Dieser Beitrag soll die Diskussion der Heftbesprechungen im Digedags-Forum unterstützen. Die Vorschaubilder können durch einen Mausklick vergrößert angezeigt werden. Hier geht es zur Hauptseite: www.mosafilm.de
Auf dieser Seite übergebe ich mit großer Freude das Wort an Franz Maria Feldhaus. In seinem Werk Ruhmesblätter der Technik, erschienen imVerlag Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1910, teilt uns der 1957 verstorbene Pionier der Technikgeschichte unmißverständlich aber humorvoll mit, was er, der Ingenieur vom Perpeduum mobile und deren "Erfinder" hält.

So manch kuriose Erfindung haben uns die Digedags vorgeführt oder selbst ausgebrütet. Mit ihrem Zirkusschiff wagten sie sich erstmalig auch in den Bereich des Perpetuum mobile. Heft 33, Geheimsache Digedanium, zeigt uns einen "Erfinder", der sich auf dem neonischen Patentamt die fragwürdige Ehre erschummeln will, die Gesetze der Physik mit einer "Ewigkeits-Drehmaschine" auf Basis der dynamischen Schwerpunktsverlagerung überlistet zu haben. Als der Direktor des Patentamtes, dem gewisse Ähnlichkeiten mit Thomas Mann nicht abzusprechen sind, den versteckten Hamstermotor entfernen läßt, geschieht mit dem Perpetuum mobile das, was mit dieser Art Konstruktionen immer passiert. Es bleibt stehen!

Geniale und kuriose Erfindungen, sowie Perpetuum mobile  
Mein Tipp für alle Freunde des Perpetuum mobile!
Hinweis: Links zu den Erfindungen noch nicht fertig!
Zitat aus: F. M. Feldhaus, Ruhmesblätter der Technik, Verlag Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1910, S. 217-230


Perpetua mobilia [1]

An dem Tage, da der Mensch zum ersten Male die Natur überlistete, begann die Kultur. Als es Nacht wurde, zündete er ein Holzscheit an, und als der Gewitterregen niederging, baute er eine Hütte und verkroch sich darunter. Und er bändigte ein Pferd und zwang es zur Arbeit. Weil das Pferd ihm aber den Hafer wegfraß, so ersann er die Mühle, die der Sturzbach drehen mußte.
Als der Bach im dürren Sommer trocken lag, wünschte der immer grübelnde Mensch das viele Wasser der Frühlingstage zurück, das so nutzlos in Überfülle vorbeigeronnen war. War es ihm doch gelungen, den ungestümen Bach zur Arbeit am Rade zu zwingen; nun lag es wieder so leblos wie einst im Winter, als dickes Eis darübergewachsen! Sollte das Rad seinem Willen nicht gehorchen, auch ohne Wasser?
Da kam ihm ein rettender Gedanke: einen schweren Stein legte er oben ins Rad, und siehe, ohne einen Tropfen Wasser gehorchte es seinem Willen und drehte sich. Freudig trug er immer neue Steine ins Rad, bis er ermüdet Feierabend machen mußte. Da sann er seinem neuen Werke nach, und je mehr er sann, um so mißmutiger wurde er, denn er sah ein, daß er seines trägen Rades Knecht geworden. Das duldete sein stolzer Herrschersinn nicht.
Er, dem die Natur diente, durfte nicht länger einer starren Maschine Lastträger sein. Mochte sie sich ihre Steine doch selbst emporheben!
Und er sann wieder nach, grübelte, überlegte und plante, um diese Maschine zu finden, die sich auch nur ein klein wenig ihre eigene Kraft zuführen könne. Und jahrhundertelang verfolgen diesen einfachen Gedanken seine ruhelosen Nachkommen, haschen so auf allerlei listige Art nach einem Stückchen Naturkraft, das sie sich nicht verdienen wollten. Daß die Natur ihnen keine Kraft aus dem Nichts heraus geben kann, das sehen sie nicht ein, diese Kleinen! Natur bleibt wahr, immer und ewig. Sie kennt keine List und läßt sich darum nicht überlisten. Ehemals nicht und heute nicht und nie. Und wenn auch des Menschen Wissenschaft in all die Geheimnisse der Natur gedrungen sein wird, wenn seine Technik die Verrichtungen jeder Art verfeinert und vervielfältigt haben wird, auch dann wird keine Methode, keine Maschine gefunden worden sein, die den Kräften der Natur auch nur ein Atom abzugewinnen imstande wäre, wenn nicht der Gegenwert dafür vorher vollgültig entrichtet worden ist.
Das Verlangen der Menschen, eine immerwährende Kraft aus dem Nichts heraus zu erzeugen, ist unsinnig. Die Geheimnisse der Natur liegen tiefer, als bis wohin der Tag leuchtet, sie offenbaren sich nur dem Geiste, der mit der Natur eins ist, dem Genie. Der Genius des Menschen aber wird nie Unsinniges von der Natur verlangen. Darum gehört die ganze Geschichte des Problems vom Perpetuum mobile in die Geschichte der menschlichen Narrheit, nicht zur Geschichte der Naturwissenschaften. „Je vollständiger aber des Irrtums Bahnen durchlaufen sind, desto sicherer werden sie auch zurückgemessen und dienen dann nur als Wegweiser auf den rechten Weg." Möchte darum jeder, der noch heute an das Perpetuum mobile glaubt, aus seiner langen Geschichte ersehen, daß, obwohl kein Mittel unversucht geblieben, doch alle Konstrukteure ihr Ziel nicht zu erreichen vermochten.
Abb. 90; Perpetuum mobile von Wilars, um 1245; (Klick => ZOOM)
Abb. 90.
Perpetuum mobile von Wilars, um 1245
Die erste Nachricht von einer immerbewegenden Maschine finden wir zur Zeit des heiligen Ludwig. Damals bereiste der Ingenieur Wilars weite Länder, um Neues zu sehen und daraus zu lernen. Was ihm beachtenswert erschien, legte er in einem Skizzenbuch nieder, aus dem wir noch 33 Blätter in der Pariser Nationalbibliothek besitzen [2]. Sein Interesse war hauptsächlich dem gotischen Kirchenbau zugewandt, darum verwundert es uns heute, bei ihm am Anfang seiner Aufzeichnungen den Entwurf zu einem Perpetuum mobile zu finden. Unter der Skizze vermerkt Wilars: „Maint ior se sunt maistre dispute de faire torner une ruee par li seul. Ves ent si con en puet faire par mailes non pers ou par vif argent." Wörtlich übersetzt lautet der Inhalt dieses altdialektischen Textes: „Gar manchen Tag haben sich Meister gestritten, ein Rad (une ruee) von selbst drehen zu machen (haben die Frage erörtert, wie man es anstellen könne, daß sich ein Rad von selbst drehe). Siehe hier ein solches, welches man also durch Klöppel in ungleicher Zahl oder durch Quecksilber (drehen) machen kann."
Wilars Skizze (Abb. 90) zeigt zwar nicht, wie er sagt, beide Ausführungsarten, sondern nur die durch Hämmer. Wir sehen, in der im Mittelalter üblichen Projektionsart ohne Perspektive, ein Rad auf einem Wellbaum. Am Umfange des Rades hängen sieben Klöppel. Wenn es nun gelänge, so dachte Wilars, auf die eine Hälfte des Rades stets vier Klöppel zu bekommen, dann müßte diese Hälfte die andere mit den übrigbleibenden drei Klöppeln unbedingt heben. In der Stellung, in der er sein Rad zeichnet, ist es auch nach links herum in Bewegung. Ist der unterste Klöppel aber noch ein klein wenig mehr nach rechts gerückt, dann wird die Maschine nach einigem Hin- und Herpendeln unbedingt stillstehen. Drei und ein halber Klöppel hängen dann an jeder Hälfte des Rades und halten sich die Wage. Das alles mußte auch Wilars wie seine zeitgenössischen Meister der Mechanik einsehen. Bis hierher verfolgten sie die Vorgänge mit klaren Augen. Dann aber trog sie eins - es trog schon so manchen - die Hoffnung. Die Hoffnung, daß nun ein Etwas von irgendwo hinzukäme und der Maschine über den toten Punkt helfe. Nur ein klein wenig Kraft wäre nötig. „Nur" den oben rechts liegenden Klöppel brauchte Wilars an seinem Modell nach links umzulegen, dann ging das Ding ja schon wieder ein Stückchen weiter! Das konnte jedes Kind mit einem Finger machen, den Klöppel umlegen, warum konnte die Maschine es nicht selbst? - Dies ist der Punkt, und er ist es noch heute bei allen Perpetuummobilisten, an dem die ganze schöne Idee in die Brüche geht.
Manche Leser, die meiner ungewohnten theoretischen Erklärung bisher gefolgt sind, werden denken: da gebe man dem trägen Rad einmal einen kräftigen Schwung, dann müssen die Hämmer doch herumfliegen, daß es nur so klappert. Stimmt auch aufs Haar! Nur eins darf man da nicht vergessen: wenn die Hämmer perpetuo-mobil bleiben sollen, dann muß der Leser auch perpetuomobil sein. Ade Mittagessen und Nachtruhe; jetzt heißt's gedreht, das Rad in „Schwung" erhalten. Ja, ja, das Wörtchen Schwung, das ist's, was der ewige Drehkünstler im Sinne hat.
Ein bißchen Schwung in die Sache bringen", mit dem Worte wird viel Unfug getrieben, in der Kunst, in der Technik und auch sonst an vielen Orten. Schwärmer und himmelstürmende Pygmäen wollen durch Schwung das erreichen, was Denker und wahre Dichter durch kraftvolle Tat erzielen. Ich will es hier an dem mechanischen Beispiel zeigen, daß Schwung allein nichts ist, wenn Ausdauer und Kraft nicht angreifen. Schwung wird nie Kraft, Kraft aber wohl Schwung erzeugen.
Denen, die das Rätsel durch Schwung lösen wollen, rate ich doch, die Hämmer ganz abzuhängen und das Rad hübsch mit einer handlichen Kurbel zu drehen. Denn die Hämmer sind schwer und stören durch ihr unbeholfenes Pendeln nur das ruhige Gleichgewicht. Darauf wird man mir entgegnen: Wodurch soll sich dann nun aber der Schwerpunkt verlegen? Ich sage: Entweder jemand verlegt, indem er sich an einer Kurbel gegen das Rad stemmt, den Schwerpunkt der Maschinerie, oder aber der Schwerpunkt bleibt, das besagt sein Name, ruhig im schwersten Punkte träge hängen.
Es ist zum Verzweifeln! denkt mancher. Weil er aber einmal sich die Idee in den Kopf gesetzt hatte, das Ding muß gehen, da ruht und rastet er nicht eher, bis er seine Maschine durch allerhand Zutaten „verbessert" hat. Durch alle diese Zutaten, durch dies Ausstattungsbeiwerk betrogen diese Erfinder sich und andere. Was jedes Kind weiß, daß sein Wägelchen am leichtesten läuft, wenn nichts drin und dran ist, das sehen diese gelehrten Bewegungskünstler an ihren Maschinen nicht ein. So geschah es denn, daß aus ihrer aller Versuche ein ewiger Stillstand statt einer ewigen Bewegung hervorging.
Abb. 91; Perpetuum mobile von J. Mariano, 1438; (Klick => ZOOM)
Abb. 91.
Perpetuum mobile von J. Mariano, 1438
Und der Versuche sind im Laufe der Jahrhunderte unzählige gemacht worden. Wie so vieles Vorgehen auf konstruktivem Gebiete, wurden die Bemühungen der meisten Stillstandskünstler auf spekulativer Grundlage ohne eine feste Theorie unternommen. Darum zeigen sie weder historischen Zusammenhang untereinander, noch besonders geistreiche Ausnutzung der zeitgenössischen Errungenschaften aus Physik und Technik. Die Hammeridee von Wilars scheint in den folgenden Jahrhunderten lebendig geblieben zu sein, denn in der Handschrift des Italieners Jacopo Mariano aus Siena, die heute in München bewahrt wird, finden wir die Idee um 1483 wieder [3]. Nur daß hier die naive Hammerform weggelassen ist und daß Mariano auf die ungleiche Zahl der Hämmer verzichtet. Er spekuliert mit dem größeren Gewichte der verlängerten Strahlen seines Rades. Er meint, die in seiner Malerei rechts befindlichen Arme müßten, weil länger und dadurch schwerer, die links befindlichen heben können. Doch bedenkt er nicht, daß er auf einer Seite nur fünf Arme hat, die sieben andere heben müßten (Abb. 91).
Man hat gern und häufig die Erbauer von Selbstbewegern mit den Alchimisten verglichen. Allerdings, beide wollen die Geheimnisse der Urnatur entblößen. Diese chemisch, jene mechanisch. Nach unendlichen Rezepten gossen diese Adepten in der schwarzen Küche das Widrige zusammen, um den Stein der Weisen zu bereiten. Nach wirren Ideen fügten jene Stillstandskünstler Hebel und Schrauben, Räder und Kammräder, Walzen und Bügel ineinander, um die Kräfte der Natur rings zu enthüllen.
Und doch, welch himmelweiter Unterschied zwischen den beiden in einem Punkte: in dem praktischen Resultate. Mußte selbst der große Liebig zugeben: „Wenn jene fleißigen Adepten des Mittelalters nicht nach Gold gesucht hätten, dann hätte ich den Dünger nicht gefunden [4]." Wie viele hervorragende Erfindungen gingen aus alchimistischen Bemühungen hervor, Porzellan, Phosphor usw. Was hingegen vererbten uns die unzähligen Ewigkeits-Drehkünstler? - Nichts, gar nichts. Nicht ein neues Maschinenelement, nicht ein neues physikalisches Phänomen ist bei all ihren Konstruktionen hervorgebracht worden. Den Alchimisten treibt die faustische Sehnsucht nach der Urnatur zum Schaffen, den Ewigkeitsdreher leitet sein eigener Dünkel, anderer fremder Leute Schnitzel aufzulesen und zu einem neuen, seelenlosen Phantom zusammenzuleimen. Faust und Wagner, das sind die Personen, die wir in Alchimisten und Perpetuomobilisten erkennen. Auf einen Zusammenhang zwischen den Alchimisten und den Meistern des Semper vivum, von denen Wilars redet, trifft man vielleicht bei Ramon Lull, ums Jahr 1270. Lull, lateinisch Lullius oder Lullus, ein eifriger Gegner des erstarrten Aristoteles und der Scholastik, wollte in seiner „Ars magna" - in der „großen Lullischen Kunst" - alle Probleme der Wissenschaft mechanisch lösen. Lullus war ein berühmter Alchimist, einer jener, denen man ob ihrer angeblichen Künste geradezu den Pakt mit dem Teufel nachsagte [5].
Wir wissen von so manchem Betrug, der an perpetuomobilen Maschinen aufgedeckt wurde. Also waren deren Erbauer auch noch dazu Betrüger? - Nein, sie waren's nicht, als sie an ihre Arbeit herausgingen, sie wurden's erst, als ihnen nach jahrelangem vergeblichen Mühen die Aussichten, ihr Ziel zu erreichen, immer mehr ins Unmögliche schwanden. Hierzu ein Beispiel:
Im Jahre 1817 kam der Mechaniker Geiser aus La Chaux de Fonds auf seiner Wanderreise mit einer von ihm erfundenen und in vielen mühevollen Jahren erbauten Perpetualuhr nach Frankfurt a. M. Das Glück war dem geschickten Manne entgegen, er geriet in Schulden, wurde krank und starb. Dadurch gelang es dem Frankfurter Technologen Poppe, das Werk der Perpetualuhr genau zu studieren. In Gegenwart von Mitgliedern der Frankfurter Gesellschaft für Gewerbe wurde die Geisersche Uhr auseinandergenommen und, da sich zur Verwunderung der Zweifler nichts Verdächtiges fand, wieder zusammengesetzt. Stück für Stück hatte man die Uhr zerlegt, nirgends war etwas gefunden worden, was auf einen Betrug hätte schließen lassen. Da fiel es dem scharf beobachtenden Poppe noch im letzten Moment auf, daß an der Welle unter dem Sekundenzeiger vier Flächen angefeilt waren, so daß man einen Uhrschlüssel darauf stecken konnte. Poppe versuchte es mit einem Schlüssel, und siehe da, hinter dem Zifferblatt war eine ganz feine Uhrfeder in vielen Windungen untergebracht, die genug Kraft besaß, das sorgsam gearbeitete Werk zu bewegen. Es ließ sich feststellen, daß der Erfinder nach Jahren erst zu diesem kleinen Betrug gegriffen, damit langwierige Mühen und Opfer nicht umsonst wären [6].
Doch auch offenkundige Betrügereien sind von Scheinerfindern durch Schwerkraftmaschinen verübt worden, früher und heute. Ich weiß z. B., daß ein renommierter Trockenplattenfabrikant einen rheinischen Mechaniker durch große Summen zur Verbesserung seiner „fast fertigen" Schwerkraftmaschine unterstützt hat. Um 1894 sah ich die Maschine in Köln. Sie bestand, abgesehen von vielem Beiwerk, aus einer kreisrunden Platte mit schwerem, erhöhtem Rand, auf der eine zentnerschwere Eisenkugel herumrollte. Die Platte war auf einem komplizierten Hebewerk gelagert, so daß sie eine um ihren ruhenden Mittelpunkt gehende Schwingbewegung machte. Dadurch rollte die Kugel, die naturgemäß stets den tiefsten Punkt am Rande sucht, im Kreise herum. Durch ein Triebwerk „sollte" die Maschine - leider kam sie trotz mehrerer ihr unterlegter Tausendmarkscheine dem Befehle nicht nach - die Platte langsam in entgegengesetzter Richtung des Kugellaufes drehen. Der Erbauer der Maschine hatte es also darauf abgesehen, daß der tiefste Punkt der Platte immer ein wenig der Kugel in ihrem Lauf vorauseile. Dadurch wäre ja die Kugel dann nie zur Ruhe gekommen. Ich glaube, die Maschine „lief" in dem Baustadium, in dem ich sie sah, zehn Stunden, und ich weiß, daß sie ihren Erbauer durch ihr Nimmerfertigwerden wenigstens drei Jahre aus jener Geldquelle ernährte.

Der „König" der Ewigkeitsdreher aber ist schon lange tot. Hört man, welches Genie er in seinem Fache war, dann muß man im trockenen Lauf unserer heutigen Tage sein Ableben bedauern. Johann Ernst Elias Orffyreus war sein etwas sonderbarer Name. Er tauchte auf, sah die Albernheit seiner Zeit und siegte. Hernach, als er schon lange tot war, kam sein Treiben an den Tag; man erfuhr, daß der gute Mann Beßler geheißen [7] und ein Scharlatan gewesen. Hätte er sich nicht von dieser Erde frühzeitig empfohlen, dann wäre ihm wohl, wie manchem seiner alchimistischen Kollegen, der Strang zuteil geworden. Orffyreus trat zuerst 1712 mit einem „durch göttliche Gnade" erfundenen Perpetuum mobile hervor. Drei Jahre hernach stellte er eine solche Maschine zu Merseburg im Grünen Hofe vor dem Sixttore öffentlich aus. Für diese Maschine zeigte August II. von Polen großes Interesse, am meisten aber reizte sie den Landgrafen Karl von Hessen-Kassel. Er ließ den Künstler auf sein Schloß Weißenstein kommen und gab ihm Gelder, um eine neue Maschine zu bauen. Die von Orffyreus bekannt gewordenen Perpetua mobilia zeigen trotz mancher Verschiedenheiten immer eine große, flache Trommel. Was in diesen Behältern drin war, darüber schweigen sich des Orffyreus wortreiche Schriften aus. Ja, selbst die gelehrte Kommission, der wohlklingende Gelehrtennamen, wie Leidenfrost und Wolff angehörten, hat über das Innere und den Zweck dieser Trommel nichts zu sagen vermocht. Das macht uns stutzig. Dagegen bestätigte die Kommission dem Erbauer, daß sein „glücklich inventiertes perpetuum mobile" 50 Umdrehungen in der Minute mache und 40 Pfund 5 Fuß hoch heben könne. Der Landgraf bestätigte, daß der Apparat in einem Zimmer auf Weißenstein acht Wochen verschlossen gehalten und bei der Eröffnung in unveränderter Bewegung gefunden sei. Reich, mit Ehren und Gold beladen, zog der Herr Erfinder von dannen.

Abb. 92; Perpetuum mobile von Strada. Nach einer Handschrift von etwa 1600; (Klick => ZOOM)
Abb. 92.
Perpetuum mobile von Strada. Nach einer Handschrift von etwa 1600.
Orffyreus' Wundermaschine erregte das größte Aufsehen in der gelehrten Welt. Sie wurde sogar gewürdigt, 1715 in die erste deutsche Gelehrtenzeitschrift, die „Acta Eruditorum", aufgenommen, zu werden, und in zwei Schriften (1715 und 1719) legte ihr Erfinder seine dunklen Ideen nieder [8]. Großen Männern verdrehte die Idee die Köpfe; man denke nur an Leidenfrost und Schlüter. Doch auch Zweifler traten auf. Insbesondere ein Mechaniker Gärtner setzte 1717 tausend Taler gegen Orffyreus, aber dieser verzichtete sonderbarerweise auf das Geld, wohl nicht ohne triftige Gründe.
Bei der Maschine des Orffyreus, wenigstens bei einem seiner Modelle, spielte eine archimedische Schraube angeblich eine Rolle. Sie förderte Wasser in ein Gießbrett, das von dort wieder zurücklief. Ja sogar ein Perpendikel brachte der Scharlatan an, „wenn's Werk langsam gehen soll". In seinen Beschreibungen stellen sich Worte stets zur rechten Zeit ein, wo Begriffe fehlen; sie sind eins der vielen traurigen Beispiele verschnörkelter Aftergelehrsamkeit, daran leider gerade die deutsche naturwissenschaftliche Literatur des 18. Jahrhunderts so reich ist.
Wasser zu verwenden statt der Gewichte, hat man schon lange vor Orffyreus versucht. Um 1575 zeigt eine solche Idee der Ingenieur Jacob de Strada, ein nicht unbedeutender Maschinenkundiger. Zwar ist Stradas Ruhm, seit wir die Werke seiner Vorgänger im 15. und 16. Jahrhundert kennen, lange nicht mehr so groß wie ehedem, doch immerhin gehört er zu den Männern seines Faches, die wir ernst nehmen. Und dennoch gleitet er, wie wir sehen, auf die abschüssige Bahn der Dauermaschine. In einer Stradaschen Handschrift der Königlichen Bibliothek Berlin sehen wir zwei solcher Apparate abgebildet [9]. Viel umständlicher als diese Anordnung kann man die Einrichtung nicht machen. Aus einem oberen Wasserkasten (Abb. 92) rinnt das Wasser auf ein Schaufelrad und treibt die Schleifsteine eines Schwertfegers; gleichzeitig wird unter Zwischenschaltung einer kleinen Welle eine senkrecht stehende Achse mit einem Schwungrad getrieben. Von dieser aus erhält ein Wellbaum, der über dem Wasserkasten liegt, seinen Antrieb, und dieser endlich bewegt einen schräg nach unten führenden Wellbaum, um den eine archimedische Schnecke geschlungen ist. Strada verlangt nun, daß das vom Mühlrade verbrauchte Wasser aus dem unteren Sammelbecken und die Schnecke wieder zum neuen Gebrauch in den oberen Wasserkasten befördert werde, daß dasselbe Wasser die vielen Räder und die Welle treibe, die Schleifsteine drehe und zu alledem noch dem Arbeiter auf das Arbeitsstück tropfe! Wahrlich eine verfehlte Ahnung des späteren Dichterwortes vom Wasser: „Vom Himmel kommt es, zum Himmel geht es, und wiederum zur Erde muß es, ewig wechselnd."
Abb. 93; Perpetuum mobile von Strada; (Klick => ZOOM)
Abb. 93.
Perpetuum mobile von Strada
In der Konstruktion zwar einfacher, in der Idee jedoch gleich konfus ist die andere Maschine Stradas, die uns einen alten Beweis für das Perpetuum mobile mit Kugellauf gibt. Wir sehen (Abb. 93) einen Radkranz mit vielen Kammern, darin je eine Kugel liegt. An den schräg, nicht radial stehenden Scheidewänden sollen die Kugeln der einen nach unten neigenden Kranzhälfte nach außen, die der andern, nach oben neigenden Hälfte nach innen zu rollen. Dadurch soll die erstere Hälfte des Kranzes stets schwerer sein als die letztere. Einen solchen unmöglichen Kugellauf verbindet Strada in der Zeichnung mit einer archimedischen Schnecke, die ihm Wasser von unten nach oben fördern soll. Durch eine senkrecht stehende Röhre fließt ein Teil des Wassers wieder zur Schnecke zurück, der andere rinnt ohne ersichtlichen Zweck in ein Reservoir. Vielleicht ist die ganze Anlage als Wasserwerk für das im Hintergrunde angedeutete Gebäude gedacht.
Da Stradas um 1575 verfaßtes Buch später im Druck erschien und die Zeichnungen, zumal in Böcklers verbreitetem Werk über Maschinenbau weit bekannt wurden, so kann es uns nicht wundern, daß im 17. Jahrhundert die Ideen der Immermobilisten häufiger, wenn auch nicht abwechslungsreicher werden.
Beachtenswert ist ein zwar schon in den - damals aber noch unbekannten - Manuskripten Leonardo da Vincis vorkommendes ewiges Wasserrad. In dem Maschinenbuche des Italieners Zonca finden wir die Idee 1607 wieder. Ein großer Heber (Abb. 94) saugt anscheinend rechts unten Wasser auf und fördert es links unten hin, wo es dann gegen ein Schaufelrad schlägt, um eine Mühle zu treiben. Entstanden ist Zoncas Idee um 1560, also zu einer Zeit, die weit vor den Zeiten der Erkenntnis der Luftdruckgesetze lag. Denn liegt, wie in der Zeichnung bei Zonca, der Einfluß eines Hebers tiefer als der Ausfluß, dann hört die Saugwirkung sofort auf. Zonca [10] wollte dieses Naturgesetz dadurch umgehen, daß er den Heber kurz vor dem Ausfluß recht weitbauchig machte. So sollte hier das größere Gewicht der Wassermasse „saugen" helfen. Daß diesem wieder andere Gesetze im Wege sind, wußte er noch nicht.
Abb. 94; Perpetuum mobile von Zonca, 1607; (Klick => ZOOM)
Abb. 94.
Perpetuum mobile von Zonca, 1607
Wie Sklavenketten hängen diese „Gesetze" denen an, die eigensinnig, sich selbst nur folgend, dem Gedanken des „Moto perpetuo", wie Zonca es zuerst nennt, nachlaufen. Sind die Leute partiell seelenkrank? Kant ist dieser Ansicht. In seiner Anthropologie sagt er: „Der Seelenkranke überfliegt die ganze Erfahrungsleiter und hascht nach Prinzipien, die des Probiersteines der Erfahrung ganz überhoben sein können, und wähnt das Unbegreifliche zu finden. Die Erfindung der Quadratur des Zirkels, des Perpetuo mobile sind in seiner Gewalt."
Männer wie Kaspar Schott, Denis Papin, De Lannis, Sturm und andere erklärten zwar die Idee derartiger Maschinen damals schon für unmöglich, aber zur Ausrottung des Spukes konnten sie so wenig tun, wie wir heute. Gegen der Menschen Wahn werden immer alle Propheten vergebens zürnen, strafen, fluchen und beten.
Im Januar 1869 schrieb zu Gottenz bei Halle a. S. der Mathematiker Joh. Karl Steubingen eine Schrift zur „Aufrechterhaltung des Ideals des Perpetuum mobile vom Standpunkte der Vernunft und Physik". Sie beginnt mit den schönen Worten:

„Für den Dialektiker ist das Perpetuum mobile ein Begriff, doch für den Forscher ist es eine Wahrheit."

Zur Verwirklichung seiner Idee eines „Kreislaufs der Kraft" hat der gelehrte Mann dreißig verschiedene Lösungen gefunden. Schade, er nennt - keine einzige, sondern sagt: „Wäre mein Studium heute beendigt, wo ich die Konstruktion der Kraftmaschine unabänderlich feststellen könnte, dann würde ich schon hier eine vollständige Beschreibung derselben gern geben. Ich bin kein egoistischer Geheimniskrämer, welcher seine Kunst der Öffentlichkeit vorenthält." So ist denn zu den vielen Erfindern des Perpetuum mobile auch dieser heimgegangen, und an Stelle der Maschine, die er „zum Gemeingut aller Stände und aller Völker der Erde" machen wollte, hat er uns nur hohle Worte hinterlassen.
Dilettanten hoffen bei ihren immerwährenden Maschinen gern auf Kräfte, die sie in ihrer Wirkung gar nicht kennen. So waren denn besonders Magnetismus und Elektrizität immer ein aktuelles Schlagwort für sie. Bereits der Verfasser der ältesten noch' erhaltenen Abhandlung über Magnetismus, Pierre de Maricourt [11], gibt 1269, und Jehan Taisnier [12], der Pagenlehrer Karls V., gibt 1557 eine Idee vom „motu continuo" durch den Magneten. Versuche mit magnetischen Selbstbewegern sind gar noch manche unternommen worden.
Wenig bekannt ist es, daß ein derartiger „Magnetmotor" - mögen die Götter wissen, wie - im neuen Deutschen Reich patentiert worden ist. Der glückliche Erfinder, ein Herr Dr. G. Ackermann in Sagan, bekam auf dieses Perpetuum mobile am 19. April 1878 das deutsche Reichspatent Nr. 4453. Die Maschinerie soll durch abwechselnde An- und Abziehung permanenter Magnete wirken. Das Patent bestand fünf Jahre, fiel dann aber wegen Nichtzahlung der Gebühren. Sogar eine geharnischte Spottschrift ist zur Zeit dagegen erschienen.
Die Entgleisung der Würde unseres sonst doch so vorsichtigen Patentamtes in dieser Sache ist um so sonderbarer, da schon in der Regierungsvorlage zum neuen Patentgesetz der erste Abschnitt des Paragraph 2 das Perpetuum mobile behandelte. Dieser Absatz lautete: „Eine Erfindung liegt nicht vor, wenn der Eintritt des beabsichtigten Erfolges nach den Gesetzen der Natur als unmöglich anzusehen ist." Dieser Passus hatte den Zweck, „die erfahrungsgemäß in großer Anzahl vorkommenden Patentgesuche auf unmögliche Erfindungen, z. B. das Perpetuum mobile, auszuschließen". In der endgültigen Fassung des Gesetzes ließ der Reichstag diese Stelle jedoch fallen. Es hätte dem Patentamt 1878 aber auch bekannt sein müssen, daß schon im Jahre 1775 die Pariser Akademie der Wissenschaften beschlossen hatte, kein Perpetuum mobile mehr zur Prüfung zuzulassen. Die Pariser Akademie hatte allerdings wenige Jahrzehnte vorher einen Preis von einer halben Million Francs für den glücklichen Meister Immermobil ausgesetzt, den sie erst mit dem vorerwähnten Beschluß einzog.
Vielleicht brachte der Lapsus unseres Patentamtes auch wieder sein Gutes. Ist es doch neulich viel ruhiger im Blätterwalde von den Immerdrehern geworden als ehemals. Mögen im Dunkeln vereinzelte Menschen noch auf diese gebrechliche Leimrute hupfen, oder auch einen Gimpel mitlocken, die Masse unseres Volkes ist durch die Verallgemeinerung des Maschinenwesens über diese Kinderkrankheit ihrer mechanischen Kenntnisse hinausgereift.
Wie im Jahre 1742 die Marquise du Chátelet die Lehre von der Erhaltung der Kraft klar erfaßt hatte [13], so dämmerte es im allgemeinen um die Mitte des 18. Jahrhunderts über physikalische Gesetze in den Geistern auf. „Das Irrlicht, das schon manchen in Sümpfe führte," wie Kästner 1792 sagt, das Perpetuum mobile hatte seinen wissenschaftlichen Kredit zu sehr beansprucht. Als erst das Gesetz der Erhaltung der Kraft durch Mayer und Helmholtz im vergangenen Jahrhundert zur Grundlage der modernen Physik wurde, entzog die Wissenschaft den Stillstandskünstlern endgültig den Kreditbrief.
Subtile Uhrmacher und Schlosser, Kleinrentner und - Schwindler stehen seitdem am häufigsten auf der immerhin nur teilweise bekannten Erfinderliste der Perpetuum mobile-Sucher.
Im 19. Jahrhundert machten nur dreimal, wenn wir das besprochene, wenig bekannt gewordene Patent nicht mitzählen, immerwährende Maschinen in weiteren Kreisen von sich reden. Die erste war eine in das gediegene Polytechnische Journal von Dingler [14] verirrte Idee des englischen Kapitäns Congreve. Wir sehen dort ein endloses Band aus Schwamm und ein dicht darauf liegendes, aus Gewichten bestehendes Band über drei Rollen geführt. Die beiden Bänder tauchen unten in Wasser, so daß das Schwammband sich voll Wasser saugen muß. Nehmen wir nun an, die Maschine wäre im Gange, dann würde das Gewichtsband auf der schräg ansteigenden Bahn zur oberen Leitrolle so sehr auf das unter ihm liegende Schwammband drücken, daß das Wasser hinausgepreßt würde. Es „müßte" dieser Teil des Bandes deshalb leichter werden, als die senkrecht von der oberen Leitrolle herablaufende Strecke des Schwammbandes. Letztere „soll" darum die Vorrichtung in Drehung versetzen. Weil aber Naturgesetze ihr eigenes „soll und muß" haben, kann die Drehung nicht zustande kommen.
Die zweite Perpetual-Idee ging im Jahre 1857 durch die Blätter. Einem gewissen Hartmann oder Horstmann schrieb man die Erfindung zu, doch leider war die ganze Erfindung samt dem Erfinder erfunden. Zuletzt rühmte man einem tüchtigen Großuhrmacher nach, daß er eine Maschine erbaut habe, die durch Kugeln in immerwährender Bewegung sei. Da die heutigen Inhaber der berühmten Firma jede Auskunft über diese geheimnisvolle Maschine verweigern, wollen wir sie ehrfurchtsvoll als eine Liebhaberei des alten Herrn ansehen und den Namen ihres Schöpfers nicht unter die Perpetualisten setzen.
So stehen wir nach einem flüchtigen Blick über die Ideen von sieben Jahrhunderten so klug wie zuvor. Daraus sollte der Laie lernen, daß auf diesem Gebiete keine Lorbeeren zu holen sind, der Fachmann kann es sich ja vorrechnen, daß es nie und nimmer möglich ist, eine aus sich selbst bewegende Maschine zu bauen:

„Die Zeit der Wunder ist vorüber, was jetzt geschieht, das muß der Mensch vollbringen."

Weitere Internet-Links zum Thema: siehe hier!