Auszüge aus veröffentlichter Sekundärliteratur zum Mosaik von Hannes Hegen . Diese Zitate sollen die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Der Text wurde Printmedien entnommen, Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler bitte ich unkommentiert zu entschuldigen. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de
Zitat aus: Thomas Kramer, Mosaik Fan-Buch (1), S. 23-57, Dietz Verlag Berlin GmbH, 1993


Agentenjagd und Friedensfahrt - die Digedags auf dem Neos

Eigentlich hatten sich die Autoren des MOSAIK auf eine lange, lange Antikeserie gefreut. Die Mannschaft um Hegen war gerade „so richtig in Schwung" gekommen. Doch schon längere Zeit löste das politische Ab­seits, in dem die Künstler spielten, Stirnrunzeln bei den „Maßgebli­chen" im Verlag aus. Oft wird als Hauptgrund für den Abbruch der Serie der sogenannte Sputnikschock angeführt, der den eifrigen Chefredak­teur Dornhof bewog, auf Kurswechsel zu aktuell-politischen Horizonten zu dringen. Sicherlich war es ein auslösendes Moment für das Ein­schwenken auf den Kurs der Fünf­jahrpläne. Die Ursache lag jedoch tiefer. Rechnen wir nach: Sputnik 1 hatte mit seinem Piepsen bereits am 4. Oktober 1957 allzu Siegesgewisse zwischen Pentagon und Hardthöhe in Schweißausbrüche und Infarktnähe gestürzt.
Da brachte das weinende Krokodil gerade den Urwald in der fernen Süd­see in Aufruhr. Das heißt also, daß zu diesem Zeitpunkt das Zirkusschiff noch nicht einmal in Ostia eingelaufen, die Abenteuer mit dem tapferen Strupp und dem jämmerlichen Quasi noch Zukunftsmusik waren Und Rom war ganz gewiß mehr als eine Ubergangslösung bis zur konzep­tionellen Fertigstellung der MOSAIK­-Phantasien von den Segnungen des SED-Wirtschaftsprogramms. Da die große Sputnikpsychosewelle 1958 ohnehin im Abklingen begriffen war, steht eher zu vermuten, daß die stäh­lenden Beschlüsse des V. Parteitages der SED vom 10.-16.Juli 1958 Druck aufs ideologische Gewissen der Ver­lagsobrigkeit ausübten. Da bot der Rückstand des MOSAIK in der Hul­digung der raketentechnischen Groß­tat des Brudervolkes den willkomme­nen Anlaß zu „richtungsweisender Kritik".

In einem Sammelband DDR-patriotischer Sprüche und Lieder beeilten sich die Schriftsteller Erwin Strittmatter und Karl-Heinz Tuschel - selbst Autor utopischer Romane - wesentlich vorbildlicher, die Bedeu­tung dieses Ereignisses für die jüng­sten Helfer der Partei umfassend zu. würdigen. Erwin Strittmatter verfaßte damals noch erbauliche „Sputnik-Gespräche" wie dieses: „,Brennstoff und Metall allein geben den Ausschlag noch nicht' sagte der Parteisekretär. Es ist noch ein ande­rer Treibstoff im Spiele, der in Privat­fabriken nicht hergestellt wird.' Aber auch der Liedtext „Hejo, Sputnik" von Tuschel zeigt, wie harmlos der im folgenden mitunter zu konsta­tierende ideologische Inhalt des MO­SAIK im Vergleich zum damals Üb­lichen war: „Hejo, Sputnik, hoch am Himmelszelt, sag, was siehst du bei der Reise um die Welt? Ich seh vom Gelben Meer herüber bis zum Elbestrand die Schar der befreiten Völker, mittendrin mein Heimatland. Die Fahnen leuchten rot, und die Ge­sänge klingen froh! He-jo Sputnik, otschen charascho!" Behalten wir also schon jetzt im Hinterkopf, daß sich das MOSAIK zu derartigem Schwachsinn in keinem der Hefte hergab. Aber der erwähnte Parteitag forderte auch von den Digedags er­höhte Anstrengungen. Anstelle des Fünf- verkündete Walter Ulbricht nun gar einen Siebenjahrplan! Dieser selbst zu späteren DDR-Zeiten nicht unumstrittene Parteitag bildete nur den „krönenden Abschluß" einer Entwicklung, die in etwa mit der 30. Tagung im Januar 1957 einge­setzt hatte: Braunkohlenbergbau, er­höhte Energieerzeugung und Aufbau einer eigenständigen Chemieindu­strie wurden zu Schwerpunkten der mit einem übermächtigen Gegner im Westen ringenden Wirtschaft erklärt. Schließlich wurde im März 1957 das Kohle- und Energieprogramm verkündet. Und was taten die Digedags? Die sonnten sich auf Südseeinseln in Gesellschaft exotischer Frauen, währenddessen Werktätige mit ehernen Muskeln und stahlblauem Blick Sonderschichten für den Sozialismus fuh­ren. Ausschlaggebend für die Bekeh­rung der Pflichtvergessenen war ein Sachverhalt, der die Zielgruppe des MOSAIK direkt anging: Es wurde letztlich bei einem Verlag herausgegeben, der auf die weltanschauliche Erziehung der jungen Generation der DDR eingeschworen war. Die Fluktuation nach dem Westen nahm im­mer gewaltigere Ausmaße an. So mußte die Jugend irgendwie zum Da­bleiben animiert und gleichzeitig schnellstmöglich auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereitet werden.

Die „originellste" Idee der Funktionäre war dazu die Einführung des sogenannten „polytechnischen Unterrichts". Wie der unglückliche Name schon sagt, sollten die Kinder und ju­gendlichen anstatt unnötigen Ballasts - wie Latein oder Griechisch - ein möglichst breitgefächertes Spektrum an direkt in der Produktion umsetzbarem Wissen vermittelt bekommen. Daß sich ein Parteitag - immerhin „höchstes Gremium" der SED - diesem Thema widmete, ist Zeichen für den Ernst der Lage in der „Hei­mat der Werktätigen". Aber alles kam noch unpopulärer: Ab dem 1. September 1958 wurde der „Unterrichtstag in der Produktion" eingeführt. Einmal wöchentlich wur­den nun Schulklassen auf die Felder der „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften" und in die Werkhallen der „Volkseigenen Be­triebe" geschickt. Dort schauten sie natürlich nicht nur zu. Nein, sie „durften" mitarbeiten. Die Beschäftigung im Schweinekoben oder an der Werkbank sollte nun immense Begei­sterung für einen späteren „nützlichen" Beruf wecken. Ob Kurt Barthels „Ich werde Inge­nieur" dazu angetan war, diese Frustpotentiale in konstruktive Bah­nen zu lenken, ist schon etwas zwei­felhaft: „Ich will Ingenieur werden. Ich werde Ingenieur. Mein Vater gehört zur privilegierten Schicht der DDR. Er ist Rohrschlosser." In dem bereits erwähnten Feierbuch fand dieses Poem deshalb Aufnahme, „weil der Fünfzeiler ein hervorragendes Beispiel dafür ist, wie mit wenigen Worten kindgemäß eine gesell­schaftliche Veränderung ausgedrückt werden kann". Und in solch heroischen Zeiten hatten Dig, Dag und Digedag nichts besseres zu tun, als am Mittelmeer Piraten zujagen und nicht standesgemäße antike Ehen zu stiften?

Schelte für die Pflichtvergessenen und ihre Mentoren wird es gehagelt haben! Schließlich konnten auch sie sich nicht mehr um ihren „kindgemä­ßen" Beitrag drücken. Diese Anforderung war dramaturgisch im MOSAIK nur mit einem erneuten Zeitsprung lösbar. Die Naturkata­strophe als deus ex machina hatte ih­ren Zweck erfüllt, nun mußte es per Raumschiff in andere Sphären gehen. Noch auf Malta beobachteten die Freunde einen über der Sahara nie­dergehenden vermeintlichen Meteor. Das Thema entbehrte nicht einmal aktueller Brisanz: Besonders in den fünfziger Jahren flammten Diskussionen um den 1908 in Sibirien nieder­gegangenen Tungusta-Meteor wieder auf. Vielfach wurde die These vertreten, es hätte sich um ein außerirdisches Raumfahrzeug mit Atomantrieb gehandelt, welches beim Auf­prall explodierte.

Wie wir sehen werden, wird diese Idee im MOSAIK weitergesponnen. Sinus Tangentus und die Digedags beschließen eine Expedition nach Nordafrika, und in Heft 25 reiten unsere Helden schon durch die Wüste. Natürlich wird erst einmal an Situationskomik genutzt, was herkömmlicher Klamauk hergibt: Dig läßt sich durch eine Fata Morgana einen See vorgaukeln und zerstört beim Sprung vom Kamel ins vermeintlich kühle Naß das Gelege eines Pfaus, der ihn in Windeseile davonträgt. Nicht nur der Schauplatz Wüste, sondern auch diese kleine Episode erinnern an Karl May: Allerdings bekommt im „Ver­mächtnis des Inka" ein dubioser Möchtegern-Mediziner Arger mit ei­nem Emu der Pampas. Schon immer hatte die Sahara die Phantasie der Schriftsteller angeregt. Das Zeitalter der kolonialen Expan­sion der europäischen Großmächte bot dazu reichlich Stoff. Der romanti­sche Freiligrath orakelte seinen Lö­wenritt, und der fernwehsüchtige May ließ einen seiner größten Erfolge dort beginnen. Vor allem aber Jules Verne dürfte die Schöpfer von Nummer 25 inspiriert haben. Schon 1877 war dessen Roman „Hector Servadacs Reise durch die Sonnenwelt" erschienen. In viele Sprachen übersetzt und immer wieder aufgelegt, wurde er sogar durch Karel Zeman unter dem Titel „Auf dem Kometen" verfilmt. Schon der Ausgangspunkt erinnert ans MOSAIK. Lassen wir einen deutschen Autor von 1910 dazu zu Wort kommen: „Die Geschichte ist höchst verzwickt. Sie stellt uns zunächst einen liebenswürdigen Zuavenkapitän Hektor Servadac vor, der mit seinem Bur­schen Ben-Zouf irgendwo an der Nordküste Algeriens topographische Messungen aufzunehmen hat. Am Ausgang eines schönen Sommerabends werden sie mitsamt ihrem Zelt plötzlich durch eine unsichtbare furchtbare Gewalt zu Boden ge­schleudert und betäubt, und als sie wieder erwachen, merken sie nach und nach, daß die Küste ihre Gestalt verändert, daß die Gesetze irdischer Schwerkraft sich verschoben haben, die Himmelsgegenden verwechselt sind, die Tagesdauer verkürzt wor­den ist. Was ist geschehen? O, etwas sehr Einfaches. Ein Komet hat die Erde gestreift und ein Stückchen von ihr abgerissen, und dieser Fetzen Erde kreist nun als selbständiges Gestirn im Weltenraum umher.' Verne gibt sich im „Hector Servadac" nicht mit seitenlangen naturwissenschaftlichen Erklärungen zu­frieden, sondern entwirft auch das Bild eines sozialen Mikrokosmos der zeitgenössischen französischen Ge­sellschaft seiner ultrapatriotischen, von antisemitischen und antideutschen Ressentiments nicht freien Vorstellungswelt: Der schneidige französische Offizier, der unvermeidliche etwas vertrottelte, aber herzensgute Gelehrte, der noch im Kosmos schachernde Jude etc. etc. Eine ähnliche Mischung aus Populärwissenschaft und Gesellschaftsutopie wird uns in den Heften der Neos-Serie begegnen. Gerade um die sogenannten Terrassen von Baalbek rankten sich immer wieder Vermutungen von SF-Autoren, die dort Startplätze der Außerirdischen vermuteten. Was liegt also näher, als die Digedags in dieser Region in die Tiefen des Alls entschweben zu lassen? Wie schon verraten, erweist sich der Meteor als Erkundungsrakete eines außerirdischen Raumschiffes, die Dig, Dag und Sinus Tangentus zum Mutterschiff bringt. Natürlich hat Entführung immer den Beige­schmack des Kriminellen. Die MOSAIK-Zeichner lösten das Problem, daß in dem Raumschiff doch eigentlich Vertreter eines positiv progressi­ven Staates fliegen, dadurch, daß die Sahararakete durch einen später ent­larvten feindlichen Agenten gelenkt wird.

Auch auf diesem Gebiet bleiben die Westen der Außerirdischen in Menschengestalt sauber. An Bord gibt es zunächst den üblichen Smalltalk bei der Begegnung verschiedener Zivili­sationen ä la „ich Tarzan, du Jane". Der stellvertretende Kommandant Bhur Yham übernimmt sofort die Rolle des Gurus. Mit ihm tritt eine Figur ins MOSAIK-Leben, die uns bis Nummer 73 begleiten wird. In seiner strahlend weißen Uniform verkörpert er in etwa den Idealtyp des „allseitig gebildeten sozialistischen Menschen". Immer weiß er Rat und ist in seiner Hilfsbereitschaft und Be­scheidenheit das personifizierte Verantwortungsgefühl. Wie wir noch sehen werden, ist er fast etwas zu gutmütig: Er vertraut einmal dem Ehrenwort eines Klassenfeindes, der diese Dämlichkeit auch prompt mißbraucht. Doch davon später.
Das Privatleben Bhur Yhams er­scheint zunächst tadellos. In Heft 40 wird er den Digedags die sympathische Siria Kysur, die er auf seiner er­sten Weltraumexpedition mit ihnen kennengelernt hat, als seine nunmehrige Frau vorstellen. Doch für den aufmerksamen MOSAIK-Leser sei's schon angedeutet: Völlig krisenlos scheint auch diese Beziehung nicht zu funktionieren. Und darauf weist nicht nur der feh­lende Ehering - vielleicht kannte man auf dem Neos derartige Zierde nicht - hin. Als nämlich Bhur in Heft 45 mit einem neuen Schiff - nunmehr zum Kapitän avanciert - zu einer mehrjährigen Reise ins All an­tritt, ist sie nicht mal am Start, ge­schweige denn in der Mannschaft zu finden. Gegenüber den Digedags nimmt Bhur später Oberlehrerallüren an. An Humor gebricht es ihm völlig. Leider werden wir nie erfahren, ob dies alles auf eine Ehekrise zurückzu­führen ist. Denn im Dezemberheft 1962 kommt es zum offenen Bruch mit Dig und Dag, die daraufhin zur Erde zurückkehren. Aber zunächst ist er noch ganz der liebe Onkel, der den etwas beschränkten interplane­taren Verwandten aus der Antike den Stand des, wie wir sehen werden, zwanzigsten DDR-Jahrhunderts nahebringen darf. Vom Rückstoßprinzip bis zum Aufbau einer modernen Rakete - er muß bei seinen Zuhörern ja stets mit einer Tabula Rasa rech­nen - wird allerlei vermittelt. Und der Neuigkeiten für die drei Erd­linde nicht genug, geht's gleich noch zum Mond. Damit waren die Dige­dags sogar dem sowjetischen Raum­fahrtprogramm voraus.

Heft 25 erschien im Dezember 1958, und am 2. Januar 1959 startete die er­ste Rakete der UdSSR zum Erdtra­banten. Wieder bietet vermutlich Ju­les Verne mit seiner „Reise von der Erde zum Mond" die ideelle Vorlage. Ließ dieser das Geschoß allerdings nicht landen - er fürchtete um die Authentizität der Story-, so können sich das unsere Freunde mit dem Wissensstand von 1958 schon leisten. Ein Bonbon für alle Cineasten bietet die Doppelseite 14/15 des erwähnten Heftes: Eine Szene wie direkt aus dem Fritz-Lang-Stummfilmklassiker von 1929„ Frau im Mond". Sogar die Form des Weltraumschiffes scheint dem UFA-Vorbild nachempfunden. Ebenso tapfer wie dazumal Willy Fritsch und Gustaf von Wangenheim bewähren sich unsere Space-Newcomer in dramatischer Aktion. Sie ret­ten den Sympathieträger Bhur Yham aus tödlicher Gefahr. Dabei wird ver­deutlicht, wie Gut und Böse verteilt sind - sofern man es noch nicht an der gebrochenen Nase Peer Tylas, des Raumschiffkommandanten, erkannt hat. Währenddessen nämlich die Di­gedags und Sinus noch den bewußtlosen Bhur Yham auf dem Mond ber­gen, will er starten. Nur das beherzte Eingreifen eines Besatzungsmitglie­des verhindert die Katastrophe. Um das Handeln Tylas zu verstehen, macht sich ein Einschub notwendig: Das Raumschiff, auf dem die Dige­dags gelandet sind, ist ein Spitzen­produkt des Neos-Staates Republika­nische Union. Dig erklärt bei der morgendlichen Wäsche Dag kurz und präzise die politische Lage auf dem Neos, Bhur Yhams und Peer Tylas Heimatplaneten. Dag: „Eigentlich ist es komisch, daß es auf dem Neos nur zwei Staaten gibt, die Republikanische Union und das Großneonische Reich, wenn man bedenkt, in wie viele Länder die Erde zerrissen ist." Darauf Dig: „Früher war es auf dem Neos auch so, hat mir Bhur Yham erzählt. Aber nach und nach haben sich die kleineren Länder freiwillig zu einer Union zusammen­geschlossen, während das Großneo­nische Reich sein Gebiet durch Krieg erobert hat und noch immer mehr vergrößern will." Nun weiß jeder Leser Bescheid: Union assoziiert ja ohnehin den gro­ßen Bruder im Osten, und mit einem großneo..., pardon, großdeutschen Reich hatte man seine Erfahrungen. Interessant die Gedankenkette: Auf dem Neos ist die wissenschaftlich­technische Entwicklung der Erde je­weils um einige Jahre voraus. Gegen Ende der fünfziger Jahre träumte so mancher Ideologe vom baldigen Wegfall der Grenzen zwischen den Staaten Osteuropas. Wie idyllisch sich „freiwillige" Zusammenschlüsse in der Geschichte der UdSSR gestal­teten, beweist allein das Schicksal des Baltikums. Aber davon sprachen nur die lügenhafte Westpresse und einige vom Kapital ausgehaltene Pseudohi­storiker. Und natürlich das Gegenstück zur Heimat der Edlen: Das tatsächliche großdeutsche Reich war ja bereits vor Jahren zur Hölle gefahren. Also ist leicht erkennbar, daß die ka­pitalistischen Staaten - allen voran die USA und die BRD als quasi Rein­karnation der Hitlerbarbarei - das Vorbild fürs Großneonische Reich des Bösen liefern. Wichtige Grund­aussagen werden uns schon im ersten Zukunftsabenteuer der Digedags ver­klickert: So verfügt die Republikani­sche Union über das modernste Weltraumschiff des Universums. Das Großneonische Reich hat es leider vermocht, einen der seinen zu dessen Kommandanten wählen zu lassen. Damit nicht genug, läßt es einen sei­ner Raumkreuzer die sozialistische „Orion" verfolgen, um sie in seine Gewalt zu bekommen. Natürlich hoffnungslos veraltet, ge­rät die Piratenschüssel infolge Me­teoriten in akute Not. Um seinen Auf­traggebern zur Hilfe zu eilen, befiehlt Tyla wie bekannt den Start ohne Rücksicht auf seine Passagiere und den guten Bhur, der ihm ohnehin ein Dorn im Agentenauge ist. Und nun zeigt sich der Edelmut eines republikanischen Offiziers in ergrei­fender Schlichtheit: Anstelle des we­gen seines vermuteten Raumkollers ins Reich der Träume expedierten Tyla ordnet der aus seiner Ohnmacht erwachende Bhur Yham die Ret­tungsaktion an. Im Glanze derartiger Taten sonnten sich die sozialistischen Staaten stets gern: Gleich ob der so­wjetische Eisbrecher „Krassin" 1928 Nobiles Luftschiffbesatzung oder, eine Nummer kleiner, DDR-Küstenschutzboote westdeutsche Fischer vor dem kalten bzw. nassen Tod ret­teten - immer wurde lautstark die Priorität des Humanismus über den Klassengegensatz propagiert.

Heft 26 führt nun vor, was solche Gefühls­duselei letztendlich einbringt. Gleich die ersten Seiten erklären, was man von der anderen Seite zu erwar­ten hat. Ihre Kluft mutet wie eine Mi­schung aus den Uniformen der Waf­fen-SS und des Panzerkorps der Wehrmacht an. Einer der düsteren Typen trägt Rollkragenpullover und Mütze der U-Boot-Besatzungen der deutschen Kriegsmarine des 2. Welt­krieges. Schwarze Bärte und stechen­der Blick verstärken das Himmler­-Image, einer trägt gar Mussolinis Züge. Ihre Namen klingen im besten Falle skandinavisch, in der Mehrzahl jedoch einfach lächerlich: Wash Lap, Pam Padd u. ä. Einige haben sogar grünliche Haut. Das - und nur das - störte die Zensoren. Es wäre Rassendiskriminierung! Den faschistoiden Polizistentypen sind passende Frauen zugeordnet: spitzbusige Blusen, knallenge Hosen im geächteten Jeansschnitt, oft rothaarig-verkom­mene Produkte einer dekadenten Welt eben. Welch Gegensatz zu der stets adretten Siria Kysur! Die leicht als kriminell einstufbare Bande setzt ihr Gefährt auf dem Mars im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand. Schon nahen die Retter. Sogar im Raumanzug sind die Par­teien zu unterscheiden: Silbergrau mit überdimensionalem Sichtfenster der gesellschaftliche Fortschritt, rost­rot mit schwerfälligen Verbindungs­elementen die intergalaktische Reak­tion. Während die Guten noch dabei sind, das Raumschiff ihrer Feinde flott zu bekommen, stehlen sich die bösen Buben zur - bis auf die Dige­dags - verwaisten Republikaner­arche. Doch unsere Helden sind helle, und alles endet mit einem - mosaik­typisch völlig unblutigen - Triumph der Weißuniformierten. Wie geprü­gelte Hunde nehmen dagegen die Niederträchtigen Kurs auf den Neos. Auf der Rückseite von Heft 26 wird dem Leser Wissenswertes über die Milchstraße vermittelt. Doch es ist an der Zeit, uns mit einem Phänomen vertraut zu machen, welches uns bis zum Abschluß der Neos-Serie im Juli 1960 begleiten wird. In der DDR-Presselandschaft fehlte es natürlich permanent an graphischen Vorlagen mit SF-Motiven. Deshalb griffen die Leute vom MOSAIK zu Westillu­strationen und wurden mit der Zeit­schrift „Hobby - Das Magazin der Technik" fündig. Über den Ostberliner Polizeipräsi­denten verschaffte man sich schließ­lich sogar Zugang zu den Lagerräu­men mit beschlagnahmter Westlite­ratur, so daß ein steter Überblick v. a. über die Comicszene gegeben war. Zum Beispiel präsentiert Bhur Yham den staunenden Digedags ein Buch über die Anfänge der Weltraumfahrt - also den Stand der frühen sechziger Jahre. Wie hätte aber erst der arglose DDR-­Leser gestaunt, wenn er erfahren hätte, daß die geschilderten Gefahren des Weltraumfluges haarklein einer Westzeitschrift-besagter „Hobby" - entnommen waren!

Klick & Zoom Staatsbürgerkundemäßig streng geht es in Heft 27 „Die neue Sonne" zu. Das Raumschiff landet auf dem Nucleon, einem durch den Atomkrieg verwüsteten Planeten. Aber die rechte Sühne für den „Mißbrauch" der Westzeitschrift in den vorhergehenden Heften kommt nicht auf: Denn jetzt müssen wahrscheinlich sogar zwei Nummern für den naturwissenschaftlichen Part des MOSAIK-Heftes herhalten.
Aufgrund einer verlöschenden Sonne vereist der angesteuerte Planet von den Polklappen her. Doppelt gestraft - mit Radioaktivität und Eiszeit - hätten die nun nicht mehr lebenden Bewohner des Nucleon, Erlösung in rechtzeitiger Hobby-Lektüre gefunden: In Hobby 4/1958 stand Wissenswertes über die „friedliche Eroberung des 6. Kontinents", und die Juniausgabe informierte über die friedliche Nutzung der Kernfusion.
Mit der bis heute nicht gebannten Gefahr des atomaren Holocaust brachten die Künstler des MOSAIK ein in den Zeiten des kalten Krieges permanent aktuelles Thema zur Sprache: Ohne Überlebende zerstört der Kerntod eine hoch entwickelte Zivilisation. Die Story traf vor dem Hintergrund der Diskussion um die Atombewaffnung der Bundeswehr und die „Kampf dem Atomtod"-Bewegung den Nerv der Zeit - leider nur aus dem Blickwinkel der „Partei der Arbeiterklasse". Während in DDR-Lesart „die Staaten des War­schauer Vertrages ... ihren auf Entspannung und Friedenssicherung gerichteten außenpolitischen Kurs ... offensiv" fortsetzten, drängten natürlich Nato-Militärs und Großindustrielle zur offenen Systemkonfrontation.
Auf dem Nucleon wird nun das Versagen bürgerlicher Intellektueller, die nicht in die Reihen des Fortschritts finden, anschaulich durchexerziert. Ein bereuender Physiker, dessen Testament die Digedags finden, heißt auch bezeichnenderweise „Prof. Dr. Ingstorn". Aber es konnte ohnehin auf diesen Planeten nicht gut gehen. Denn im Gegensatz zu Erde und Neos fehlten staatlich organisierte Kräfte des Friedens wie eben Sowjet- oder Republikanische Union.
Von den sich konträr gegenüberstehenden quasi kapitalistischen Staaten konnte man den Willen zur Vermeidung der Konfrontation nicht erwarten. Gleich erklärt Staatsbürgerkundelehrer Bhur Yham, wie sich schlichte Gemüter das Funktionieren einer Börse vorstellen sollten: „Da drüben sehen Sie die Börse. Von hier aus wurde die ganze Wirtschaft des Landes gelenkt. Ich möchte Ihnen einmal zeigen, wie das vor sich ging. Damals standen hier um die Mittags­zeit Hunderte von Geschäftsleuten, und mancher von ihnen hat innerhalb von zwei Stunden ein Vermögen verdient..." Dienstbeflissen fügt der begleitende Offizier hinzu: ,,... oder auch verloren, Bhur Yham, das ging genau so schnell. Gut, daß es diese Einrichtung bei uns nicht mehr gibt. In unserer Republik kann nie­mand ohne Arbeit Geld verdienen." Ob der Segnungen der Planwirtschaft aufatmend, konnte der Zeitgenosse Leser nun noch verfolgen, wie die Zivilisationsboten vom Neos das Testament Ingstorns erfüllen: Sie schenken dem Nucleon die von ihm entwickelte künstliche Sonne und hoffen, daß unter dieser das ausgesetzte Hausgetier wächst und gedeiht. Auch ein bordinterner Kriminalfall wird von der Hobbydetektivin Siria mit Bravour gelöst: Peer Tyla wird mittels Fingerabdrücken auf einem Tresorschlüssel überführt, auf dem Mars die Pläne des ihm anvertrauten Raumschiffes an die Sendboten der Hölle übergeben zu haben.

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Mosaik von Hannes Hegen Nr. 27, S.10

Klick & Zoom die Abbildung So kann Heft 28 mit dem Prozeß gegen den Agenten einsetzen. Das alles paßte so recht in die Hysterie der fünfziger Jahre. In diversen Heftchenreihen der DDR klauten gekaufte Subjekte ständig irgendwelche hochwichtigen Unterlagen von technischen Projekten und Erfindungen, um sie für einen Judaslohn an die aufs Ost-Know-how dringend angewiese­nen Westkonzerne zu verscheuern. Stellt sich die Szenerie im MOSAIK als Tribunal von Ehrenmännern über einen schurkischen Halunken dar, so läuft einem heutigen Betrach­ter beim Gedanken an die Gesin­nungsprozesse jener Zeit mit ihren meist gnadenlosen Urteilen ein kalter Schauer über den Rücken. Anstelle des dort obligaten Ulbrichtbildes ziert der übrigens nie namentlich erwähnte Staatsführer der Republikanischen Union die Wand über dem Richtertisch. Auffällig, daß das Konterfei keine europäischen Züge trägt. So sollte wohl nochmals prononciert auf die völkerverbindende Kraft einer sozialistischen Staatengemeinschaft ohne Rassen- oder Nationalitätenprobleme hingewiesen werden. Trotz der Infamie des Verbrechens walten die dem Hauptankläger Bhur Yham beisitzenden Schöffen gütig lächelnd und gerecht ihres schweren Amtes.
Greifen wir der Handlung vor: Wenig später werden die Digedags, als der Spionage für die Union verdächtigt, einem großneonischen Offizier vorgeführt. Kein Attribut diktatorischen Machtmißbrauchs wurde da ausgespart: An der Stelle, wo bei eben erwähntem Prozeß der Lenker des arbeitenden Volkes zivil vor sich hinschaut, hängt dort das Bildnis eines feisten Militärs. Aus graphischer Sicht fällt allerdings ins Auge, daß das fette Gesicht in seinen Proportionen an Picassos Malerei erinnert. Sollte das der Leser nun als Hinweis auf die verdammende Kraft progressiver Kunst- „Guernica" war in der DDR jedem Schulkind ein Begriff - oder als Verurteilung formalistischer Tendenzen werten? Neben dem Bild eine Erdkugel wie im„ Großen Diktator". Einem mageren schwarzen Polizeihund spritzt in Erwartung des Digedagmenüs der Geifer. Aber zurück zum Raumschiff: Bhur Yham hat inzwischen provisorisch die Führung in die Hand genommen. Dieses Grundmuster war und ist uns ja aus der Nachkriegszeit bis in die jüngste Ge­schichte von der Tschechoslowakei bis Afghanistan vertraut. Schweren Herzens übernimmt ein Volkstribun die Macht aus den Händen einer unwürdigen Bande von Volksfeinden. Natürlich mißbraucht der auf Ehren­wort auf freien Fuß gesetzte Tyla Bhur Yhams Vertrauen und flieht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zur Raumstation seiner Auftraggeber. Doch zunächst erscheint auf einem Monitor das goldglänzende Parade­pferd fortschrittlichen Erfindungsgeistes. Wie eine Sonne taucht es, alle Phantasien des pinselnden sowjetischen Raumfahrers Leonow in den Schatten stellend, aus den Tiefen des Alls auf: Die Raumstation der Republikanischen Union. Da vermag es den Fan schon etwas zu ernüchtern, daß das Modell dafür dem „Hobby"-Artikel „Was wollen wir im Weltraum" entliehen scheint. Für die Digedags gibt es kein Halten, als sie von der Flucht des ehemaligen Kommandanten erfahren. Sie rasen dem Entkommenen per Raumtaxi hinterher. Und wie ein Ungetüm aus überdimensionalisierten Bockwürsten mit spritzenförmigen, was sonst, Spionageantennen erscheint die feindliche Raumstation, das Ziel des Agenten. Sie wurde ganz offensichtlich später als ihr Gegenstück in Betrieb genommen, denn: „Die scheinen noch mitten in der Arbeit zu stecken. Es schwirren noch allerhand Bauteile umher." Die Digedags werden erwischt, und man führt sie in der vorab geschilderten Szene vor den Oberbefehlshaber der Station. Will er sie zunächst ins All schießen, so läßt er sich letztlich überzeugen, sie als Köder für den Fang des dritten Irdischen, Sinus, zu mißbrauchen. Doch dieser Menschenraub scheitert an der Wach­samkeit der Gegenseite. Und nun kommt es zu dem dazumal durch Vertreter der Obrigkeit streng kriti­sierten „Star-War" -Jahrzehnte vor Skywalkers Kampfeinsätzen. 40 Die Entführer samt Opfer verwickeln einen verfolgenden Jagdflieger in einen Luftkampf und werden abgeschossen. Derartige Spektakel waren auf der Erde zur Zeit des kalten Krieges nichts, außergewöhnliches, aber eben in ei­nem Presseorgan für Kinder und jugendliche nicht angebracht. In der DDR mußte Wolfgang Schreyer mit dem „Traum des Hauptmann Loy" solcherart mißglückte Luftspionage belletristisch umsetzen. Der DDR-Fernsehfunk bastelte daraus sogar eine Verfilmung zurecht. Mit dem ähnliche Themen ansprechenden Hollywoodspektakel „Düsenjäger" setzte der Finanzgewaltige Hughes trotz John Wayne als Air-Force-Pilot Millionen Dollar in den Sand. Dieser Luftkampf war also weder im Comic noch in der Realität zu weit hergeholt. Jedenfalls muß der Flieger mit Agenten samt Digedags und Sinus auf dem Territorium der Republikanischen Union notlanden, so daß wir uns im April 1959 endlich auf dem Neos befinden.
Wollte man dem Leser sugge­rieren, daß dieser Planet im Grunde nur eine modifizierte Erde sei, so er­weist er sich in Wirklichkeit auch und besonders als Spielwiese kurioser technisch-utopischer Phantasien zu­kunftsbegeisterter Westautoren aus der Zeitschrift „Hobby". Übrigens spielen alle Geschichten ausschließlich in der Republikani­schen Union, wo der Fortschritt stän­dige Triumphe feiert. Im reizenden Kontrast zu dieser Pseudo-Modernität steht das Fünfzigerjahre-Am­biente ihrer Nutzer. Betrachten wir uns nur die ersten Seiten des Neos-­Abenteuers. Ausgerechnet „die Geisterstraßen von Nebraska" mußten herhalten, um dem gläubigen Leser zu demonstrieren, daß in wenigen Jahren Autos automatisch durch die Gegend rollen werden, währenddes­sen der Fahrer Zeitung liest. Neos-Bürger in einem solchen für uns Smoggeschädigte heute erst recht Traumauto fahren ins wohlverdiente Wochenende. Sind Vater und Mutter noch recht unauffällig im Stil der Fünf­ziger verpackt, so müssen Onkel und Tante eine lächerliche Tracht mit Melone, Kneifer und breitrandigem Hut spazieren führen. Ganz schlimm die Garderobe der Kinder. Nach dem Motto des alten Lutz-Jahoda-DDR­-Schlagers vom Tirolerhut müssen sie in einer Art Heidi-Tracht flanieren. Es steht zu vermuten, daß Hegens spätere Frau ihrem humoristischen Affen kräftig Zucker gab. Doch schon brechen die Unter­schlupf suchenden Weltraumgang­ster in diese heile Kleinbürgerwelt. Nachdem sie der badenden Familie die beschriebenen Sachen gestohlen haben - einer der Agenten wirkt in Frauenkleidern wie Jack Lemmon in „Manche mögens heiß" -, finden sie erstes Asyl bei einem Kaffeekränz­chen in der Wohnstube voller Stuck und Nippes. Doch da ist ihres Blei­bens nicht lange. Ihr Ziel ist die Hauptstadt: „... zu Mac Gips. Das ist unser Mittelsmann. Der muß uns über die Grenze helfen." Aha - Hauptstadt, Grenze - wir sind mitten in Ostberlin. Umgestiegen wird am Zentralkreuz - in Berlin heißt das Ostkreuz. Schon setzt man wieder zum ideologischen Rundumschlag an. Der Hauptspion heißt Mac Gips, der sich als „Bildhauer, der diese ulkigen Gebilde knetet, die ihm niemand abkaufen will", tarnt. Na also: Gerade hatte man im März 1956 „die Herausbildung einer sozia­listischen deutschen Nationalkultur" beschlossen und auf einer Kul­turkonferenz im Oktober 1957 der DDR-Bevölkerung sogar „Heiterkeit und Vergnügen" zugestanden. Doch allzuviel enttäuschte Künstler beschritten anstatt Bitterfelder lieber Hamburger, Pariser oder New Yorker Wege. Der Formalismusstreit - eigentlich eine Inquisition für Krea­tive - stand in voller Blüte. Alles, was nicht das Leben der Arbei­ter und Bauern entsprechend ge­schönt fotografisch genau abbildete, war in Gefahr, von einer obrigkeits­hörigen Kulturkamarilla verfemt zu werden. Propagiertes Ideal wurde immer mehr eine verkitschte Pseudo­romantik. Das MOSAIK illustriert die offizielle Meinung in einem lebenden Bild: Dig, Dag und Sinus werden von den bösen Agenten an die Figuren im Atelier von Mac Gips gefesselt. Und was steckte hinter - oder hier direkt in - dieser Art Kunst? Ein Funkgerät zur Verbindung mit dem Klassen­feind. Das Komplott wird von einem - wie einst Kisch -„rasenden Reporter" aufgedeckt und die Gefangenen von der Kunst, die Dig „schreckliches Magendrücken" bereitete, befreit - die Skulpturen werden zertrümmert. Auch eine Fleißaufgabe für eifrige MOSAIK-Fans: Ist ihnen schon ein­mal aufgefallen, daß der Meister­spion in Heft 29 andere Züge trägt als in folgenden Abenteuern? Kommt er im April 1959 noch dick mit Doppelkinn daher, so erleben wir ihn im März 1960 abgemagert, ger­tenschlank... Nach ihrer Befreiung müssen sich die Digedags erholen. Sie begeben sich auf eine Reise „durch ein Land, in dem der Mensch die Natur nach seinem Willen verän­dert hat".
Klick & Zoom die Abbildung Heft 30 führt dem entsetzten Green­peace-Anhänger von heute vor, was darunter verstanden wurde. Wie hieß es schaurig schön in einem bekannten Pionierlied: „Wir dringen in das Dunkel ein, verfolgen Ruf und Spur, und werden wir erst wissend sein, fügt sich uns die Natur..." An den Folgen solch göttlicher Fügung - auf der ganzen Welt - droht inzwischen die Natur zu verrecken. Aber damals war scheinbar noch alles in Ordnung: „Auf den Umschlagseiten (Heft 30, d. A.) seht ihr, wie mit Hilfe von Wis­senschaft und Technik die Natur um­gestaltet wurde." Und entsprechend sieht dann auch „davor" und „danach" aus. Eine wild­romantische Seelandschaft mit zerklüfteten Felsen und dunklen Wäl­dern mit Tieren in Freiheit wird zu ei­nem abstoßenden Industriegebiet voller Betonklötze, Silos und Pipeli­nes. Die Botschaft des Heftes „Der Stau­damm am schwarzen Fluß" kam nicht von ungefähr. Als Superprojekt der DDR-Energiewirtschaft war die Rappbode-Talsperre in Betrieb genommen worden, deren technische Details mit der Darstellung auf den Seiten 8 und 9 im MOSAIK überein­stimmen. Zum folgenden Credo des Heftes erübrigt sich angesichts der Vergewaltigung dieser bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts malerischen Harzlandschaft jegli­cher Kommentar: „Der Mensch ver­wandelt das Gesicht der Erde. Er ro­det Wälder und macht aus Wüsten fruchtbare Acker. Er gründet Städte und legt Straßen und Eisenbahnen durch die Landschaft. Er errichtet Stauwerke und nützt die Wasserkraft der Ströme. Leider, so wird man nun stöhnen, war diese Mischung aus Pawel-Kortschagin- und Homo-Faber-Mentali­tät nicht auf Osteuropa beschränkt. Doch im MOSAIK kommen die wahren Gefahren aus einer anderen als der ökologischen Ecke. Unser alter böser Freund Peer Tyla versucht nunmehr als Saboteur, ge­rade am Tag der Einweihung des Wasserkraftwerks, eine Bombe in der Dammkrone zu verstecken. Zu sprengende Staudämme sind für Comickünstler wohl ein beliebtes Thema. So widmete der geniale Schweizer Cosey, Erfinder des "Jonathan", dieser - da allerdings in Ka­nada angesiedelten - Thematik meh­rere Folgen seines Frühwerkes „Monfreyd & Tilbury". Vereitelt dort jedoch ein cleverer Mountain-Police-Reiter das Verbrechen, so schlägt hier die Arbeiterfaust erbarmungslos zu. Und wen hält die Arbeiterfaust am zarten Händchen - die Frau fürs Le­ben. Und so klingt ein Dialog zwischen Jungverheirateten anno 1959 im MOSAIK: „Hallo, Liebling, da bist du ja! Habe ich dich lange warten lassen?" „Nein, nein, Pepi, die paar Minuten nehme ich gern in Kauf." „Weißt du was, Putzi? Wir machen als erstes einen kleinen Spaziergang über die Staumauer." „Oh ja, Pepi! Hast du die ganz alleine gebaut?" „Kleines Närrchen, wo denkst Du hin?" Sparen wir uns den Rest. Das ist der eine Typ Frau, wie er im Neos-Sozia­lismus wandelt: Leicht beschränkte Stichwortgeberin für den weisen Gat­ten, die natürlich für Verspätungen und ähnliche Schwächen des Halb­gottes Verständnis zeigt. Dieses Bild stimmte so in der Realität der DDR bereits Ende der fünfziger Jahre nicht mehr. Längst waren Frauen in der DDR in die Produktion „eingegliedert" worden, die Vollbe­schäftigung beider Ehepartner nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Auch der Bildungsstand der weibli­chen Bevölkerung lag wohl weit über dem von„ Putzi". Der andere Frau­entyp wird uns zwei Hefte weiter be­gegnen. Doch zunächst beobachten wir trä­nenden Auges, wie für Sinus das Dolce Vita als herumgereichter Exot ein Ende nimmt: „Er will im Elektri­zitätswerk bleiben und dort Inge­nieur werden." Monate später tref­fen ihn die Digedags bei einer Fa­schingsfeier: Da hat er es schon ge­schafft, „leitender Ingenieur eines Elektrizitätswerkes"' zu werden. Auch privat schien ihm die Karriere gut zu bekommen: Stand er auf der Erde immer etwas betreten herum, so führt er inzwischen eine üppige „Maske in Gelb" zum Tanz. Von Hegens Team war seine Ent­wicklung als Anspielung an aktuelle Ereignisse gedacht: Auf dem Neos „machten wir ihn... zum Direktor ei­nes sterbenslangweiligen Elektrizi­tätswerkes. Das erschien uns damals als der Inbegriff eines verordneten Exils. Zur gleichen Zeit waren näm­lich in der Sowjetunion die Genossen Bulganin, Malenkow, Kaganowitsch und andere zu Direktoren von Kraft­werken und Zementfabriken im fer­nen Sibirien gemacht worden, nach­dem man sie entmachtet hatte."
Heft 31: Währenddessen sich Sinus Tangen­tus nun an Planvorgaben und Pro­duktionskennziffern berauschen darf, treffen wir die Digedags im Juni 1959 in Kreuzfahrtstimmung an Bord ei­nes Forschungsschiffes. Wahrschein­licher Anlaß für dieses Abenteuer waren die auf der Rückseite des Heftes beschriebenen Tiefseeforschungen des Schweizer Professors Auguste Piccard. Sogar das Tauchboot, mit dem das „Unternehmen Garnele" ge­startet wird, trägt am Rumpf als deut­licher Hinweis auf den Namen des Piccardschen U-Bootes „Bathyscaph" die Initialen „BS". Stereotype werden wieder einmal gründlichst strapaziert. Auf dem su­permodernen Forschungskahn herr­schen seltsamerweise die Gebräuche der „christlichen Seefahrt". Soziale Rangordnungen sind eindeutig defi­niert: Während der Schiffskoch den Kapitän mit „Sie" anspricht, wird er von diesem einfach geduzt. Ein Ringelnatztyp von Matrose befleißigt sich einer Art Pidgin-Plattdeutsch, und die Digedags sind den zweifel­haften Späßen einer Äquatortaufe ausgesetzt. Wesentlich interessanter als diese vorrangig an Situationskomik orien­tierten Szenen ist die Einführung des Intellektuellen, Meeresforscher Pro­fessor Schlick (!). Tadellos in Weste und Anzug er­kennt man in ihm sofort den Egg­Head - seine Stirn wölbt sich höher als einst Boris Karloffs obere Kopf­hälfte in „Frankenstein". Dafür trägt Professor Schluck, augenscheinlich ein Geodät, einen Kneifer und einen Einstein-Schnauzbart. Beide sind als Naturwissenschaftler nützliche Glie­der in der Kette Wissenschaft-Produktion und werden dementspre­chend - wenn auch mit leichten Makken vom Typ „zerstreuter Professor" - vorgeführt. Schlick hat sogar Be­fehlsgewalt auf dem Schiff. Bei einer Tauchfahrt wird das U-­Boot mit Schlick, den Digedags und dem Original Hein von einem Seebe­ben überrascht. Zum Glück befördert sie eine neuentstehende Insel wieder an die Meeresoberfläche. Der sie um­gebende Schlamm des Eilandes er­weist sich als heilkräftig.
Klick & Zoom die Abbildung Als im Heft 32 ein Blitz in einen mit dem Antirheumamittel gefüllten Eimer einschlägt, geschieht ein Wunder. Der Inhalt wird steinhart. Mit dem modernsten Tragflächen­boot, welches die Westgazette - aller­dings auf dem Gardasee - anzubieten hatte, rast man zum Festland, um das Phänomen im Laborversuch zu überprüfen. Jetzt wird im MOSAIK ein Fiesling besonderen Kalibers vorge­führt: Der Karrierist Dr. Knilch. Die Feinde der Forschung im Dienste des Volkes stehen also nicht nur direkt im Lager des Klassengegners. Kleinbürgerlicher Neid und Mißgunst verhindern ebenso die be­schleunigte Nutzung der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung. Und gerade, wo es um die Erprobung ei­nes eventuellen Aluminiumäquiva­lents, als das sich der Schlamm er­weist, geht. Doppelseitig wird näm­lich vorgestellt, wie zeit- und kosten­aufwendig normalerweise die Her­stellung dieses Leichtmetalls ist. Und nun ergibt sich die Möglichkeit, dies mit ein paar Stromstößen durch Schlammberge zu umgehen. Doch dieses gefährden zunächst die Intrigen des Ehepaars Knilch. Denn dem größenwahnsinnigen Dr. Knilch stellte die spätere Frau Hegen eine ihrer Kreationen zur Seite. Die dämonisch-vamphafte Schöne mit spit­zem Busen und ausladendem Hinter­teil füttert in großer Abendrobe die gegenüber fraulicher List arglosen Digedags krankenhausreif. Ihr Gatte hat inzwischen den Wun­derbrei im Labor mit ganz gewöhnli­chem Schlamm vertauscht. Damit mißlingt natürlich der Versuch vor einem wissenschaftlichen Gremium, und der ob des Spotts ausflippende Professor wird in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Dort wartet als scheinbar treusorgende Krankenschwester Frau Knilch, um Schlick den noch geheim­gehaltenen Fundort im Meer zu ent­locken. Das Bild der Psychiatrie im MOSAIK ist erschreckend: Vergit­terte Fenster in Knastatmosphäre mit einem Anstaltsleiter namens „Klaps". Aber damit kam man den damaligen Gegebenheiten in solchen Einrich­tungen unbewußt näher als durch die Skizzierung idyllischer Sanatoriums­atmosphäre. Dig und Dag schaffen es durch eine List - sie verkleiden sich als Krankenpfleger-, ihren verkann­ten Freund zu befreien. Als sie bei ei­nem Husarenstück zum Beweis der Richtigkeit der Schlick-Theorie gefaßt werden, liefert man sie in ein Ge­fängnis nach Art des Stammkittchens der Dalton-Brüder bei Lucky Luke ein. Aber eine Schilderung der Realität des DDR-Strafvollzuges wäre wohl nur um den Preis einer engeren Be­kanntschaft mit diesem möglich ge­worden. Letztlich klärt Professor Schlick mit Hilfe seines Freundes Schluck die In­trige auf, und das Metall wird zu Eh­ren der Streiter für Gerechtigkeit „Digedanium" getauft.
Zeigte eben beschriebene Nummer die Gefahren, die durch egoistisches Denken einzel­ner im Wettbewerb der Systeme dro­hen, so bevölkern Heft 33 wieder Scharen gefährlicher Subjekte aus der Welt des großneonischen Geheimdienstes. So treffen wir die Dige­dags im Hochsommer 1959 in der hit­zigen Atmosphäre eines Patentam­tes, wo neben allerlei kauzigen Typen auch Professor Schlick seine Entdeckung anmelden will. Ein zu vermutender Schabernack der MOSAIK-Künstler bestand in die­sem Heft darin, dem Direktor des Pa­tentamtes die Züge samt charakteri­stischer Zigarre Thomas Manns zu verpassen. Bei solcherlei loyalem Vorbild braucht ein ehrlicher Erfin­der natürlich nicht um sein Recht zu bangen - der immer noch tricksende Knilch muß geschlagen abziehen. Ein Erfinder schenkt den Digedags die von ihm entwickelte Symbiose aus Auto, Hubschrauber, Schiff und U-Boot, so daß sie kommende Aben­teuer über und unter Wasser erleben können. Und jetzt wird erklärt, wie sich der Klassengegner in kleinbür­gerliche Domänen einzuschleichen vermag. Ein Brieftaubenzüchterverein mißbraucht das harmlose Steckenpferd, um konspirative Nachrich­ten zu übermitteln, die Luft ist also in des Wortes wahrster Bedeutung wie­der einmal von Agentenhysterie ge­schwängert. Doch die Digedags sind auf dem Po­sten. Zur Gewährleistung gefahrloser Digedanium-Produktion läuft das Atomschiff „Gigant" (!) mit starker Polizeibewachung aus. Um die fried­liche Nutzung der Atomkraft dreht sich im übrigen das ganze Heft. Auf einer Doppelseite werden ein Atom­frachter und im Aufriß der dazu nö­tige Antriebsmechanismus vorge­stellt. Die Rückseite zieren das Bild eines Atomeisbrechers, eines noch zu konstruierenden Atomflugzeuges so­wie eines ebenfalls noch der techni­schen Umsetzung harrenden kernge­triebenen Personenzuges. Immer wieder verraten kleine Widersprü­che, wie unangenehm den MO­SAIK-Künstlern im Grunde das Verkünden politischer Botschaften war. Nie vergaß irgendein Zeitungs- ­oder Rundfunkkommentator der ver­flossenen DDR bei entsprechenden Anlässen, den Namen des sowjeti­schen Atomeisbrechers „W. 1. Lenin" zu erwähnen. Die Abbildung und der dazugehörige Text im MOSAIK verkneifen sich die Erwähnung des geheiligten Na­mens. Dafür trägt allerdings die Pro­paganda für das „von sowjetischen Ingenieuren projektierte Atomgroßflugzeug" wieder eine sehr einsei­tige Sichtweise in die Köpfe des Le­sers. Indem „Hobby"-Artikel von Manfred Jäger „Wer baut das erste Atomflugzeug", der gerade ein Jahr vor der Digedanium-Agentenjagd erschien, wurde natürlich dieses Modell auch vorgestellt. Aber da fun­gierte es noch gleichberechtigt neben einer Version von Lockheed. Zum Glück für die Menschheit wurde aus beiden atombeschweiften Ungeheuern nichts. Auch der anson­sten vielbeachtete Jules Verne war diesmal für die Atompropaganda des MOSAIK nicht so recht angebracht: 1958 war die „Nautilus", das erste Atom-U-Boot der Welt, von der US-Navy in Dienst gestellt worden, so daß eine der Verwirklichungen der genialen Träume des Franzosen von der - aus Ostsicht-falschen Seite re­klamiert worden war. Dort bemühte man sich mit spekta­kulären Polunterquerungen und einer betont zivilen Berichterstattung, die militärische Bedeutung dieser Entwicklung zu verschleiern. Natür­lich war das Vertrauen in allerlei Atombetriebenes nicht auf die DDR beschränkt: Gerade in Westdeutsch­ land erschienen dutzende populäre Abhandlungen zu diesem Thema. Doch die Digedags lassen solche Überlegungen kalt. Sie spüren ein als Luxusjacht -ja, der morbide Kapita­lismus - getarntes Schiff der Agenten auf, das dem „Gigant" heimlich ge­folgt ist und nun Proben des Grund­stoffes für die Digedanium-Erzeugung absaugt. Der Freund und Helfer aller Men­schen der Republikanischen Union, die Polizei, vereitelt den Buben­streich. Die Yacht wird gekapert und damit verhindert, daß die Schätze der Natur in Ausbeuterhände fallen. Doch es wird noch ein reichliches hal­bes Jahr vergehen, bis die Digedags die Republikanische Union von der Agentenplage befreit haben.
Im September 1959 ist dem Feind je­denfalls noch nicht die Puste ausge­gangen, so daß Digedanium noch im­mer als Geheimsache fungieren muß. Auffällig, daß die Bösen sich wieder im sehr deutschen Vereinsmilieu um­tun: diesmal ist's der Kegelklub. Au­ßerdem gerät diesmal das „Kneipen­milieu" ins Zwielicht. In Heft 34 (in Fan-Buch steht fälschlicherweise "35") er­liegt der Wirt der Kantine des digedaniumproduzierenden Betriebes den finanziellen Verlockungen des Gegners. Er soll auf Bitte eines Verbandsbruders einen bestimmten Kellner in seinem Restaurant anstel­len. Dieses verdächtige Vorhaben wird durch die transportbedingte Verwechslung der Fässer, in deren ei­nem der Spion versteckt ist, er­schwert. Die Suche nach dem Faß gestaltet sich zu einer Spritztour durch den spießigsten Alltag. Eine Möglichkeit, wo das Behältnis gelandet sein könnte, ist eine Hochzeitsfeier mit ge­plantem Bieranstich. Blättern wir Dreißig- oder Vierzigjährige doch einmal im familiären Fotoalbum. Überrascht werden wir feststellen, welche treffende Milieustudie der ja schließlich auch für uns wesentlich­sten Feier unserer damals noch ju­gendlich-dynamischen Eltern den Künstlern gelungen ist. Die Herren in Frack und Zylinder, die Braut mit Schleier und Jungfernkranz - nichts fehlt am Outfit der Spätfünf­ziger „Bis daß der Tod Euch schei­det"-Gemeinde. Schwere Buttercremetorten und ein mehrstöckiger Baumkuchen - die Freßwelle rollte auf Hochtouren - bringen die Tafel fast zum Zusam­menbrechen. Vergeblich ringt der Brautvater um Gehör für seine selbst­gedrechselten Verse zu Ehren des jungen Paares. Nachdem der verzweifelt Suchende bei der Feier ein gehöriges Chaos an­gerichtet hat und einen altersschwa­chen Flußdampfer zum Stranden brachte, findet sich das Faß samt ver­dächtigem Inhalt schließlich in einer ob eines spannenden Radrennens verwaisten „Sportklause". Auch da der reale Hintergrund: Seit 1954 er­freute sich in der DDR und in den an­deren Ländern Osteuropas die „In­ternationale Friedensfahrt", als ideo­logisch verbrämtes Gegenstück zum Profirennsport des Westens ins Le­ben gerufen, wachsender Beliebtheit. Täve Schur - Toursieger 1958 - und Klaus Ampler - dessen Sohn inzwi­schen im Profizirkus mitmischt - hie­ßen die Heroen der Pedale unserer Väter. Die Fahrt war hochpolitisch angebunden. Ab und an teilneh­mende Fahrer aus dem Westen wa­ren als tatsächliche Amateure fast chancenlos. Die Siegerriege stellten in schöner Abwechslung die DDR, die Sowjetunion, die CSSR oder „Volkspolen". Des Weltbürger Pi­cassos Friedenstaube konnte sich nicht dagegen wehren, als Symbol herzuhalten, wenn dieser Part aus dem Theaterstück „Brot und Spiele" Begeisterung für eine in der Realität nie realisierte Völkerfreundschaft ze­lebrierte. Das Interesse an der Frie­densfahrt, das in der ersten Hälfte der sechziger Jahre seinen Kulminations­punkt erreichte, flaute in den siebziger und achtziger Jahren in der Bevölke­rung merklich ab. Doch da zogen Dig und Dag schon längst durchs Mittelal­ter und den Wilden Westen. In unserer Handlung sind sie, nach­dem sie der Siegerehrung von besag­tem Radrennen beigewohnt haben,. wieder in die Digedanium-Fabrik, wo die Qualität des neuen Metalls gete­stet wird, zurückgekehrt. Diese Fa­brik ist das Neos-Duplikat der seiner­zeit modernsten Verhüttungsanlage der DDR, was auch gleich auf einem doppelseitigen Mittelbild präsentiert wird. Um dieses riesige Industrie­gelände war dazumal die erste„ so­zialistische Stadt" der DDR - dokumentiert durch das Fehlen einer Kirche - als zunächst Stalin-, später Eisenhüttenstadt entstanden. Geführt und angeleitet durch Profes­sor Schlick, haben nun auch die Dige­dags in zünftiger Arbeitskluft mit schützender Kopfbedeckung ihren „Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion". Interessant die graphi­sche Umsetzung bei der Erläuterung der Stahlherstellung: Die Figuren wur­den in reale Fotos hineinmontiert. Und diese Technik hat ja Methode: Bei Dis­ney wandeln altjüngferliche Feen über gemalte schornsteinreiche Londoner Dächer, bei Hegen amüsieren sich die Werktätigen eben am Hochofen. So wurde jeder Schein märchenhafter Illusion in der Volkswirtschaft tun­lichst vermieden. Der Rest der Geschichte ist banal und unterscheidet sich kaum vom klassenbewußten Happyend des voran­gegangenen Abenteuers. Dig und Dag entlarven den Digedanium-Proben hortenden Schurken, und der „Werkschutz" waltet seines Amtes. Unterschwellig wird noch ein Stück gesunder Lebensweise gepredigt: Die Digedags erklären sich als über­zeugte Antialkoholiker und Nicht­raucher. Der Westspion dagegen lechzt nach vermeintlich gelungener Tat - er hat sich echte Papiere ver­schafft - nach einem Bier und raucht zügellos. Kein Alkohol, kein Nikotin, sexuelle Abstinenz - ein derartig as­ketischer Lebenswandel war wahr­scheinlich die Ursache für die ewige Jugend der Digedags von der Antike bis in den Wilden Westen.
Im näch­sten Heft erholen sie sich von den Strapazen der Agentenjagd bei der "großen Flugschau". Das MOSAIK erhob sich für ein ganzes Quartal in die Lüfte. Wie erwähnt war mit Hilfe der UdSSR in der DDR ein ehrgeizi­ges Luftfahrtprogramm eingeleitet worden; aber schon Ende der fünfzi­ger Jahre stellten die maßgeblichen Stellen fest, daß man sich damit völlig übernommen hatte. Doch im MO­SAIK ist die Welt noch in Ordnung. „Professor Schlick möchte die Dige­dags mit seinem Freund Tonio Turbo bekannt machen. Turbo ist der Chef­pilot eines Flugzeugwerkes und soll den Digedags zeigen, wie aus dem in­zwischen erprobten Digedanium Flugzeuge gebaut werden. Der Name „Turbo" assoziiert natürlich den Ge­danken an Turbo-Prop-Flugzeuge. Der Flieger ist ein junger Mann mit Frau und zwei Kindern. Sein südländisches Äußeres, das an Harry Bela­fonte erinnert, unterstreicht die Mul­tinationalität der Republikanischen Neos-Sowjetunion. Mit den Kindern freunden sich die Digedags schnell an. Anläßlich des bevorstehenden Flugtages hat Tur­bos Nachwuchs nämlich aus Vaters Angelruten das maßstabgetreue Mo­dell eines mittelalterlichen chinesi­schen Flugdrachens gebastelt. Dieses frühe Luftfahrzeug faszinierte die MOSAIK-Crew dermaßen, daß sie im Mai 1969 erneut darauf zurückkamen. Erfahrene Leser und ausge­sprochene Fans wissen natürlich Be­scheid: In Heft 150 rüsten Ritter Runkel von Rübenstein und die mit ihm verbündeten Bauern zum „Sturm auf die Kuckucksburg". Digedag, der viele Jahre am Hofe Kublai Khans lebte, konstruiert mit Hilfe eines Alchimisten einen solchen Drachen und überwindet so mit sei­nen beiden Gefährten die steilen Zin­nen des Raubritterhorstes. Doch fünf MOSAIK Jahrgänge frü­her geht es auf dem Neos weniger martialisch zu. Turbo führt seine Gäste in das Flugzeugwerk. Ein an das Emblem der Lufthansa der DDR gemahnendes Riesensymbol schmückt die Hauswand des Kon­struktionsbüros. Im Gebäude be­kommt das MOSAIK plötzlich einen unerwartet militärischen Anstrich. Auf einem „Reißbrett entsteht grade ein Strahljäger für unsere Luftverteidigung. Und wie es der Zufall will, handelt es sich dabei um eine MIG-17. Mit diesem leistungsfähigen Jagdflugzeug, das über Jahre hinweg in den Konflikten des Nahen Ostens und Südostasiens seine Eben­bürtigkeit mit amerikanischen Typen unter Beweis stellte, war die Nationale Volksarmee der DDR im Sep­tember 1957 ausgerüstet worden. Und Dig bekommt auf einmal glän­zende Augen angesichts solch schim­mernder Wehr. „Schneidige Kiste. Fliegen Sie die auch ein, Herr Turbo?" Und da war es gerade an­derthalb Jahrzehnte her, daß für „halbe" Kinder solch „schneidige Ki­sten" zu fliegenden Särgen wurden. Und weil's so schön war, ist es den plötzlich fürs Luftsoldatenhandwerk Entbrannten vergönnt, einen Blick in die Montagehalle der Silbervögel zu werfen. Etwas ziviler gehts zum Glück weiter. In einem Büro bastelt der Werkdirektor an einem Modell des Fluggerätes, mit dem der Schnei­der von Ulm in die Donau stürzte. Immerhin ließ denn kein geringerer als Bert Brecht dem Unglücklichen in ei­nem Gedicht Ehre angedeihen. Auch eine Parodie auf die fliegenden Un­tertassen fehlt nicht, ehe eine Parade prächtiger historischer Modelle das Fest der Flugbegeisterten eröffnet. Unter der Überschrift „Drahtkom­moden, Wellblechvögel, Himmels­stürmer" hatte Otto Merck etwa ein Jahr vor Erscheinen dieses Heftes all die historischen Flugapparate in „Hobby" vorgestellt, die nun hier präsentiert werden. Angesichts von deren oft skurrilen Formen fühlt man sich tatsächlich etwas an das einfüh­rende Kapitel in Umberto Ecks Roman „Das Focaultsche Pendel" erinnert. Aber bei einer Blaskapelle und staunenden Zuschauern vermag sich dieses düstere Gefühl nicht durchzu­setzen. Eine von Leonardo da Vinci konstru­ierte und in dieser Nummer nur in ih­rer historischen Form gezeigte hub­schrauberähnliche Konstruktion probieren die Digedags in Heft 88 so­gar im Flug aus. Kommt man um das erste Ganzmetallflugzeug von Junkers als unverzichtbares Kettenglied der Vorläufer moderner Flugtechnik nicht herum, so werden Herkunfts­land und Konstrukteur schamvoll verschwiegen. Gerade die wider­sprüchliche Persönlichkeit Professor Junkers erfuhr in der DDR keine an­gemessene Wertung. Zu einem eben­falls abgebildeten Zeppelinmodell fehlt wohl aus politischen Erwägun­gen jeglicher Kommentar. Auch das Wissen um die Nationalität der Brüder Wright wird beim Lesen voraus­gesetzt. Nicht vergessen wurde dafür zu erwähnen, daß "1881 ... dem rus­sischen Kapitän Moshaiski das Patent für eine motorgetriebene Flugmaschine erteilt" wurde. Das Modell der Kinder Turbos findet - wie sonst (die Beziehungen zur Volksrepublik China waren noch recht ungetrübt) - bei der Jury zur Kür der besten Idee größten Gefal­len. Der erste Preis, übrigens ein in „Hobby" vorgestelltes österreichisches Sportflugzeug JoB-5, geht an den Turbo-Nachwuchs, der ihn ob flugbehindernder Minderjährigkeit den Digedags verehrt. Noch in Heft 35 deutet sich der im fol­genden Abenteuer ausgetragene ein­zige ernsthafte Konflikt zwischen Dig und Dag an.
Ausgerechnet der UFA-­Schinken "Quax der Bruchpilot" bildet wahrscheinlich die Vorlage für die Rahmenhandlung von Nr. 36. Der Bruchpilot heißt hier allerdings Heini und trägt unverkennbar die Züge des jungen Hans Rühmann [gemeint ist: Heinz Rühmann]. Die Handlung setzt in einer sogenannten Fliegerschule ein. Leider wurde die jugendliche Begeisterung fürs Fliegen in der DDR mit ähnli­chen Methoden gefördert und ge­nutzt wie im Dritten Reich. In der pa­ramilitärisch organisierten - man trug Uniform und Dienstgrade- "Gesellschaft für Sport und Technik" (kurz GST genannt) bildete man Fallschirmspringer und Segelflieger aus. So gab es später wenig Probleme beim Einschlagen einer militärischen Laufbahn. Die Digedags wollen in dieser Schule den erforderlichen Flugschein erwerben. Unseligerweise herrscht an dieser Ausbildungsstätte die die Jugend auf der ganzen Welt für Kriege reif machende Mischung aus Pfadpfinderromantik und Kasernenhofdrill. Die Erinnerung an di­verse vormilitärische Ausbildungsla­ger und verordneten Wehrsport hat wohl für die meisten der ehemaligen DDR-Bürger einen mehr als schalen Geschmack. Auch im MOSAIK werden nun un­sägliche pädagogische Konzepte aus der preußisch-deutschen Mottenki­ste geholt. Aber das bedrückendste ist wohl der Unteroffizierston, den der bislang so sympathisch schei­nende Turbo auf einmal anschlägt. "Die Freizeit ist beendet. Vor den Maschinen antreten", tönt es da altbekannt aus den nur äußerlich fremdländischen Zügen. Obwohl moderne Technik zur Verfügung steht, muß das Segelflugzeug mit ei­nem Gummiseil gestartet werden. Als Dag, für jeden, der so etwas selbst genießen durfte, verständlich, nörgelt, weist ihn Dig zurecht: "Das ist ein Mittel, um zur Gemeinschaft zu erziehen." Aber es kommt noch volksgemeinschaftlich-anheimeln­der. Die Rollen werden klar verteilt: Dag wird ob seiner ständigen un­männlichen Kritik zum "bad boy" aufgebaut, der jegliche Autorität in Frage stellt. Dig ist, wohl auch schon aus der Sicht der damaligen Leser, ein eher dienstbeflissener Untertan. Als der genervte Dag Dig bei einem Probeflug per Schleudersitz "ausstei­gen" läßt, greift dieser zu gruppenerzieherischen Maßnahmen. Erst die Meldung einer Über­schwemmungskatastrophe - ein in den fünfziger Jahren nach der schwe­ren Springflut bei Hamburg aktuelles Thema - schweißt die beiden bis dato Unzertrennlichen wieder zusammen. Wie bekannt und beliebt, retten beide Hand in Hand diesmal sogar Menschenleben. Assistiert wird ih­nen dabei von Heini. Dieser wächst angesichts der Gefahr - wie einst Rühmann - über sich selbst hinaus. Und natürlich darf der edle Turbo nicht fehlen. Ausgerechnet mit einer Militärma­schine entreißt er Dig, Dag und den Quax-Ersatz den drohenden Fluten. Dag zeigt wegen seines Fehlverhal­tens Reue, und Dig vergibt großmü­tig.
Nummer 37 setzt die Story um die ja eigentlich sowjetischen Passagier­flugzeuge der Spätfünfziger fort. Nun steht allerdings der Bruder von Professor Schluck, der Flugzeugkon­strukteur Doktor Schluck, im Mittel­punkt des Geschehens. Er arbeitet gerade an der Erprobung der neuen Maschine aus Digedanium. Sie heißt CB-5 und ist dem Augenschein nach ein Neos-Äquivalent zur TU-114. Nach als Taubenzüchterlatein ge­tarntem Agentengemauschel und ab­trünnigen Kegelbrüdern bringt in diesem Heft die kleinbürgerliche Schrulle des Sammelns um jeden Preis Verwirrung in die Produktions­abläufe. Zwar sammelt auch Flugge­nie Tonio Turbo von der Briefmarke bis zur Spielzeugeisenbahn alles mögliche, aber er fand dafür die ideologisch angebrachte Ausrede: „Jeder Mensch sollte neben seiner Arbeit ein Steckenpferd als Ausgleich haben." Ist es hier auf seine Malerei gemünzt, so gilt es natürlich auch für die übri­gen harmlosen Leidenschaften. Doch ist Sammeln für den kernigen Düsenjägerpiloten Entspannung nach sei­nem Dienst im Interesse der Frie­denssicherung, so sieht man dem Sammelwütigen in Heft 37 die unlau­teren Absichten regelrecht an. Dreist und aufdringlich behauptet er, an der Taschenkuckucksuhr des Doktor Schluck Interesse zu haben. Da man jedoch dem gestreßten Wis­senschaftler untersagt hat, Arbeitsunterlagen in den dringend benötig­ten Erholungsurlaub mitzunehmen, hat er sich die entscheidende Formel zur Überprüfung der Belastbarkeit der Tragflächen in den Deckel des Zeitmessers geritzt. Verbissen ver­folgt der Uhrenfetischist Schluck bis in den idyllischen Winterkurort, des­sen Lage und Weichbild in etwa an das polnische Zakopane - mehr war für den Durchschnittsbürger nicht drin - erinnert. Dort geht's aber durchaus DDR-­fünfzigerjahremäßig zu. Die Kinder besuchen eine Zentral­schule und tragen alte deutsche Na­men, wie sie nach dem elterlichen Run auf Denise und Domenique erst in den frühen Achtzigern wieder zu Ehren kamen. Eine wichtige Veränderung erfährt in diesem Heft die populärwissenschaft­liche Komponente. Bislang erklärte immer der jeweils kompetente Fach­wissenschaftler - Tiefseeforscher, Flugzeugkonstrukteur etc. - die wis­senschaftlich-technischen Hinter­gründe der Geschichte. Nunmehr zeigte sich dafür eine neue Figur namens Lexi verantwortlich. Dramaturgisch läßt sich ihr Zweck leicht erklären. In früheren Ausga­ben war man stets dazu gezwungen, die Hauptperson mitten aus der Handlung zu reißen und ihr eine Lehrfunktion zuzuweisen. Das störte natürlich den Fluß der Erzählung und erzeugte mitten in der spannend­sten Verbrecherjagd oder Tauch­fahrt Langeweile. Natürlich bestand auch weiter die Gefahr, daß der physik- oder che­mieüberdrüssige Leser einfach weiterblätterte. Aber die negative Er­wartungshaltung, wann sich denn in diesem Heft der agile Pilot in einen trockenen Pauker verwandeln würde, war zumindest gedämpft. Lexi ist sogar noch kleiner als Dig und Dag. Stets agiert er aus zwei Po­sitionen: Entweder sind Dig und Dag zu beschäftigt, um weitschweifige Er­klärungen über die Wunder moder­ner UdSSR- oder DDR-Technik ab­zugeben. Dann übernimmt Lexi den didaktischen Part. Häufiger jedoch wissen die Digedags nicht so genau Bescheid: „,Hast Du eine Ahnung, Dag, woraus das Zeug gemacht wird?` ,Keinen blassen Schimmer, Dig. Wenn Lexi hier wäre, könnte er es uns erklä­ren... Nanu, wer zieht mich denn da am Jackenzipfel? Ach, du bist's, Lexi.". Ähnelt der Wuschelkopf des technikmärchenhaft personifi­zierten Lexikons den üblichen MOSAIK-Figuren, so ist sein Rumpf je nach erklärtem Gegenstand ein Flugzeugmotor oder ein Braunkoh­lenbrikett, in einem Fall trägt er so­gar Uniform. Eine endgültige Lösung für den Zwiespalt, eine im Grunde spannende Handlung mit trockenem Schulstoff zu untersetzen, war diese Variante allerdings auch nicht, so daß Lexi sich nach einem halben MOSAIK Jahrgang wieder verab­schiedete. In dem gerade besprochenen Heft haben die Digedags inzwischen die Unions-Geheimpolizei, also wohl die Staatssicherheit, vom mysteriösen Drängen des Weckerfetischisten in Kenntnis gesetzt. Im Unterschied zu den tatsächlichen Beamten des MfS der DDR geht der entsprechende observierende Beamte ausgesprochen dilettantisch vor: Denn natürlich fällt ein Mann mit Sherlock-Holmes-Mütze, der durch ein Loch in der Zeitung seinen Vor­dermann im Flugzeug beobachtet, überhaupt nicht auf. Aber selbst wenn er sein Opfer im Flughafengedränge verloren hätte, wäre der Schaden für den Arbeiter-und-Bauern-Staat begrenzt geblieben: Als der Verdächtige in exhibitio­nistischer Manier seinen Mantel zu­rückschlägt, hängt das Innenfutter tatsächlich voller Uhren. Auch Doktor Schluck hat sich um­sonst um die Richtigkeit seiner Be­rechnungen gesorgt. Das getestete Flugzeug erweist sich ob der Tragflä­chen aus Digedanium als außeror­dentlich belastbar.
Zur endgültigen Erprobung der Flugeigenschaften in der Praxis kommt es im Januar 1960. Ab diesen Monat wechselte das MOSAIK auch den Verlag. Bislang bei „Neues Leben" erschienen, zeigte sich nun der Verlag „Junge Welt" als verantwortlich. Für die Januaraus­gabe 1960 des MOSAIKs wurde wahrscheinlich wieder fleißigst in „Hobby" geblättert. Auf einer Dop­pelseite stellt Lexi, der einen Flugzeugpropeller als passende Fliege trägt, verschiedene senkrechtstartende Maschinen vor. Wohl sehr stark auf die Modellbauergemeinde ausgerichtet, gab es darüber zahlrei­che Berichte und Kommentare in der westdeutschen Zeitschrift. Die entsprechenden Konstruktionen stammten vor allem aus den USA, Großbritannien und Frankreich. Ob­wohl sie alle im MOSAIK abgebildet sind, findet nur das Herkunftsland ei­ner sowjetischen Maschine Erwäh­nung. Das eigentlich kuriose ist je­doch, daß die Flugzeuge der NATO-­Staaten oder Frankreichs meist von den entsprechenden Luftwaffen gete­stet wurden und deshalb überdeutli­che Hoheitszeichen trugen. Die sind im MOSAIK wegretuschiert, denn wie sollte man dem Leser erklären, daß diese Pionierleistungen des „gu­ten" Neos-Staates Produkte des irdi­schen Klassenfeindes waren und nor­malerweise auf irgendeinen Flug­platz des großneonischen Reiches gehörten? Das gerade auf seinen Test­flug wartende Flugzeug war vermut­lich dem Artikel „Die schnellen Vö­gel der Aeroflot" entnommen. Die Digedags wünschen nichts sehnlicher als die Teilnahme an diesem Test­flug, denn schließlich ist ihr Name im Spiel. Der Arzt stellt jedoch völlige Fluguntauglichkeit fest, so daß sie sich als blinde Passagiere an Bord schmuggeln müssen. Tonio Turbo steuert in Vertretung eines Kollegen die zivile Maschine. Auch das hat einen realen Hinter­grund: Piloten der Aeroflot und der Lufthansa der DDR waren stets ausgebildete Militärflieger. Als ein unvorhergesehener technischer Defekt - ein Loch in einer Ölleitung - die Passagiere zum Absprung zwingt, bleiben Dig und Dag an Bord und be­heben den Schaden. Meister Turbo landet, und alles endet im Triumph für den Helden der Lüfte. Die Dige­dags halten sich bescheiden am Rande. In einer Nebenhandlung sucht Erd­bebenforscher Schluck ein passendes Geburtstagspräsent für seinen Zwil­lingsbruder und gerät dabei an einen eilfertigen, aber leicht beschränkten Dienstmann. Ohnehin ein Anachro­nismus in der sozialistischen Neos­-Republik, gelingt so vielleicht die Hommage an den Film „Hallo, Dienstmann" mit Hans Moser. Als Kontrast zu dem ganzen Tech­nikkram gefällt sich die Neos-Serie ohnehin darin, ab und an ein fossiles Faktotum aus einer Traumwelt ohne Kunststoffe und Jagdflugzeuge vor­zuführen, um die Handlung ein we­nig aufzulockern. Ist es in Heft 37 der konfuse Verwal­ter eines Fundbüros, so empfiehlt in Heft 38 ein kauziger Antiquitäten­händler einen Riesensuppenschildkrötenpanzer als Geschenk für Schlucks Bruder. Einträchtig vereint retten sich die Brüder am Heftende auf dieser Schale aus Seenot. Lexi, noch immer im Propellerlook, erläutert auf der für Populärwissenschaft vorgesehenen Heftrückseite einen Flugsimulator. Im Februarheft 1960 erfüllen Dig und Dag wieder einmal eine pädago­gische Aufgabe. 1956 hatten sogenannte Studentenbrigaden in ihren Semesterferien begonnen, die Volks­wirtschaft, damals zunächst die ob des harten Winters in Schwierigkei­ten geratenen Braunkohlenindustrie, mit ihren Einsätzen zu unterstützen. Natürlich war die Begeisterung für dererlei tatkräftiges Eingreifen unter den zukünftigen Intellektuellen ziem­lich gedämpft. Deshalb wurde nun eine spitze Lanze für das körperliche Engagement sozialistischer Studen­ten gebrochen und mit Säumigen ab­gerechnet. Drückeberger ist in unserem Falle unter den erwartungsfroh lächelnden Männern ausgerechnet der Sproß von Professor Schlick. Das tut natür­lich nicht wunder: Wie kann bei sol­cher sozialer Herkunft die Liebe zur alleinseligmachenden, „richtigen" körperlichen Arbeit gedeihen? Die Gelegenheit ist günstig, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das Aufzeigen von „guten" und „weniger guten" Wissenschafts­zweigen. Gut sind von vornherein stets die technischen und naturwis­senschaftlichen Gebiete. Denn sie dienen schließlich dem Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft. Und dann gibt es noch die eigentlich überflüssigen, schon mehr Beschäfti­gungen - wie z. B. die Archäologie. Deutlicher kann es gar nicht kom­men. MOSAIK erledigt hier -sicher unter Druck - die Geschäfte jener Funktionäre, die letztendlich auch der buntesten Seifenblase unter den Jugendzeitschriften der DDR ans Le­der wollten. Aber auf die Vorwürfe gegen das MOSAIK werde ich später noch eingehen.
Im Heft 39 wird erst einmal der alter­tumsbesessene Balduin - schon der Name erfüllt seine Funktion - als der Egg-Head an sich überzeichnet, dem wieder einmal „Lehren" verpaßt werden müssen. Dig und Dag: „So ein Drückeberger! Aber wir werden ihn buchstäblich an der Nase herumführen." Um eine solche, die einer antiken Bü­ste fehlt und nun gefunden werden soll, geht es nämlich in dem Heft. Während seine Kommilitonen ar­beitsdiensteifrig Sand auf Loren schippen, verdrückt sich der davon merkwürdigerweise wenig begei­sterte Balduin. Damit auch niemandem einfällt, ihn triebe die Wissenschaft, kommentiert er: „Hihi, ich glaube ja selbst nicht daran, daß ich die Nase finde. Aber ich habe keine Lust, so schwere Ar­beit zu verrichten wie die anderen." Die Strafe für solchen Egoismus folgt auf dem Fuße. Nur knapp ent­geht er der Sprengung eines alten Bunkers. Frühstück bekommt er - gemäß der Weisheit, daß, wer nicht ar­beitet, auch nicht essen sollte - nicht mehr. Zu allem Arger wird er zum Schau­feln abkommandiert. „So was Dum­mes. Nun muß ich doch noch arbeiten." Damit es auch der weltan­schaulich dickfelligste Leser mitbe­kommt, wird Arbeit nochmals als ausschließlich körperlich definiert. Natürlich hat solcher Unsinn nichts mit Karl Marx zu tun, sondern ent­spricht der kruden Funktionärsphi­losophie, die sich die DDR-Obrigkeit pragmatisch zurechtschustern ließ. Leider trug diese Propaganda in ei­nem zunehmend intellektuellenfeind­lichen Klima bald bittere Früchte: Eine „geht ihr erst mal arbeiten" - Mentalität herrschte jahrzehntelang unter breiten Schichten der Bevölke­rung der DDR. In unserer Story ruft nun Balduin, der glaubt, mit der von den Digedags vorbereiteten Fülle passender Nasen, eine epochale Entdeckung gemacht zu haben, das „Institut für Frühge­schichte" an. Schnell erscheint Assi­stent Schürf mit einer Gräberkolonne auf dem Plan. Schürf sieht aus, wie sich mancher, so er den Begriff Archäologie nicht gänzlich mißdeutet, wohl einen Jünger dieser Wissen­schaft vorstellen mag. Ein dünner, unkörperlicher Intellek­tueller mit langer Spürnase, Riesen­kopf und großer Brille. Als vermeint­liches Attribut seines Standes trägt er eine gewaltige Briefmarkenlupe. Im Unterschied zu den zünftigen Latzhosen der zum Glück herrschen­den Klasse trägt er Schlips und Me­lone. Und in typisch selbstherrlicher Arroganz der ehemals Privilegierten zeigt er seine angebliche Wissen­schaft gleich im rechten Licht: „Das Gelände ist gesperrt." Aber Arbeiter lassen sich nicht auf­halten: Baggerfahrer unterhöhlen den beanspruchten Sandhügel, bis diese Querköpfe historisch richtig ge­stürzt werden. Der wissenschaftliche Unsinn ist zu Ende. „Die Bauarbei­ten können weitergehen." Lexi erklärt, was da entsteht: Im April 1955 war der Flugplatz Schöne­feld von der sowjetischen Armee wie­der den DDR-Behörden übergeben worden. Und die taten es nicht unter dem Bau des „Zentralflughafens Ber­lin-Schönefeld", der nun als Gegen­stück zu Tegel entstehen sollte. Im Heft gibt es auch Rück- und Ausblicke auf vergangene und zukünftige Abenteuer. Auf das Wiedersehen ,mit Sinus Tangentus während der Fa­schingsfeier von Professor Schlick wurde schon verwiesen. Aber auch Besatzungsmitglieder der „Garnele" und Tonio Turbo finden sich bei dem augenscheinlich allein lebenden Pro­fessor ein. Die Intellektuellen im MOSAIK von Schluck bis Schlick sind alle unbe­weibt und untertänig. Dagegen ein Kerl von echtem Schrot und Korn ist Tonio Turbo. So duzt er salopp Schlick: „Nun zeig uns doch mal deine Schätze, Professorchen." Und der Nur-Professor weiß, was man ei­nem Verteidiger der Heimat an Höf­lichkeit schuldig ist: „Aber gerne. Kommen Sie bitte mit ins Neben­zimmer.“ Bedeutsam für das MOSAIK-Uni­versum ist eine andere Episode: Bhur Yham kehrt von einer nochmaligen Weltraumexpedition zur Erde zu­rück. Wurde er heftelang nicht mehr erwähnt, so fragen nun Dig und Dag verzweifelt nach dem Verbleib ihres dritten Gefährten und erfahren: „Di­gedag hat mit seinem Zirkus Rom verlassen und ist nach Indien weiter­gezogen ... Die Leute erzählen, ein Fakir habe ihn gelehrt, sich unsicht­bar zu machen. Digedag soll es aus­probiert haben. Als er sich wieder sichtbar machen wollte, sei der Fakir von einer Riesenschlange gefressen worden. Weil Digedag das Mittel zum Sichtbarmachen nicht kennt, muß er immer unsichtbar bleiben ... Tatsache ist, daß Digedag ver­schwunden blieb und Salang und Bakuku ohne ihn weitergezogen sind." Digs Befürchtung, daß sie ihren Ge­fährten nie wiedersehen würden, erweist sich als verfrüht. Aus Unkennt­nis des uns vertrauten Heftes 100 irrte Yham: Digedag mußte ja aus Rom ohne seine Gefährten fliehen. Viele Jahre später, im Heft 141 hat der Ende des 13.Jahrhunderts Wie­dergefundene Gelegenheit, das In­dien-Abenteuer richtigzustellen.
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