese Entdeckung wurde die großtechnische Produktion von Kunststoffen möglich. Eine Entwicklung, die bis heute andauert und uns auf unserem täglichen Leben begleitet.
Auf der Suche nach Gold

Porzellan rettete Johann Friedrich Böttger vor dem Galgen


Johann Friedrich Böttger wollte aus Blei Gold machen - heraus kam dabei Porzellan

© GTK Exploration

Wohlwollend blickte August der Starke, Kurfürst von Sachsen, auf das kostbare Porzellangeschirr, das extra aus China importiert worden war. Sanft strich er mit dem Finger über die zierliche Form des weissen Materials, das in keinem Schloss oder Fürstenhaus fehlen durfte. Das schöne Geschirr aus dem fernen Osten schien dem europäischen Adel damals (1701) standesgemäß, Porzellan ein begehrtes Prestigeobjekt. Allerdings waren die Chinesen die einzigen, die das Geheimnis der Porzellanherstellung beherrschten, so dass man es zu horrenden Preisen abkaufen und transportieren musste. Auch August der Starke hatte seine Staatskassen schon überstrapaziert. So kam ihm die Kunde, Johann Friedrich Böttger, einer seiner Untertanen, könne Gold aus Blei herstellen, gerade recht.
Die Idee, aus Blei und anderen unedlen Metallen Gold zu machen, scheint in unserer heutigen Zeit lächerlich und absurd. Damals aber beschäftigten sich zahlreiche Alchemisten mit der Suche nach dem sogenannten Stein der Weisen, der seinem Finder neben Reichtum auch zu Gesundheit und einem langen Leben verhelfen sollte. Bevor man nun überlegen lächelnd den Kopf schüttelt, sollte man berücksichtigen, dass das chemische Wissen damals noch lange nicht so weit fortgeschritten war wie heute. Aus gewissen Beobachtungen von natürlichen Vorgängen leitete man sich seine Kenntnisse ab. So entstand beispielsweise beim Austreiben des Schwefels aus Bleiglanz Blei. Zudem ließen sich aus den Erzen kleine Mengen an Gold gewinnen. Was lag also näher, als zu vermuten, dass der Schwefel ein Bestandteil aller Metalle sei und dass man diese durch Veränderung des Schwefelgehaltes ineinander umwandeln könne.
Natürlich waren zahlreiche Alchimisten Betrüger, die mit Taschenspielertricks arbeiteten und Gold aus ihren Ärmeln "zauberten". Oft endeten sie am Galgen. Unter den Goldsuchern befand sich aber stets ein Kern echter Naturforscher, die der Chemie auf der Suche nach Gold einige wichtige Erkenntnisse brachten. Mehr durch Zufall entdeckten sie bei ihren Experimenten mittlerweile gebräuchliche Verfahren, die aus der heutigen Chemie nicht mehr wegzudenken sind, etwa Destillieren, Legieren, Filtrieren, Niederschlagen, Schmelzen und Lösen. Auch die Herstellung verschiedener Stoffe geschah zufällig bei der Arbeit der Goldmacher. Auf diese Weise fanden sie zum Beispiel Phosphor, Ammoniak, Alkalien, Aether, Weingeist, zahlreiche Metallverbindungen oder Salz-, Salpeter- und Schwefelsäure.
Ohne die Arbeit der Alchimisten wäre demnach die moderne Chemie längst nicht auf ihrem heutigen Stand. Gold stellte allerdings keiner von ihnen her. Auch Johann Friedrich Böttger nicht.
Obwohl es nur ein Gerücht war, dass Böttger Gold herstellen könne, scheute der Kurfürst keine Mühen, diesen anscheinend so begabten Goldmacher in seinen Dienst zu stellen. Genauer gesagt spürte er ihn unter enormem Aufwand auf und ließ ihn unter größten Vorsichtsmaßnahmen mit einer Kavallerie-Eskorte nach Dresden bringen. Denn Böttger, der genau wußte, dass er kein Gold herstellen konnte, war zuvor nach Wittenberg geflohen. Der Alchimist wurde nun gefangen gehalten mit der nicht sehr ermutigenden Aussicht, entweder Gold zu produzieren oder am Galgen zu enden.
Zusammen mit dem Naturwissenschaftler Ehrenfried Walther von Tschirnhaus widmete sich Böttger wohl oder übel dem Problem der Goldherstellung. Dabei fanden sie durch Zufall etwas ganz anderes. Als sie 1708 Tonerde ohne Eisenanteil, das weiße Kaolin mit Quarz und Feldspat - die beide in Granit enthalten sind - fein zermahlen und mit etwas Wasser gemischt, dann getrocknet und gebrannt hatten, entstand das erste europäische Porzellan.
Der Kurfürst erkannte schnell, dass dieses "weisse Gold" fast den selben Wert hatte, wie echtes Gold. Das Monopol Chinas war nun endlich gebrochen, die europäischen Könige und Fürsten konnten ihr Geld auch in Deutschland für Porzellan ausgeben - eine wahre Porzellanmanie entwickelte sich. August der Starke wußte diese Einnahmequelle sehr zu schätzen. Sicherheitshalber verlegte er die Porzellanmanufaktur in die Albrechtsburg nach Meißen, um den Porzellanmeister und seine Arbeiter unter gefängnisähnlicher Kontrolle halten zu können. Böttger selber hatte nicht viel von der Entdeckung. Er starb 1719 in Armut.
Radar in der Küche

Ein Schokoriegel gab den Anstoß


Mikrowellen-Herd

© Molecular Expressions

Wäre nicht zufällig ein Schokoriegel in der Hosentasche eines Ingenieurs geschmolzen, müssten in zahlreichen Single-Haushalten die Fertiggerichte im Backofen erwärmt werden. Der Mikrowellenherd entwickelte sich - natürlich durch einen Zufall - aus einem im zweiten Weltkrieg benutzten Radargerät.
In diesem Radargerät erzeugte eine spezielle Röhre, das Magnetron, die Radarwellen. Die Vorrichtung war 1940 konstruiert worden, um ein möglichst kleines Gerät zur Erzeugung von Radarstrahlen zu erhalten, so dass es auch in Flugzeugen verwendet werden konnte. Dank dieser Erfindung der britischen Forscher J. Randall und H. A. Boot konnten feindliche Flugzeuge und U-Boote frühzeitig ausgemacht werden.
Nach dem Krieg gab es erst einmal keine Einsatzmöglichkeit für die Technik. Zwar war schon mehreren Technikern aufgefallen, dass das Magnetron neben den Radarwellen auch Wärme erzeugt, eine Idee zur Anwendung gab es dennoch nicht. Erst der Ingenieur Percy Spencer bei der amerikanischen Rüstungsfirma Raytheon hatte die entscheidende Idee. Als er sich einmal einem laufenden Magnetron näherte, schmolz ihm ein Schokoriegel in der Hosentasche.
Das war zwar zunächst ärgerlich und möglicherweise hat sogar die Hose unschöne Schokoladenflecken davongetragen, der entscheidende Gedanke war Spencer aber durch das Malheur gekommen: Mit dem Magnetron lassen sich Speisen erwärmen. Weitere Versuche zeigten, dass auch Maiskörner in der Nähe des Radars aufplatzten und Eier explodierten sogar. Der erste Prototyp eines Mikrowellenherdes mit Metallgehäuse - Metall reflektiert die elektromagnetischen Strahlen - konnte gebaut werden.
Die Rüstungsfirma, der das Ende des Krieges aus finanzieller Sicht eher ungelegen kam, war heilfroh über diese neue Anwendungsmöglichkeit und der Mikrowellenherd wurde mit der Zeit ein voller Erfolg.
Kaum einer der Fertiggericht-Freunde weiß aber so richtig, wie der Mikrowellenherd funktioniert. Mikrowellen sind elektromagnetische Strahlen, deren Frequenzbereich zwischen dem von Radio- und Infrarotstrahlen liegt. Das Gehäuse des Mikrowellenherdes wirkt wie ein Faradayscher Käfig, so dass keine Strahlung nach außen entweicht. Die Mikrowellen dringen in die Nahrung ein und werden von dem Wasser in den Zellen absorbiert, die Wassermoleküle werden in Bewegung gesetzt, erwärmen sich also. Diese Bewegung überträgt sich auf benachbarte Moleküle, das Essen wird von innen heraus erwärmt. Das ist der Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Ofen, bei dem zuerst der Ofen, dann der Topf und erst dann das Essen erhitzt wird.
Der Schatz auf der Müllkippe

Von Silberschätzen, Neandertalern und alten Schriftrollen


Neandertaler-Schädel

© Hominid family

Ein Gebiet der Wissenschaft, aus dem der Zufall kaum wegzudenken ist, scheint die Archäologie beziehungsweise die Paläonthologie zu sein. Ob Überreste alter Kulturen oder versteinerter Organismen, kaum ein Forscher kann im Voraus sagen, ob ihm ein bedeutender Fund gelingt oder nicht.

  • Neandertaler beinahe weggespült

Trotzdem ist es aber ein Unterschied, ob ein Team gut ausgebildeter Paläoanthropologen auf einer Exkursion in Afrika bei systematischer Suche Knochenfragmente findet, oder ob Arbeiter auf ein nahezu vollständiges Skelett in einer Felsgrotte in der Nähe von Düsseldorf stoßen. Dabei wäre das so entdeckte Skelett aus dem Neandertal beinahe für die Wissenschaft verloren gegangen. Die Arbeiter, die die Höhle für Sprengarbeiten von Lehm säubern sollten, achteten nämlich zunächst gar nicht auf die Knochenstücke. Bis der Grubenbesitzer den Auftrag gab, doch lieber alle Stücke aufzuheben, war schon ein großer Teil mit dem Lehm nach außen gespült worden und musste mühsam wieder eingesammelt werden. Da das Skelett sehr robust war, hielt man es zunächst für die Überreste eines Bären. Bald aber wurde der Fund als Urmensch schlechthin bekannt und oft als Beweis für Darwins Theorien hinsichtlich der Abstammung des Menschen angeführt.


  • Kläusi und das Ariadne-Tablett

Der römische Silberschatz von Kaiser August - immerhin der bedeutendste spätantike Silberfund nördlich der Alpen - landete beinahe auf dem Müll. Auch er wurde durch Zufall entdeckt, bei Planierungsarbeiten im Dezember 1961. Kläusi, ein kleiner Junge, entdeckte im aufgeschaufelten Erdreich ein komisches Ding, eine Art Tablett. Kläusi nahm das Stück mit in die Schule, ohne zu wissen, dass er das wertvollste Stück eines Schatzes gefunden hatte - das Ariadne-Tablett. Sein Lehrer ahnte davon anscheinend auch nichts, denn er riet dem Jungen, das alte Ding wegzuwerfen. Erst Monate später findet der Amateur-Archäologe Charles Bourcart einen Teil des Silberschatzes und erkennt dessen Wert. Nun erst beginnen die gezielten Ausgrabungen und auch das weggeworfene Tablett von Kläusi kann noch gefunden werden.

  • Antikes Schiffswrack beim Schwammtauchen entdeckt

Auch eine der größten Sensationen der Archäologie wurde im Jahre 1900 durch Zufall entdeckt. Einige griechische Schwammtaucher der Insel Antikythera fanden bei ihrer Arbeit in 60 Metern Tiefe ein versunkenes Schiffswrack. Es stammte etwa aus der Zeit 87 vor Christus. In monatelanger Arbeit machten sich nun Experten daran, zahlreiche Amphoren, Marmorstatuen und Bronzefiguren zu bergen. Ein kleines Teil aus Bronze fand dabei zunächst kaum Beachtung. Erst zwei Jahre später reinigte der Archäologe Spyridon Stasi das mittlerweile zerbrochene Stück im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Obwohl er dabei Spuren von Zahnrädern entdeckte, fand sein Fund kaum Resonanz in der Wissenschaft.
In den 50er Jahren untersuchte Professor Price von der Yale University das Stück erneut. Er fand heraus, dass mithilfe des Bronzegerätes sowohl das griechisch-ägyptische Kalenderjahr abgelesen werden konnte, als auch verschiedene Mondphasen, Sonnenaufgänge und die Bewegung der Planeten bestimmt wurden. Am faszinierendsten aber war die Tatsache, dass das Objekt mit den Zahnrädern ein epizyklisches Differentialgetriebe enthielt. Dabei handelt es sich um eine der kompliziertesten mechanischen Entdeckungen der Welt, die erst 1828 zum Patent angemeldet wurde.

  • Eine Ziege findet die Qumran-Schriftrollen

Eine entlaufene Ziege war der Auslöser für eine weitere wichtige Entdeckung. Als ein Beduine ihr nachging, entdeckte er eine Höhle in den Felswänden über dem Toten Meer. Als er einen Stein hineinwarf, hörte er das Geräusch von zerspringendem Ton. Die Ziege hatte ihn zu den berühmt gewordenen Qumran-Schriftrollen geführt, mehr als 2000 Jahre alt. Es dauerte noch einige Zeit, bis man den wahren Wert der antiken Rollen erkannte, aber mittlerweile zählt diese versteckte Bibliothek einer jüdischen Glaubensgemeinschaft zu den bedeutendsten archäologischen Funden des 20. Jahrhunderts.

  • Fossilien versperrten Wanderweg

Noch zahlreiche weitere Entdeckungen entstanden über ähnliche Zufälle. Ein weiteres Beispiel ist der Burgess Shale, eine der bedeutendsten Fossilienfundstätten der Welt. Charles Doolittle Walcott fand die Versteinerungen, als er im August 1909 einige Felsbrocken beiseite räumen musste, die seinen Pfad durch die Rocky Mountains versperrten. Anhand der Fossilien des Burghess Shale erkannte man, dass vor etwa 530 Millionen Jahren eine erstaunliche Vielfalt an anatomischen Strukturen herrschte. Von den etwa 25 identifizierten Baumustern haben lediglich fünf ein dramatisches Massensterben überstanden und bis heute überlebt. Unter anderem ein kleines, unbedeutendes Tier. Dieser unscheinbare Organismus aber hatte bereits eine Art Wirbelsäule und ist damit der Urahn aller Wirbeltiere, vom Feuersalamander bis zum Menschen. Der Grund für das Überleben einiger weniger Formen war nicht etwa eine bessere Anpassung, sondern vermutlich reiner Zufall - mal wieder.

Musikalische Planeten

Eine seltsame Idee führte zum richtigen Ziel


Kepplers Gesetze sind noch heute gültig

© Hans Joss

Angeblich entdeckte Sir Isaac Newton die Schwerkraft durch einen Zufall. Ein Apfel, der ihm aus einem Baum auf den Kopf gefallen sei, soll ihn erst auf die entscheidende Idee gebracht haben. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Newton seine Entdeckung weniger dem Apfel, sondern vielmehr den Arbeiten von Johannes Keppler und Galileo Galilei zu verdanken hat, auf deren Erkenntnisse er seine Theorien stützte.
Der Zufall hatte aber doch seine Hand im Spiel. Und zwar bei Kepplers Entdeckungen bezüglich der Bewegung der Planeten, die der Menschheit die Existenz der Gravitation ein Stück näher brachten.
Johannes Keppler (1571-1630) widmete sein Leben der Erforschung des Universums. Besonders interessierte ihn, warum die Zahl, Größe und Bewegung der Planeten so sind, wie sie sind und nicht anders. Eine Idee sollte dabei sein ganzes Leben bestimmen: Keppler war der festen Überzeugung, dass die Planeten nach einem präzisen Plan des Schöpfers und nicht nach dem Zufallsprinzip verteilt seien. Besonders die (falsche) Tatsache, dass es genau sechs Planeten gab (die anderen waren zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt), formte in ihm die Idee, dass das Universum einem strengen geometrischen Plan folge.
Zur Beweisführung seiner zahlreichen Theorien verwendete Keppler weder langwierige Beobachtungen noch Experimente, sondern stützte sich auf eine geometrische Beweisführung. Schließlich hatte Gott seiner Meinung nach das Weltbild geometrisch erschaffen, so dass man mit wenigen Beobachtungsdaten und einigem Nachdenken über geometrische Beziehungen zu einem verlässlichen Bauplan des Universums kommen könne. Mit dieser Methode bewies er denn auch eine große Zahl von Theorien, die meisten davon waren allerdings falsch.
  • Von Selbstzweifeln gequält

In seinen Aufzeichnungen finden sich zahlreiche Notizen, die zeigen, wie sehr Keppler sich mit Selbstzweifeln quälte, sobald er wieder einmal eine seiner Theorien verwerfen musste oder nachträglich einen Fehler entdeckte. Einmal schrieb er sogar: "Wenn meine falschen Ziffern den Tatsachen nahe gekommen sind, dann geschah es aus reinem Zufall." Trotzdem war er nicht davon abzuhalten, weiter seine Idee des geometrischen Weltaufbaus zu verfolgen.
Unter anderem versuchte er 1596 zu beweisen, daß Gott die fünf platonischen Körper der Geometrie in den Schöpfungsplan eingebaut hatte und diese somit in den Kreis-Bahnen der sechs Planeten zu finden seien. Die Erde sollte demnach ein Dodekaeder umschreiben, der Mars ein Tetraeder, der Jupiter einen Würfel und so weiter. Mithilfe dieser ineinander geschachtelten geometrischen Körper wollte Keppler nun die Umlaufbahnen, die Bewegungen der Planeten zur Sonne und deren Größe zu errechnen. Dummerweise passten die Eckpunkte der geometrischen Körper nicht zu den Daten der relativen Entfernung der Planeten.
Keppler löste das Problem etwa 20 Jahre später, indem er vermutete, dass der Schlüssel für das Weltbild nicht die Geometrie, sondern die Musik sei. Mithilfe des Notensystems wollte er beweisen, dass die Planeten eine Harmonie ergeben, wenn man ihnen Noten zuweist. Auf diese Weise erhielt er verschiedene Tonleitern. Seine Theorien veröffentlichte er in seiner Harmonice mundi. Unter anderem auch die bekannten drei Gesetze, die auch heute noch Gültigkeit haben.
Diese drei Gesetze entstanden innerhalb einer Reihe von Beweisführungen, von denen sich die Mehrzahl als falsch herausstellte. Dreimal aber traf er ins Schwarze. So machte er beispielsweise bei der Berechnung, die zur Formulierung seines Zweiten Gesetzes (das er noch vor dem ersten fand) führte, einige Fehler. So nahm er unter anderem an, dass die Kraft sich proportional zur Geschwindigkeit verhält und dass die Bahn der Planeten kreisförmig verläuft.
Erstaunlicherweise hoben sich die Fehler teilweise untereinander wieder auf, teilweise korrigierte Keppler sie selber. Allerdings waren ihm diese drei Gesetze unwichtig. Obwohl er nur einen Katzensprung vor der Entdeckung der Gravitation stand, verkannte er das Potential seiner Entdeckungen. Dennoch war er mit seinem Lebenswerk zufrieden, hatte er doch seiner Meinung nach "bewiesen", dass Gott das Universum tatsächlich nach musikalischen Gesichtspunkten aufgebaut hatte.

Der Zufall - wichtig oder nicht?

Würden wir ihn erkennen?


Wie wichtig ist der Zufall?

© MMCD GmbH

Wie wichtig ist denn jetzt der Zufall wirklich? Hätte es all diese Entdeckungen ohne Zufälle nicht gegeben? Hätte Henri Bequerel nicht sein Experiment noch häufiger wiederholt? Irgendwann einmal wäre es bestimmt bewölkt gewesen. Auch das Phänomen der Röntgenstrahlen wäre vermutlich früher oder später irgendwem aufgefallen. Und hätte Kolumbus nicht auf unkonventionellem Weg nach Indien reisen wollen, so hätte jemand anders Amerika entdeckt. Irgendwann zumindest.
Trotzdem spielt der Zufall eine wichtige Rolle, weil er entscheidende Denkanstöße bringen kann. Dabei kommt es allerdings darauf an, wer etwas durch Zufall findet. Als der Junge Kläusi ein wertvolles Stück des römischen Silberschatzes findet, erkennt er dessen Wert nicht und wirft es - auf Anraten seines Lehrers - wieder weg. Erst als ein Archäologe Teile des Schatzes sieht, beginnt die gezielte Suche nach dem Rest. Auch auf Zieglers Idee, noch andere Metalle auf ihre Wirkung bei der Polyethylenbildung zu prüfen, muß man erstmal kommen. Und jemand anderes als Roy Plunkett hätte die scheinbar leere Gasflasche vielleicht einfach weggeworfen, anstatt sie aufzusägen. Dann hätten wir heute noch kein Teflon. Auch die Fullerene hätten schon Jahre früher entdeckt werden können. Weil aber die entscheidende Idee fehlte, wurden die seltsamen Spuren als Verschmutzung abgetan.
Demnach sind Zufälle manchmal nützlich, um eine ganz neue Entdeckung möglich zu machen, an deren Existenz vorher niemand gedacht hat. Aber wenn sich jemand nicht mit den wissenschaftlichen Hintergründen auskennt, dann nutzt der beste Zufall nichts und es entstehen weder Nobelpreisträger noch Supraleitungen.
Zumindest sollten sich Bundesforschungsminister nicht zu schnell dazu hinreissen lassen, unter Forderungen nach mehr Anwendungsnähe in der Wissenschaft die Grundlagenforschung finanziell immer weiter zu beschneiden. Wenn nur nach bestimmten vorgegebenen Zielen geforscht wird, so kommt am Ende entweder das Erwartete heraus oder eben nicht. Etwas völlig Unerwartetes dagegen in den seltensten Fällen.
Industrieunternehmen haben dies längst vergegenwärtigt. Das Cyclosporin wäre nicht entdeckt worden, wenn man nicht, angeregt durch die spektakuläre Penicillin-Entdeckung, systematisch nach dem Zufall gesucht hätte. Und seit durch einen Zufall die gelben "Post it"-Klebezettel entdeckt wurden, wird den Mitarbeitern dieser Firma eine Zeit von 15 Prozent ihres Arbeitspensums eingeräumt, in der sie ohne festes Ziel oder Erfolgsdruck in einem Bereich ihrer Wahl forschen können. Denn vielleicht taucht er ja eines Tages wieder auf: Der entscheidende Zufall.