Auszüge aus veröffentlichter Sekundärliteratur zum Mosaik von Hannes Hegen . Diese Zitate sollen die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Der Text wurde Printmedien entnommen, Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler bitte ich unkommentiert zu entschuldigen. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de
Zitat aus: Petra Kock, Das Mosaik von Hannes Hegen, Entstehung und Charakteristika einer ostdeutschen Bildgeschichte, Logos Verlag Berlin, 1999, S. 115-119

Der Versuch, das MOSAIK VON HANNES HEGEN von einem Abenteuerheft in eine Zeitschrift umzuwandeln: 1957 bis 1959/60
Hintergründe - Die Ideologische Offensive


Die sehr kurze Phase der Liberalisierung, die der XX. Parteitag der KPdSU auch in der DDR zur Folge hatte, die sogenannte „Tauwetterperiode" [7], fand mit der Eröffnung der Ideologischen Offensive auf der 30. Tagung des ZK der SED vom 31. Januar bis 1. Februar 1957 ihr offizielles Ende.

  • „Nach dem ZK-Plenum sind wir alle klüger geworden. Die Genossen spüren und verstehen, daß es auf ideologischem Gebiet keine friedliche Koexistenz geben kann. Dort, wo in der Partei nicht der ideologische Kampf gegen die bürgerliche Ideologie geführt wird, überlassen wir das Feld der Einflußnahme der imperialistischen Feinde. Dort, wo wir nicht unsere Theorie, d. h. unsere Perspektiven des Kampfes und seine Entwicklungslinie vertreten und behaupten, eben wir in der Praxis die geistige Führung an Gegner der sozialistischen Ideologie ab." [8]

Die Absage an eine mögliche friedliche Koexistenz und die Ansage des Kampfes gegen die bürgerliche Ideologie hatten zweifellos eine außenpolitische Bedeutung. Viel wichtiger war jedoch die innenpolitische Stoßrichtung der Ideologischen Offensive. Sie richtete sich gegen Revisionismus und Opportunismus im eigenen Volk. Im Blickfeld standen vor allem Intellektuelle und Künstler. Zum einen waren sie zur Propagierung der sozialistischen Ideologie unentbehrlich, zum anderen hatten die Ereignisse in Ungarn gerade bewiesen, wie gefährlich die Intelligenz für eine Regierung werden kann. [9]
Zur ideologischen Rekrutierung aller Schichten des Volkes kam den Medien der DDR eine besondere Bedeutung zu. Die Bürger der DDR sollten nicht nur tagespolitisch, sondern umfassend durch kulturelle Bildung und Erziehung im Sinne der sozialistischen Ideologie geschult werden. Hierzu besann man sich wieder stärker auf die kulturellen Traditionen der Arbeiterbewegung der 30er Jahre [10]. Das in der Folge des 17. Juni 1953 getroffene Zugeständnis, dem Volk mehr Unterhaltung zu bieten, wurde ab 1957 offiziell verworfen.
Bereits im Dezember 1956 wurde eine Kommission der SED einberufen, auf der zu Fragen der Pressearbeit Stellung genommen wurde. Der Beitrag von Albert Norden „Für eine kämpferische und parteiliche Satire!" wurde zur Anleitung der ideologischen Arbeit der Parteigenossen gesondert hervorgehoben und war somit richtungweisend.
Albert Norden, der Sekretär des ZK der SED, forderte in seiner drohenden Rede (1957: 12) von den „Scharfschützen der Satire" eine Kritik nach dem Grundsatz der Parteilichkeit. Die Kritik sollte sich vor allem nach außen, gegen den Imperialismus wenden, und wenn überhaupt Kritik nach innen geübt werden muhte, so höchstens gegen die Anhänger des Imperialismus.

  • „Angesichts einer solchen Situation gibt es nur eine Entscheidung: Entweder ist man für die militaristische Restauration, wie sie heute von den Monopolen Westdeutschlands durchgeführt wird, oder man ist für die Arbeiter-und-Bauern-Macht. Entweder ist man für Adenauer oder für die DDR. Ein Drittes gibt es nicht! [11] Wenn unsere Satiriker ihre Arbeit unter diesem Gesichtspunkt durchführen, dann werden sie keine zersetzende, sondern eine schöpferische Kritik üben. Dann wird die Kritik im »Eulenspiegel« auch in erster Linie auf die Brandmarkung des Imperialismus konzentriert sein."

Die Kunst sollte Waffe gegen den imperialistischen Feind sein. Die Presse hatte wieder kollektiver Organisator, Propagandist und Agitator zu sein [12]. Die Jugendmedien waren von diesen Maßgaben nicht ausgeschlossen. Auch sie wurden in Anwendung der Erkenntnisse der 30. Tagung des ZK der SED geprüft und korrigiert. Das geschah maßgeblich auf der 4. Tagung der ZL der PO im Frühjahr 1957.
Um die Jugend ideologisch umfassend und altersgerecht zu schulen, sollte die Zusammenarbeit zwischen der Pionierorganisation und ihren Presseorganen intensiver gestaltet werden. Alle Anstrengungen sollten darauf gerichtet werden, „daß die Pionierorganisation mit Hilfe der Arbeiterklasse und ihrer Partei, zur sozialistischen Massenorganisation der Kinder in der DDR" werden würde [13]. Von dieser Massenorganisation wurde nach dem V. Parteitag, dem 4. Plenum des ZK der SED und insbesondere seit „der Entwicklung der polytechnischen allgemeinbildenden zehnklassigen Oberschule eine höhere Qualität ihrer Arbeit" gefordert [14]. Um eine effektivere Arbeit der PO zu gewährleisten, wurde auf der l g. Zentraltagung der FDJ im Dezember 1957 eine eigenständige ZL der PO berufen [15]. Ein wesentliches Mittel zur Propagierung der neuen Aufgaben durch die Pionierorganisation sollte die Massenpropaganda darstellen [16]. Zu diesem Zweck wechselten 1958 fast alle Zeitungen und Zeitschriften beim Verlag „Junge Welt" den Herausgeber vom ZR der FDJ zur ZL der P0 [17]. Die politische Gleichschaltung manifestierte sich in den Presseorganen der PO auf den ersten Blick darin, daß ab 1958 fast alle agierenden Kinderfiguren Pionierhalstücher trugen [18] (s. Abb. 14 -> PDF !).
Am eindeutigsten repräsentierte innerhalb der Pioniermedien die Umbenennung der Zeitung Der Junge Pionier zu Trommel die Orientierung auf den Kurs der Ideologischen Offensive. Mit dem Titel Trommel knüpfte man an die Tradition der Roten Pioniere der 30er Jahre an, deren Verbandszeitung ebenfalls Trommel geheißen hatte. Die neue Trommel war innerhalb der Pionierpresse strukturbestimmend, und somit kann der auf der 4. Tagung der ZL der PO für sie formulierte Sinnspruch ebenfalls als richtungweisend verstanden werden: „Ein Pionier ohne Trommel ist wie ein Soldat ohne Gewehr." [19]
Auch im Bereich der Pionierpresse wurde die unterhaltsame Funktion bzw. die unterhaltsame Verpackung von politischen Belangen offiziell verworfen. Man sah hierin eine Ursache für „mangelnde politische Wirksamkeit" und „das Zurückbleiben in einigen Fragen".

  • „Es gab und gibt in den Redaktionen unserer Zeitungen und Zeitschriften bei der Vorbereitung und Durchführung der redaktionellen Pläne offensichtlich eine Art „Nur Journalismus", das Bestreben nämlich, bei der Planung von dem Gesichtspunkt »des Ankommens« bei den Lesern auszugehen. Das ist eine ideologische Frage, darin äußert sich die revisionistische Ansicht, eine Massenbasis um jeden Preis zu gewinnen." [20]

Obwohl schon die Verwendung der unterschiedlichen Bezeichnungen „Pionierpresse" und „Kinderliteratur" darauf hinweist, daß letztere nicht so absolut in den Dienst der ideologischen Propaganda gezwungen wurde, gab es auch Weisungen für die Kinderliteratur. Auf der 4. Tagung der ZL der PO kritisierte der Sekretär der ZL, Klaus Herde, die mangelhafte Gestaltung des Pionierlebens in der Kinderliteratur sowie das Fehlen berufsbildvermittelnder Bücher für die Elf- bis Vierzehnjährigen. Er forderte Verleger und Schriftsteller auf, diese Defizite gemeinsam zu beseitigen. Die Forderung nach der Vermittlung von Berufsbildern bekam mit der Propagierung der „Hauptaufgabe" auf dem V. Parteitag der SED stärkere Bedeutung. Die Funktionäre der Pionierorganisation wies er an, dem Buch den richtigen Platz innerhalb der Organisation zu geben [21]. Den Deutschlehrern wurden durch die Dresdner Zentralstelle für Kinder- und Jugendliteratur konkrete Anregungen gegeben, die Jugend zum Umgang mit dem „guten Buch" zu erziehen, was Empfehlungen an die Eltern über den (bzw. die Erziehung zum) Kauf sozialistischer Kinderliteratur einschloß [22].

[7] Auf dem XX. Parteitag vom 14. bis 26. Februar 1956 kritisierte Chruschtschow den Mißbrauch der Macht Stalins, forderte die Abkehr vom Personenkult und proklamierte ein Konzept von der friedlichen Koexistenz verschiedener Gesellschaftsformen. Nachdem die Teilnehmer der 3. Parteikonferenz der SED im März 1956 unter Ausschluß der Öffentlichkeit von Chruschtschows Rede informiert worden waren, zog man auf der 28. Tagung des ZK der SED im Juli 1956 die „Lehren" aus dem sowjetischen Parteitag, wobei in Anwendung der These von der friedlichen Koexistenz verschiedener Gesellschaftsformen auch verschiedene demokratische Gesellschaftsformen als Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus für möglich gehalten wurden. Die verurteilende Bezeichnung „Titoismus" wurde zurückgenommen. Parteistrafen wurden aufgehoben. Einzelne vormals abweichende Genossen wurden rehabilitiert.

[8] „Einige Probleme und Aufgaben aus der 30. Tagung des Zentralkomitees", Neuer Weg, 1957, Nr. 5, S. 258.

[9] Im Zuge der Aufstände im Oktober/November 1956 erklärte sich Ungarn unter dem Ministerpräsidenten Imre Nagy zum neutralen Staat und kündigte die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt auf. Die Aufstände wurden von sowjetischen Truppen niedergeschlagen. Diese gingen auch gegen weitere Unruhen im Januar 1957 vor. Am 27. Mai 1957 wurde ein Abkommen über die zeitweilige Stationierung sowjetischer Truppen in Ungarn unterzeichnet. Für die „Konterrevolution" machte die Regierung Kadar (sie wurde im November 1956 als moskautreue Gegenregierung gebildet) Intellektuelle und Künstler verantwortlich. Die auf einer Pressekonferenz im November 1956 in Ungarn getroffene Aussage „Journalisten und Schriftsteller haben uns das Dach über dem Kopf angezündet" wurde im Zuge der Ideologischen Offensive in der DDR von Albert Norden, dem Sekretär des ZK der SED, warnend zitiert, Norden (1957: 11). Ein deutliches Exempel wurde mit der Verhaftung mehrerer Intellektueller, darunter Wolfgang Harich und Walter Janka, im März und Juli 1957 statuiert. Die Verhafteten wurden der „Bildung einer konspirativen staatsfeindlichen Gruppe" beschuldigt. Tatsächlich hatte eine Gruppe von Intellektuellen, die sich hauptsächlich um den Philosophen Wolfgang Harich gebildet hatte, im Zuge der intellektuellen Entstalinisierung einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus in Betracht gezogen.

[10] Man besann sich vor allem auf Agitprop, d.h. Agitation und Propaganda mit den Mitteln der Kunst, wobei mit geringsten technischen Mitteln ein Maximum an politischer Wirkung erreicht werden sollte. Agitprop-Stücke sind ausgerichtet auf Aktualität und Operativität. Die ersten Agitprop-Gruppen entstanden nach der Oktoberrevolution in der Sowjetunion, in Deutschland kamen sie - angeregt durch die sowjetischen Vorbilder, geleitet durch die KPD und den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) - 1926/27 auf und wurden bis in die 30er Jahre zu einer Bewegung mit Massencharakter.

[11] Diese Aussage könnte sich auf die Überlegungen einiger DDR-Intellektueller zu einem eigenen Weg Deutschlands beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus beziehen. Siehe Fn. 9.

[12] Lenin, Über die Presse, KMU Leipzig, 1960, S. 94.

[13] Dokumente und Beschlüsse der Zentralleitung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann ", Hrsg. von der Zentralleitung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann", Büro des Vorsitzenden, Berlin (DDR), Verlag Junge Welt, 1958, S. 40. Nach Chowanetz (1983: 67) waren 1958 bereits 72 Prozent der sechs- bis vierzehnjährigen Kinder in der DDR Mitglied der Pionierorganisation.

[14] Dokumente und Beschlüsse der Zentralleitung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann ", Hrsg. von der Zentralleitung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann", Büro des Vorsitzenden, Berlin (DDR), Verlag Junge Welt, 1958, S. 166.

[15] Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 8.10.1957, in: JA IZJ POA 2.750. Bis dahin unterstand die PO wie die FDJ dem ZR der FDJ.

[16] Dokumente und Beschlüsse der Zentralleitung der Pionierorganisation„ Ernst Thälmann ", Hrsg. von der Zentralleitung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann", Büro des Vorsitzenden, Berlin (DDR), Verlag Junge Welt, 1958, S. 167.

[17] Siehe Chowanetz (1983: Anhang, S. 131 ff.).

[18] Während der Kinderliteratur, den entsprechenden Presseorganen oder auch der kulturellen Arbeit in den Pionierhäusern politisch unverbindliche, „nicht pioniermäßige" Beiträge vorgeworfen wurden, trat im Fernsehen die Pionierorganisation schon 1957 „politisch richtig in Erscheinung". Klaus Herde (1957: 58 f.) lobend: „Wir freuen uns auch sehr, daß einige Sprecherinnen im Kinderfernsehen bei ihren Ansagen das Pionierhalstuch tragen."

[19] Herde (1961: 64).

[20] Ebenda.

[21] Ebenda.

[22] So sollte die Erziehung zum „guten Buch" auf Elternversammlungen durch Positiv- und Negativbeispiele betrieben werden. Siehe Deutschunterricht, Heft 9, 1958, S. 462 ff. Das pädagogische Kreiskabinett des Bezirks Karl-Marx-Stadt veröffentlichte zusammen mit der Bezirksbibliothek Karl-Marx-Stadt ab 1958 die Jugendzeitschrift Der Jugendschriftenfreund. Ein Ratgeber für die sozialistische Erziehung unserer Kinder zum guten Buch.

Fortsetzung