Auszüge aus veröffentlichter Sekundärliteratur zum Mosaik von Hannes Hegen . Diese Zitate sollen die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Der Text wurde Printmedien entnommen, Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler bitte ich unkommentiert zu entschuldigen. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de
Zitat aus: Petra Kock, Das Mosaik von Hannes Hegen, Entstehung und Charakteristika einer ostdeutschen Bildgeschichte, Logos Verlag Berlin, 1999, S. 156-158

Der Versuch, das MOSAIK VON HANNES HEGEN von einem Abenteuerheft in eine Zeitschrift umzuwandeln: 1957 bis 1959/60
Die Weltraum-Serie
Inhaltlich-dramaturgische Analyse / Heft 6-10
(Mosaik 30-34)

Die Hefte 6 bis 10 zeigen klare Parallelen zu Handlungsmotiven und -mustern der Produktions-SF, deren Charakteristikum die Beschreibung wissenschaftlich-technischer Entwicklungen einer der irdischen Gegenwart relativ nahen, nur wenige Jahre voraus angesiedelten Zukunft ist. So führt uns Heft 6 den „Staudamm am Schwarzen Fluß" als „eines der größten Bauwerke" (Heft 6, S. 7) der Republikanischen Union vor, ein Mega-Projekt, „welches dann elektrischen Strom für viele Städte und Dörfer erzeugen wird" (ebenda) [96]. In Heft 10 spielt ein Teil der Handlung in einem Metallkombinat, in dem die Großherstellung des „Wundermetalls" Digedanium beginnen soll. Genauso wie in Heft 6 geht es hier um ein Produktionswerk, in dem sich ein wissenschaftlich-technischer Fortschritt konkretisiert. Und ebenso wie der Staudamm in Heft 6 weist auch das Metallkombinat in Heft 10 auf einen „Brennpunkt des sozialistischen Aufbaus" in der DDR, das Eisenhüttenkombinat in Stalinstadt.
Eine weitere Ähnlichkeit der beiden Hefte besteht aus dem Agieren eines Spions der feindlichen Macht, des Großneonischen Reiches, auf dem Werksgelände. Im Staudamm-Heft macht sich Peer Tyla daran, mit einer Bombe die Staumauer zu sprengen, während im Metallkombinat in Heft 10 der ins Werk geschmuggelte Agent „für den großneonischen Geheimdienst Digedaniumproben besorgen" muß (Heft 10, S. 18). In beiden Fällen scheitert jedoch das Vorhaben der Spione, sowohl Peer Tyla in Heft 6 als auch sein „Kollege" in Heft 10 werden vom Werkschutz gestellt, ohne ihre Aufträge erfolgreich ausgeführt zu haben. Die Durchsetzung technischer Erfindungen in einem werksartigen Umfeld, in dem Spione den Erfolg der Innovation entweder zu vereiteln oder für die eigene Seite aufzuklären versuchen, finden sich als Leitmotive bereits in den „klassischen" SF-Romanen von Dominik aus den 20er und 30er Jahren.
So gestaltet Dominik (1980) beispielsweise in Kautschuk eine Handlung, in deren Mittelpunkt die Synthese eines neuartigen Isolationskautschuks zur Nutzung der Atomenergie steht. Der Erfinder des neuen Kautschuks, Dr. Fortuyn, arbeitet im Mitteleuropäischen Atomwerk, in dem die erbitterten Konkurrenten der United Chemical mit dem vorgeblichen Laboratoriumsdiener Wittebold einen Spion auf die Arbeiten Dr. Fortuyns angesetzt haben. Auch hier geht es also um die Realisierung eines fortschrittlichen technischen Verfahrens und den Versuch einer feindlichen Macht, durch den Einsatz von Agenten ebenfalls in den Besitz der entsprechenden Kenntnisse zu gelangen.
Die ostdeutsche SF-Literatur der 50er Jahre machte vielfach Anleihen bei der Produktions-SF im Stile Dominiks, die sich, wie angedeutet, bis ins MOSAIK VON HANNES HEGEN verfolgen lassen. Mit der Entdeckung, Erforschung und Patentierung des Metalls Digedanium in den Heften 7 bis 10 variieren die MOSAIK VON HANNES HEGEN-Autoren das Motiv des neuen, überlegenen Werkstoffes. Wir erfahren über das Digedanium, daß es „härter als Stahl und leichter als Aluminium ist" (Heft 8, S. 7). „Es hält große Belastungen aus und ist trotz seiner Härte sehr elastisch" (Heft 10, S. 16). Als prägnantes Element der SF-Literatur der 50er Jahre taucht dieses Motiv des verbesserten, idealen Materials auch in Viehwegs (1955) Ultrasymet bleibt geheim, del'Antonios (1957 und 1959) Gigantum (hier in der Spielart des Supertreibstoffs Transuran) und Titanus sowie in Lems (1959: 46) Planeten des Todes auf:
  • „Die Chemiker, die früher nur die Natur beobachtet und sich bemüht hatten, in ihren Laboratorien die auf der Erde und den Sternen vorkommenden Substanzen nachzuschaffen, lernten allmählich Stoffe aufzubauen, die nirgends bestanden, und sie taten es so beliebig wie ein Architekt, der die Form und Konstruktion eines Gebäudes seinen schöpferischen Plänen unterordnet. Sie waren in der Lage, plastische Stoffe zu erzeugen, die hart und widerstandsfähig wie Stahl, dabei aber leicht und durchsichtig wie Glas waren und sich schmieden und bearbeiten ließen."

Die Weiterverarbeitung und Anwendung eines wissenschaftlich-technischen Fortschritts in großen Produktionsanlagen, in den Heften 6 bis 10 der Weltraum-Serie sind dies der Staudamm und das Metallkombinat, rücken etliche ostdeutsche SF-Autoren der 50er Jahre ebenfalls in die Nachfolge Dominiks. So zeichnet etwa Fahlberg (1955) in Betatom das Bild des gleichnamigen Werkes, in dem Atomenergie mit einem Betagenerator auf direktem Wege in Elektrizität umgewandelt wird. Analog zu Dominik macht Fahlberg [97] hier vom Motiv des Spions Gebrauch, der hinter das Geheimnis des Betagenerators zu kommen versucht. Ein großdimensioniertes Werk als Schauplatz der Handlung kommt bei Fahlberg (1956) auch in Erde ohne Nacht und bei del'Antonio (1957 und 1959) in Gigantum und Titanus vor.
Interessanterweise erstrecken sich die Ähnlichkeiten zwischen dem MOSAIK VON HANNES HEGEN, der ostdeutschen SF-Literatur der 50er Jahre und den Geschichten von Dominik auch auf das Auftreten einiger typischer Charaktere. So findet z.B. der geniale, aber zuweilen zerstreute Professor Schlick im MOSAIK VON HANNES HEGEN bei Fahlberg (1956) in Professor Lenander ein Pendant. Weiterhin ähnelt Doktor Knilch aus dem MOSAIK VON HANNES HEGEN, der das Digedanium viel lieber als „Knilchinium" patentiert sähe, dem früheren Assistenten von Professor Lenander, Fentsch, der mit gestohlenen Papieren den Akademiepreis gewinnen wollte. Die ehrgeizig-intrigante Ehefrau des Doktor Knilch verrät indessen gewisse Ähnlichkeit mit der Gattin des Werksleiters in Fahlbergs (1955) Betatom, Mila Gerson, die stets im Mittelpunkt stehen und gesellschaftlich glänzen möchte. Schließlich tritt in Heft 8 der Weltraum-Serie auch ein Laboratoriumsdiener in Erscheinung, diesen Figurentypus hatte bereits Dominik (1980) in Kautschuk agieren lassen.
Der Atomenergie als Antriebsquelle räumen die Autoren des MOSAIK VON HANNES HEGEN in Heft 9 bei der doppelseitigen Erläuterung des Atomfrachters „Gigant" sowie auf der populärwissenschaftlichen Rückseite zur „Kraftquelle Atom" Platz ein. Außerdem zeigt bereits der Längsschnitt durch das Raumschiff der Republikanischen Union in Heft 1, S. 10, daß ein Atomreaktor zum Antrieb des Raumschiffs dient. Parallel dazu bewegen sich in etlichen SF-Büchern aus den 50er Jahren ebenfalls eine Reihe von Fahrzeugen mit Nuklearantrieb fort. So sind in den Unsichtbaren von Krupkat (1958) Flugzeuge und Schiffe mit einem Atommotor ausgestattet, während bei Lem (1959), Bagemühl (1952) und Fahlberg (1956) auch Raumschiffe durch Atomenergie angetrieben werden. Unterdessen kann man auch in der Verarbeitung des Motivs der Atomenergie-Nutzung wiederum eine Gemeinsamkeit mit den „Klassikern" von Dominik, wie z.B. Kautschuk oder Atomgewicht 500, sehen.
In der Gesamtschau manifestieren sich in den Heften 6 bis 10 der Weltraum-Serie hinsichtlich der Industriethemen deutliche Ähnlichkeiten zur ostdeutschen Produktions-SF der 50er Jahre und darüber hinaus auch zu den Romanen Dominiks. Während der Staudamm als Industriethema und Schauplatz auf Heft 6 beschränkt ist, verbindet in den Heften 7 bis 10 die Entdeckung, Erforschung und Patentierung des „Wundermetalls" Digedanium als übergeordnete Klammer die Industriethemen „Forschung", „Atomfrachter" und „Metallkombinat". Die Digedags sind in diesen Heften insofern am jeweiligen Industriethema beteiligt, als daß der Staudamm in Heft 6 eine Besuchsstation auf ihrer Rundreise durch die Republikanische Union ist und sie in den Heften 7 bis 10 den Ausgangsstoff für das neue Metall finden sowie mit erproben und patentieren lassen. Demgegenüber haben sie in den folgenden Heften der Weltraum-Serie nichts mehr direkt mit dem Industriethema zu tun, wenngleich die Motive ihrer Aktionen immer wieder mit den Industriethemen gekoppelt werden.

Abb. 23

(Rakete, Nr. 11, 1958),
Rakete - bis 1957 Schulpost - war die Pionierzeitschrift in der DDR, die am unmittelbarsten und sogar im Titel auf den ersten Weltraumerfolg der Sowjetunion reagierte
.


[97] Den engen Bezug zwischen Fahlbergs und Dominiks Romanen streichen Simon/Spittel (1988: 24) heraus: „Fahlbergs Helden agierten in altvertrauter Dominikscher Manier und hatten sich in ebensolchen Konflikten zu bewähren [...]".