Auszüge aus veröffentlichter Sekundärliteratur zum Mosaik von Hannes Hegen . Diese Zitate sollen die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Der Text wurde Printmedien entnommen, Flüchtigkeits- und Übertragungsfehler bitte ich unkommentiert zu entschuldigen. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de
Zitat aus: Lettkemann/Scholz in Schuldig ist schließlich jeder ..., S. 30-33, © 1994 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag


MOSAIK in Bedrängnis

Als sich im Laufe des Jahres 1957 auf kulturpolitischem Gebiet wieder eine zunehmende Vereisung abzeichnete, war es nur noch eine Frage der Zeit, wie lange sich MOSAIK dem Sog dieser restaurativen Entwicklung zu entziehen vermochte. Bezeichnend für die Absicht der politischen Führung, die kurze Periode der relativen Freiheit wieder zu beenden, wurde ein Referat des amtierenden Kulturministers Alexander Abusch auf dem 32. Plenum des ZK der SED im Juli 1957:

„Manche Verleger verlassen bei der notwendigen Bemühung, zur Abschöpfung der Kaufkraft und zu einer höheren Akkumulation beizutragen, nicht selten die Gesichtspunkte unserer sozialistischen Literaturpolitik, und sie orientieren sich zu sehr auf sogenannte 'gängige Literatur'."

Tenor einer Pressekampagne größten Ausmaßes wurde die Forderung nach Propagierung und Schaffung einer Literatur, die „am wirkungsvollsten der Bewußtseinswandlung der Menschen dient", die „ideologischen Wert" beinhaltet. Doch nicht nur Literatur, auch Rundfunk, Presse, Theater, Film, Musik, Kunst und Unterhaltung waren betroffen. Kein Bereich der Kultur und des öffentlichen Lebens wurde verschont. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland" bemängelte bei Conférenciers und Humoristen die fehlende „Parteilichkeit", die kulturpolitische Wochenzeitung „Sonntag" verlangte eine „gesellschaftliche Aussage" auch bei Varieté-Programmen, und selbst Zirkusclowns sollten ihr Repertoire durch „politische Tagesfragen" ergänzen.

Die Konsequenzen eines solchen politischen Kurswechsels, der endgültig mit der zeitweise stillschweigenden Duldung unpolitischer Sujets in der Verlagsproduktion aufräumte und als alleinigen Wertmaßstab für jede Art von Literatur den ideologischen Gebrauchswert zugrunde legte, bekam auch der Verlag „Neues Leben" empfindlich zu spüren. Der Zentralrat der FDJ kümmerte sich plötzlich recht intensiv um die Arbeit in seinem Jugendbuchverlag. Er stellte fest, daß der Verlag bisher „ein opportunistischer Sumpf" gewesen sei und „nur eine Operation Veränderung schaffen" könnte. Kein Wunder, daß zur gleichen Zeit auf der vierten Tagung der Zentralleitung der Pionierorganisation im Frühjahr 1958 die „ungenügende politische Wirksamkeit" einzelner Kinderzeitschriften gerügt wurde, „das Bestreben nämlich, bei der Planung von dem Gesichtspunkt des 'Ankommens' bei den Lesern auszugehen", statt den ideologischen und erzieherischen Gebrauchswert im Dienste der Politik voranzustellen und zu verbessern.

MOSAIK standen schlimme Zeiten bevor. Hannes Hegen und das Team, inzwischen ergänzt durch Lothar Dräger (Mitautor des Textes) und die im Laufe des Jahres 1958 eingestellten Zeichner Egon Reitzl und Heidi Lehmann (später verh. Sott und Jäger), bekamen den neuen Wind sehr bald kräftig zu spüren. Etappen einer Krise von zunehmender Brisanz wurden einsetzende Zensur, erzwungene Inhaltsänderung und letztlich fast die Einstellung des Heftes. Hannes Hegen, gegen dessen Persönlichkeit Redakteure nur schwer ankamen, blieb aber trotz aller Widrigkeiten Garant für die Bewahrung eines gewissen Grades an inhaltlicher Selbstbestimmung, für maßvolle, während der eskalierenden Konfrontation gerade noch akzeptable Zugeständnisse an die Chefredaktion, sprich Zensur. Bezeichnend für die mühsam verteidigte Eigenständigkeit war, daß politische Richtlinien nur angewiesen wurden, daß aber die Erarbeitung der Geschichten unter Ausschluß der jeweils vorgesetzten Redakteure erfolgte. Der einzige, dem es jemals gelang, entscheidende Kursänderungen durchzusetzen, war der 1958 eingesetzte Ernst Dornhof, ein privat recht umgänglicher und vernünftiger Mann, dessen dienstliches Wirken jedoch durch ideologische Indoktrination geprägt war.

Als MOSAIK im Dezember 1957 mit der Veröffentlichung der Römer-Serie begann, geschah dies nicht etwa um die römische Sklavenhaltergesellschaft im Sinne des marxistischen Erziehungsauftrages anzuprangern, sondern ganz einfach unter dem Einfluß der damals in der westlichen Welt in Mode befindlichen „Sandalen"-Filme aus Hollywood, die Hegen in starkem Maße faszinierten. Die Zeichner sollten aus diesem Grunde West-Berliner Kinos besuchen und amerikanische Monumentalfilme en masse konsumieren. Hans Oesterreicher hatte die Aufgabe, mit einer eigens zu diesem Zweck umgebauten Kamera, Fotos von der Leinwand zu schießen. Die brauchbaren Bilder archivierte Hannes Hegen und stürzte sich voller Begeisterung auf das Thema. Die Parole lautete: Humor und spannende Unterhaltung mit den Digedags im Alten Rom. Politische Gängelung war noch eine unbekannte Größe. Doch der Eindruck täuschte. Dornhofs Einführung, im Impressum verspätet ausgewiesen, erfolgte in dieser Phase unbelasteter Arbeitsfreude an der Römer-Serie mit einem Paukenschlag. In Heft 18 („Der Angriff aus der Luft", Mai 1958) sollten mit Katapulten über das Stadtgebiet von Rom geschossene Legionäre an Fallschirmen in Form von römischen Adlern niedersinken. Als der neue Chefredakteur die bereits fertig gezeichneten Seiten erblickte, kehrte er den strammen Genossen hervor und verbot kurzerhand die „Pleitegeier", wie er sie in grotesker Assoziation zum westdeutschen Bundesadler nannte. Es half nichts, daß Hegen seinem aufgebrachten Zensor klarzumachen versuchte, daß das von der Propaganda einmal vorgegebene Symbol für preußischen Militarismus und westdeutschen Revanchismus auch schon von den Römern benutzt wurde. Die Seiten mußten retuschiert, d.h. die Köpfe abgedeckt werden. Die verbliebenen Flügel ließen die ursprüngliche Form dann nur noch erahnen.

Dornhofs redaktioneller Druck zeitigte alsbald spürbare Wirkung auf die inhaltliche Ausrichtung der weiteren Römer-Hefte, was sich in Tendenzen solidarischer Parteinahme für Sklaven und Aufständische bemerkbar machte. Hätten westdeutsche Kritiker damals auch nur annähernd berücksichtigt, welchem politischen Druck sich die Autoren in dieser Phase der Ulbricht-Ära ausgesetzt sahen, so hätten sie die in einem solchen System doch immerhin auf der Hand liegenden oder wenigstens denkbaren Ursachen für die beklagte Politisierung vermutlich deutlicher herausgestellt und demgemäß als vielleicht weniger gravierend empfunden. Klaus Kunkel bemerkt damals im „Monat", einer angesehenen Zeitschrift für Politik und geistiges Leben, zu Hegens populären Bildabenteuern aus dem alten Rom:

„Natürlich geht es da nicht um historische Wiedergabe, sondern um eine Anprangerung der feudalistischen Gesellschaftsordnung durch ... mutterwitzige Vertreter des römischen Proletariats als Vorläufer der Weltrevolution."

Während östliche Funktionäre also noch die ideologische Unverbindlichkeit bemängelten und gerade erst durch Zensoren wie Dornhof eine bewußtseinsbildende Ausrichtung im Sinne der Partei zu etablieren begannen, ging westlichen Kritikern diese politische Erziehungsabsicht vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Kalten Krieges erklärtermaßen schon zu weit. Das Autorenteam saß jedenfalls zwischen den Stühlen und bemühte sich nach besten Kräften den massivsten Forderungen auszuweichen, was verständlicherweise nicht immer gelang, zumal der schwerste Schlag Dornhofs mit der erzwungenen Inhaltsänderung zum Jahreswechsel 1958/59 erst noch folgen sollte. Widerstrebend mußte sich Hegen dem Druck beugen und die geliebte Römer-Serie abbrechen. Geplant und vorbereitet waren eigentlich Fortsetzungen in Germanien, Gallien und Britannien, was die Parallele zum späteren Siegeszug des Asterix noch deutlicher gemacht hätte.

Dornhof verlangte, unter dem Eindruck der sowjetischen Weltraumerfolge und auf Anweisung aus den Zentralleitungen von Pionierorganisation und FDJ, zeitgemäßere Gegenwartsthemen in politischen und naturwissenschaftlich-technischen Bereichen, konkret die Unterlegenheit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aufzuzeigen und die Fortschrittlichkeit des sozialistischen Systems hochzuloben. Offener Widerstand war aus Furcht vor Repressalien die unweigerlich zum Verbot der Zeitschrift geführt hätten natürlich ausgeschlossen. So kam Hannes Hegen auf die Idee, die politischen Vorgaben in eine den oft sehr eingleisig denkenden Funktionären fremde und ungewohnte Form zu kleiden, und sich dem Druck durch Flucht in Sujets der Science Fiction zu entziehen. Hier rechnete man mit weniger Einflußnahme und der Bewahrung eines hohen Grades an künstlerischer Kreativität und Freiheit, ohne die Konfrontation zwischen Sozialismus und Kapitalismus direkt ansprechen zu müssen.

Zur inhaltlichen Umsetzung bot sich nach dem erfolgreichen Flug des ersten sowjetischen Sputnik das Weltall als neuer Handlungsraum an, ließ sich dort doch die Überlegenheit des sozialistischen Lagers am sinnfälligsten suggerieren. Folglich starteten die Digedags im Dezember 1958 zu einer „ungewollten" Raumreise, die die Autoren, nicht ohne Hintergedanken, in Form einer „Entführung ins All" bewerkstelligten. In der Hoffnung auf baldige Rückkehr zur Erde, ließ man den römischen Ingenieur Sinus Tangentus mitfliegen. Dessen weiteres Schicksal machte die Frustration deutlich, welche die Autoren mit dem Verlassen der Erde erfaßt hatte. Als man nämlich mit fortschreitender Zeit erkennen mußte, daß sich die erhoffte Rückkehr ins alte Rom nicht realisieren ließ, kappte man endgültig den dünnen Handlungsfaden zur Römer-Serie und entledigte sich seiner, indem man ihn ausgerechnet zum Leiter eines Elektrizitätswerkes auf dem fernen Planeten Neos machte, also „abschob", eine in der Chefredaktion unbemerkt gebliebene Anspielung auf die damals gängige Politpraxis, in Ungnade gefallene Ex-Funktionäre auf Direktorenposten in die entlegenste Provinz zu verbannen. Ein letztes Mal taucht Sinus Tangentus überraschend in Heft 39 vom Februar 1960 auf („Ein rätselhafter Fund"), wo es ein Wiedersehen mit den Digedags gibt. Deren sarkastischer Kommentar: „Wir freuen uns, daß du diese schöne Arbeit gefunden hast und daß du so eifrig weiterstudierst."

Ihrem jahrelangen Exil im Weltraum verdankten die Digedags schließlich ihr Überleben, obwohl die Politik sie auch hier einholte und die Einstellung des MOSAIK auf des Messers Schneide stand. Im Weltall traf man auf menschliche Bewohner des Planeten Neos, dessen politische Verhältnisse etwa denen des Ost-West-Konfliktes und speziell des geteilten Deutschlands zur Zeit des kalten Krieges entsprachen. Die ersten Hefte beinhalteten - am Beispiel von begrenzten kriegerischen Operationen und gefährlichen Aktionen gegnerischer Agenten - die Auseinandersetzung zwischen einem fortschrittlichen Staatswesen, der Republikanischen Union, und einer aggressiven Feindmacht, dem Großneonischen Reich. Kurz, MOSAIK nutzte die in der Science Fiction übliche Methode der Verfremdung, um Gegenwartsthemen zu befördern. Die Namensgebung für die antagonistischen Mächte weist einerseits auf die sozialistische Staatengemeinschaft unter Führung der Sowjetunion hin und anderseits auf das revanchistische Westdeutschland innerhalb der Nato.

Aber erst mit Heft 30 vom Mai 1959, „Der Staudamm am Schwarzen Fluß", begann MOSAIK in den Augen der Funktionäre so richtig Tritt zu fassen, kam von nun an doch auch der erwartete naturwissenschaftlich-technische Erziehungsanspruch voll zum Tragen. Die Autoren ließen industrielle Großprojekte auf dem Neos in die Handlung einfließen, deren reale Entsprechungen für die DDR oder andere sozialistische Staaten von aktueller Bedeutung waren, hier die 1959 fertiggestellte Rappbode-Talsperre im Harz. Mit der Präsentation solcher Objekte sollten Interesse an technischen Berufen und Stolz auf die wirtschaftliche Leistungskraft des Sozialismus geweckt werden, gleichzeitig aber auch Haß auf den Gegner, welcher durch Sabotage das friedliche Aufbauwerk zu vernichten droht. Denn wieder einmal ist es ein skrupelloser Agent des Feindes, der in den Kontrollschächten der Staumauer eine Bombe versteckt. Die DDR befand sich seinerzeit in einer wahren Agentenpsychose. Spionage und Sabotage bestimmten als regelrechte Dauerthemen die Berichterstattung in Presse und Rundfunk.

Auf Hannes Hegen wirken Rezeptionen der NeosAbenteuer noch heute wie Nadelstiche, die verdrängte Erinnerungen schmerzhaft ins Bewußtsein rücken, jene qualvollen Zwänge vor 35 Jahren, als ihn die FDJ nach seinen Worten „bis aufs Blut gequält" habe. In einem Fernseh-Interview des ZDF, ausgestrahlt am 21. Februar 1993 in der Sendung „Blickpunkt", äußerten sich Edith und Johannes Hegenbarth zwar zurückhaltender aber gleichwohl deutlich über den damaligen Dauerärger und nicht enden wollende, stundenlange Sitzungen mit Funktionären in ihrem Haus. Hannes Hegen: „Es waren hier Funktionäre der Partei und die haben gesagt, die Jugend muß im Sinne der Partei erzogen werden, und MOSAIK ist einfach zu unpolitisch. Das können wir uns nicht leisten und wir können das nicht dulden. Da habe ich gesagt, na gut, wenn ihr das so wollt, dann macht doch selber was und laßt mich in Frieden." Kommentar des ZDF: „Der Titel für das Abschiedsheft war schon gezeichnet. Die Digedags wollten sich aus der Vormundschaft der SED verabschieden. Doch zum Glück für die Leser kam alles noch einmal anders." Dabei präsentierte die Kamera den Umschlag des sogenannten Abschiedsheftes und fuhr zur Großaufnahme auf die MOSAIK-Vignette, die als Heft 37 vom Dezember 1959 deutlich erkennbar wird.

Wahrscheinlich konnten die MOSAIK-Macher den meisten ideologischen Forderungen dadurch ausweichen, daß gleichzeitig mit dem Beginn der Weltraum-Serie im Dezember 1958 einem Teil der Auflage eine Beilage hinzugefügt wurde: Klaus und Hein erzählen aus dem Pionierleben mit Versen von Lothar Dräger. Die jeweils abgeschlossenen Comics zeigten die Bestrebungen Junger Pioniere, die von der Pionierorganisation verordneten Kampagnen, z.B. „Schlagt Wattfraß" - ein Aufruf zum Stromsparen, in die Tat umzusetzen, was auch vom damaligen Verlagsdirektor als „ideologisches Schwänzchen" gesehen wurde. Mit dem späteren Verlagswechsel wurde die Beilage in „Steinchen an Steinchen" umbenannt. Sie beinhaltete ausschließlich Sachbeiträge in Form illustrierter Texte und wurde im September 1962 eingestellt.

Eine Erweiterung des Comic-Angebots blieb in der DDR immer wieder in Pilotprojekten stecken. In Zusammenarbeit mit dem Budapester Verlagshaus „Ifjúsági Lapkiadó Vállalat" brachte der Verlag „Junge Welt" in den Jahren 1957/1958 eine querformatige Heftreihe unter dem Titel Weltberühmte Geschichten in Bildern heraus, hergestellt in der Ratsdruckerei Dresden. Die zwanzig ungezählten Hefte der Serie erschienen zum Preis von 40 Pfennigen und enthielten fast ausschließlich Bildgeschichten des ungarischen Zeichners Ernö Zórád, teilweise assistiert von Gyorgy Vadász. Sie beruhten auf literarischen Vorlagen von Mark Twain, Jonathan Swift, Miguel de Cervantes, Oscar Wilde, Jack London, Rudyard Kipling oder H. C. Andersen. Aus dem Rahmen fiel lediglich das Heft „Thomas Münzer", sowohl inhaltlich als auch grafisch (Zeichnungen: Gábor Friedrich). 1958 brachte der Verlag Junge Welt vier ComicHefte im 3-D-Druck heraus. Dabei handelte es sich wiederum um Übernahmen aus Ungarn. Zeichner waren unter anderem Istvan Enrödi und Attila Dargay.